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The Great Machine / Greatestits – LP-Review

The Great Machine / Greatestits

Spätestens seit Orphaned Land weiß ich, dass es in Israel sehr geile Rockbands gibt und eigentlich hätte ich denen längst mal einen Regalgriff widmen sollen. Kommt noch. Mein alter Freund Boris von den Rock Freaks Siegen, mit dem ich 2012 noch zusammen den Merch beim ersten Freak Valley Festival betreiben durfte, hat mich im Mai mit einer Reihe toller Produkte aus dem heimischen Record-Store versorgt, denn die Rock Freaks produzieren schon seit einigen Jahren geile Platten (eine davon befindet sich gerade im Anflug und wird in den nächsten Wochen hier zu finden sein), die eben nicht nur Freak Valley-Live-Aufnahmen beinhalten. Es gibt einige schöne Studioscheiben, die es ebenfalls wert sind, gehört zu werden.

Na klar bin ich der Band auf Anhieb auf den Leim gegangen und dachte angesichts des Plattentitels an eine Art Best-Of-Kompilation. Man sollte halt genauer hinschauen und irgendwann wurde auch mir klar, dass wir hier ein nettes Wortspiel vorliegen haben, welches weniger auf große Hits denn auf weibliche Rundungen und Formen anspielt.

Ein wild kreiselnder Bass lässt sich von einem lässigen Schlag in die Welt hinaus treiben, eine fuzzig ausholende Gitarre gesellt sich dazu und schon sind wir mitten drin in repetitiven Linien und Akkorden. Verhältnismäßig eintöniger Gesang irgendwo zwischen Black Sabbath und Hawkwind gesellt sich dazu – mehr braucht es nicht, um eine von Beginn an heavy-mäßige Stimmung zu kreieren. Das erste Solo knallt, der Fan ist glücklich. Die Riffs hämmern Dir ins Hirn und brennen sich ein und das nächste Gitarrensolo löst die letzten Bremsen im Schädel. "Chris", wer immer das ist, will uns nicht mit ausufernder Raffinesse erschlagen, er groovt uns eher hypnotisch eisern ein, der Song hat von der ersten bis zur letzten Sekunde mächtig Dampf auf dem Kessel und die Great Machine scheint eine gut geölte zu sein. Das kurze Intermezzo "Bitch Too" bietet komprimiertesten Punk-Metal und wird nach einer Minute fünfzehn bereits zu Grabe getragen, man macht Platz für ein echtes Monster.

Jetzt gibt es zehn Minuten Druckbetankung mit "The Capricorn’s Silent Walk Through Pagan Fire And The Sea Of Blood". Alles klar? Hier bekommen wir beste Sabbath-Tradition und einen hypnotischen Sog, der durch die auf und ab begehrende Intensität geradezu gefährliche Wirbel für ein allzu forsches Kleinhirn heraufbeschwört. Umso mehr, wenn sich der Song in einem doomig getragenen Albtraum wiederfindet, der die Sache mit dem "Sea Of Blood" ziemlich plastisch in der Birne erscheinen lässt. Gespenstisch gut, herrlich böse und düster. Geradezu sadistisch genüsslich zelebriert die Band diese Passage wie eine Krümmung des Zeit-Raum-Kontinuums. Und dann ist plötzlich Feierabend, Seite A ist Geschichte. Wow, erst mal durchatmen.

Lange Zeit bleibt nicht dafür, die B-Seite eröffnet mit mörderischem Geschepper, wütend grollenden Bässen und einer pausenlos marschierenden Gitarre, die ihre Riffs wie Axtschläge platziert. "Keith" scheint der wilde Bruder von "Chris" zu sein, er kennt kein Erbarmen und brennt sein unaufhaltsames Feuerwerk über knappe vier aufregende Minuten ab. Dieser Song wirkt wie eine Ted Nugent-Nummer, die um eine Oktave tiefer gelegt wurde und bei der die Umdrehungen auf dem Plattenteller um einige Prozentzahlen nach oben reguliert wurden. Dieser Kracher liegt so tief auf der Straße, dass man den Asphalt schon unter dem Arsch spüren kann.

"Hollow" ist dann sozusagen das Friedensangebot, die Nummer, um Luft zu holen und die durchgegangenen Pferde einzusammeln. Eine simple Mainline, rhythmisch hier und da ein wenig gebrochen, groovt meditativ und erstaunlich sanft durch unser aufgewühltes Inneres. Die Atmosphäre hat für mich ein wenig vom Wave der achtziger Jahre.

"DM II" ist zum Abschluss das längste Stück auf dem Album und verbindet jede Menge doomige Einflüsse und Entwicklungen. Black Sabbath sind irgendwie allgegenwärtig. Die Stilelemente der Band werden hier noch einmal bis zur Verpuffung zelebriert. Die endlos wiederholten Riffs meißeln sich in die Hirnwindungen und selbst die Licks der Gitarre folgen dieser repetitiven Logik, wir lösen uns allmählich auf in einem weichgeklopften Teig aus transzendentalem Krach. Wir lassen uns dehnen, strecken und kneten und irgendwie fühlt sich das fast masochistisch geil an. Doomige Breaks zum Ende verstärken diesen Effekt nur noch, die "Greatestits" haben uns ganz schön ran genommen. Ob das geil ist? Na klar!

Wer endlich mal wieder ein bisschen Dampf ablassen mag, was in den Zeiten von Corona mehr denn je ab und zu angeraten zu sein scheint, dem möchte ich empfehlen, nicht immer nur auf die üblichen Verdächtigen zurück zu greifen. Schaut doch mal nach, was in Tel Aviv so abgeht. Dort gibt es eine ziemlich große Maschine, die Euch gerne behilflich sein möchte.


Line-up The Great Machine:

Aviran Haviv (bass, vocals)
Omer Haviv (guitar, vocals)
Michael Izaky (drums, guitar, vocals)

Tracklist "Greatestits":

Side A:

  1. Chris
  2. Bitch Too
  3. The Capricorn’s Silent Walk Through Pagan Fire And The Sea Of Blood

Side B:

  1. Keith
  2. Hollow
  3. DM II

Gesamtspielzeit: A-Seite 17:31, B-Seite 21:06, Erscheinungsjahr: 2019

Über den Autor

Michael Breuer

Hauptgenres: Gov´t Mule bzw. Jam Rock, Stoner und Psychedelic, manchmal Prog, gerne Blues oder Fusion

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