
Norddeutsch, sächsisch, gut. Egal, was bei den Dialekten draufstehen mag und wie beliebt diese laut Umfragewerten sind – musikalisch haben die beiden Bands am 14. Januar 2023 zum Konzertauftakt im ostthüringischen Neustadt an der Orla in jeder Hinsicht überzeugen können. Im Rahmen ihrer "40th-Anniversary Tour" hatten sich im Wotufa-Saal The Hamburg Blues Band & Friends angesagt.
Doch (fast) keine Feier ohne Vorband. Den Support hatten an diesem Abend drei junge Herren aus dem sächsischen Erzgebirge übernommen: Sie traten jedoch nicht wie ihre Landsleute aus dem volkstümlichen Lager, De Randfichten, in Mundart vor das Publikum. Nein, die Shophonks, so der Name jener Band, rührten einen Cocktail aus Blues Rock und Hard Rock mit einer Portion Stoner Rock an. Die drei Musiker brauchten nicht lange und das Publikum war aus dem Häuschen.
Toni Nickl (Gesang und Gitarre), René 'Del' Gläser (Bassgitarre) und Max Meyer (Schlagzeug) traten einmal mehr den Beweis an, welche scheinbar unendliche Energie von einem Trio ausgehen kann. Einfach atemberaubend. Alle Akteure sind jeweils Ende der 20er Lenze, sagte der Sänger im Gespräch mit RockTimes. Sie wohnen in unterschiedlichen Orten im Erzgebirge, beispielsweise in Zschopau, der früheren Motorradstadt (Markenname MZ). Allerdings liegen die Wohnorte sehr nah beieinander und gleichzeitig in der Nähe der Stadt Chemnitz.
Musikalisch musste man bei diesem Konzert tatsächlich davon ausgehen, dass die Protagonisten bereits internationales Format haben. Sehr fokussiert, mit scheinbarer Leichtigkeit und mit einer ungezähmten Spielfreude meisterten sie ihren Part, der überwiegend eigene Stücke zum Inhalt hatte. Die Coverversionen von The Doors, ZZ Top und Led Zeppelin wurden begeistert aufgenommen.
Erst nach 90 Minuten inklusive Zugaben verließen sie die Bühne. Verdienter Lohn für die Band, aber auch für das Publikum, das sich über eine lange Vorstellung freuen durfte. Als Support der Hamburg Blues Band war dies zum Auftakt eine Idealbesetzung. Von der Spiellänge war es sogar ein Co-Headliner-Konzert, wie es heute so schön heißt. Anders gesagt: ein Doppelkonzert im Neustädter Wotufa-Saal. Wow, was war das für ein Auftakt in das Konzertjahr 2023, noch dazu in heimischen Gefilden! Die Saat war gelegt für die Nordlichter aus Hamburg, die pünktlich 22:00 Uhr antraten, während die Shophonks zuvor ebenfalls minutiös um 20:00 Uhr begonnen hatten. Was war hier los, zumal sich Wotufa-Veranstalter Dirk Pasold über einen sehr guten Zuspruch freuen durfte?
Wie er sagte, waren nur wenige Besucher dabei, die er persönlich nicht kannte. Das Gros der Gäste waren also Stammbesucher, die der Spielstätte in Neustadt mit Veranstaltungen in unterschiedlichen Stillrichtungen seit vielen Jahren die Treue halten. »Es ist wie eine große Familie«, nennt es der rührige Gastgeber. Zu dieser Familie gehört zweifelsfrei die Hamburg Blues Band. Zum dritten Mal gastierten sie in Neustadt und waren zusätzlich im nahen Oettersdorf zu hören, wo Dirk Pasold seit vielen Jahren ein Festival fest etabliert hat. Damit nicht genug: Das zweite Wochenende im Januar war auch mit einem Geburtstag verbunden, denn vor 27 Jahren begann Dirk Pasold an seinem angestammten Ort als Veranstalter zu arbeiten.
Eine Steigerung war also kaum noch möglich und die gab es tatsächlich nicht bei The Hamburg Blues Band. Denn was Bandgründer Gert Lange und seine Kollegen auf die Beine stellen oder besser auf die Bühne bringen, ist nicht mehr steigerungsfähig. Die Formation überzeugt mit höchster Perfektion. Die Internationalität der Künstler verleiht dem Auftritt eine einzigartige Authentizität. Wie schon bei der zweiten Band des Abends, den Shophonks, zu erleben, verlieren sich die Musiker nicht in Moderationen, sondern musizieren munter drauf los.
Eine kurze Ansage des Sängers und Gitarristen nach dem Motto »Hallo Neustadt, wie geht’s. Schön, wieder hier zu sein« verriet, dass man gern in das ostthüringische 'Wohnzimmer' zurückgekehrt ist. Das trifft auch auf Fans aus mehreren Regionen Mitteldeutschlands zu, darunter Besucher aus Plauen, Zwickau, Leipzig und sogar Magdeburg. Dafür, dass die Besetzung um Gert Lange oft wechselte und es sich praktisch aktuell um eine vierköpfige All-Star-Band handelt, ist die Qualität sehr hoch. Bassist Reggie Worthy war bereits mit Ike und Tina Turner, Eric Burdon sowie Udo Lindenberg auf Tour. In der Band von Sänger und Gitarrist Stefan Stoppok ist der US-Amerikaner seit vielen Jahren eine verlässliche Größe.
Krissy Matthews ist ein britisch-norwegischer Bluesrock-Gitarrist und Singer-Songwriter. Geradezu ein Ausnahmetalent. Der heute 30-Jährige war noch nicht einmal geboren, als 1982 die Geburtsstunde von The Hamburg Blues Band schlug. Vierter im Bunde ist Schlagzeuger Eddie Filipp. Fast unauffällig, mit seinem Instrument am hinteren Bühnenrand platziert, leistet er mit dem Taktschlag einen wichtigen Beitrag, damit das Räderwerk bei den Hamburgern so reibungslos gut funktioniert. Dort, wo ausdrücklich Blues draufsteht, dreht sich viel um Rockmusik. Schon deshalb spielen sie mit dem dritten Lied "Make Love Strong" nach den Worten des Frontmanns »zur Abwechslung mal ein Blueslied«, um dann zu "Hairdrying Drummer Man" zu kommen, bei dem Krissy Matthews den Gesangspart übernimmt, wie später bei "Greatful". »Großartig!« möchte man allen vier Musikern zurufen, denn sie hinterlassen ein höchst zufriedenes Publikum. Menschen, die spüren werden, dass sie einen besonderen Abend erlebt haben.
Wenn der Sänger kurz aus dem Rampenlicht verschwindet, dann zünden die drei verbliebenen Akteure ein instrumentales Feuerwerk, dass es dem Zuhörer die Sprache verschlägt. Beim Cover "Nutbush City Limits" möchte man sogar glauben, die Komposition stamme aus dem eigenen Haus, so zielstrebig geht es hierbei zur Sache. Zur Musik der Band schrieb die Berliner Morgenpost im Jahr 1996: »...das ist der harte Blues einer Großstadt, die an der Oberfläche poliert glänzt, aber auf dem Boden der Realität rauh & hart ist.«
Wie wir wissen, stand Veranstalter Dirk Pasold vor exakt 27 Jahren noch in den Startlöchern. Im gleichen Jahr hatte die Band aus Hamburg eine völlig andere Zusammensetzung. Der hier treffend beschriebene Charakter der Musik hat sich allerdings seitdem nicht verändert. Begriffe wie Alter und Aufhören lässt der renommierte Blues/Rock-Shouter Gert Lange nicht an sich heran. »Wir haben gute Stuckateure«, nahm er die Gäste in Neustadt mit auf sein Geheimnis um das gute Aussehen.
Vollendeter Blues Rock mit Rob Orlemans & Half Past Midnight aus den Niederlanden steht am 21. Januar 2023 an gleicher Stelle auf dem Programm. Die Gewichtung liegt hier erneut mit Schwerpunkt mehr auf Rock, was der Live-Atmosphäre aber gut zu Gesicht stehen sollte.
RockTimes bedankt sich herzlich bei Dirk Pasold vom Wotufa-Saal für den Platz auf der Gästeliste.
©Fotos: Mario Keim
Line-up Shophonks:
Toni Nickl (vocals, guitar)
René "Del" Gläser (bass)
Max Meyer (drums)
Line-Up The Hamburg Blues Band:
Gert Lange (vocals, guitar)
Reggie Worthy (bass, backing vocals)
Krissy Matthews (guitar, vocals, backing vocals)
Eddie Filipp (drums).
Shophonks
- Schlagzeuger Max Meyer
- Mit ganzem Einsatz: Max Meyer (links) und Bassist René 'Del' Gläser
- Frontmann und Gitarrist Toni Nickl
- Shophonks – Glanzvoller Auftritt eines jungen Band
- Bitte recht freundlich: Max Meyer
- Spitzname Del: René Gläser
- Sänger und Gitarrist Toni Nickl
The Hamburg Blues Band
- Mann mit Überblick: Gert Lange
- Mit viel Gefühl: Krissy Matthews
- Viel Erfahrung: Bassist Reggie Worthy
- Gert Lange, Kopf der Hamburg Blues Band
- Setlist HBB
- Bringt Taktgefühl und gute Laune mit: Schlagzeuger Eddie Filipp
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