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The Last Ditches / Spilt Milk-CD-Review

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So richtig getraut habe ich dem Braten ja nicht, als ich von einem neuen Projekt namens The Last Ditches erfuhr. Da schlossen sich also der Hard Rock-Drummer Bobby Rondinelli (Ex-Rainbow, Ex-Black Sabbath, es würde weniger Zeit kosten aufzuzählen, in welcher Band er noch nicht gespielt hat), der Punk Rock-Gitarrist Walter Lure (der gefühlte etwa fünf Minuten im Rampenlicht neben Johnny Thunders bei den Heartbreakers hatte), der mir bisher völlig unbekannte Gitarrist und Sänger Binky Philips (der weder solo oder mit einer seiner Bands je großen Erfolg hatte, aus der Szene in New York City aber bereits seit den frühen Siebzigern nicht mehr wegzudenken ist) und der klassische Rock-Bassist (und Harmonika-Spieler) Randy Pratt (u. a. Cactus, Blue Cheer, The Lizards) zusammen und wollten mal mächtig einen drauf machen.

Aufgehört zu spielen hatte natürlich keiner von ihnen und zu meiner großen Freude kann ich hier konstatieren, es mit dem wahrscheinlich besten Rockalbum zu tun zu haben, dass mir in diesem Jahr (oder noch länger) bisher in die Hände fiel. Was The Last Ditches auf "Spilt Milk" an den Start bringen, ist 'dreckiger', authentischer, mitreissender und unverfälschter Rock direkt von der Straße. Die Jungs trafen sich im Studio, der für den jeweiligen Tag vorgesehene Song wurde vom Komponisten kurz vorgestellt, die Bandmaschine ins Rollen gebracht und dann ab dafür. Das Ergebnis sind 13 Songs, die so ungeschliffen wie genial über den Hörer herfallen, dabei alles freisetzen was das Rockerherz so braucht und ganz nebenbei auch noch die Boxen der Anlage in Schutt und Asche legen.

Bereits der Opener "Excuse Me" lässt durch wilde Ungestümheit gepaart mit bahnbrechender Power und sehr viel Melodik aufhorchen. Da fliegen die Fetzen, kleinere Spielfehler werden (zum Glück!) großzügig übersehen und einfach nur Wert darauf gelegt, mit der schieren Kraft der Rockmusik ein bestimmtes Anliegen des Songwriters rüberzubringen. 'Schöne' Stimmen, ’schönes' Singen? Nee, das nicht, aber dafür bekommen wir hier Rock’n’Roll der waschechten Sorte geboten. Nachdem die erste Nummer Binky Philips gehörte, präsentiert sich Walter Lure anschließend mit "That’s What We Do" keinen Deut schwächer, kompromissbereiter oder… wie soll ich sagen… erwachsener. Versehen übrigens mit einem halsbrecherischen Bass(!)-Solo.

Für das Songwriting waren sowohl Philips als auch Lure zuständig. Nie zusammen, jeweils getrennt, aber immerhin konnte sich auch Randy Pratt drei Mal als Texter beteiligen. Als einzige Coverversion wurde der Johnny Thunders-Song "I Wanna Be Loved" gewählt, der sich natürlich wie ein Zwilling in das restliche Material einfügt. Sicherlich auch eine Hommage und ein Kopfnicken an den lange Jahre schwer drogensüchtigen und viel zu früh verstorbenen ehemaligen Bandkollegen von Walter Lure.

Wir haben es bei diesen dreizehn Tracks dann auch nicht wirklich mit Punk Rock zu tun, vielmehr um räudiges und Adrenalin freisetzendes Material, das in Sachen Geilheit (nur ohne Slide-Gitarre) in etwa mit dem One-Off-Klassiker von Romeo Dog verglichen werden kann. Texte wie Pratts "Monkey On My Back", Philips' "Itchin' For A Fight" oder "Kiss This" sowie Lures "Throw The Dog A Bone" sprechen aus dem echten (und offensichtlich alles andere als leichten) Leben. Ach ja, das einzige Stück, das mich kurz mal durchschnaufen ließ ist übrigens Walter Lures "I Made A Mess", das vom Tempo her deutlich gemütlicher ist, vom Text und der Melodie aber genauso packend und süchtig machend, wie der komplette Rest.

Von der Spielzeit her wurde zwar eher Kurzarbeit geleistet, aber "Spilt Milk" (frei übersetzt "Unangenehm aufgefallen") musste auch gar nicht länger sein, um alles zu sagen, was die Protagonisten auf der Seele hatten. Dafür sind hier aber 36 Minuten und 19 Sekunden festgehalten, die den Hörer (oder zumindest mich) geradezu nach Atem ringend zurück- und immer wieder zur Repeat-Tasten greifen lassen.

Absolute Empfehlung für jeden, der seinen Rock etwas rauer und ungehobelter mag sowie sich selbst noch erlaubt, davon seine Gefühlswelt in Wallung bringen zu lassen. Richtig klasse!


Line-up The Last Ditches:

Binky Philips (guitars, lead vocals – #1,3,5,9-12)
Walter Lure (guitars, background vocals, lead vocals – #2,6,8,13)
Randy Pratt (bass, background vocals, lead vocals – #4,7)
Bobby Rondinelli (drums)

With:
Paul Gifford (percussion, additional vocals)
Scott 'The Doctor' Treibitz (piano – #8)
Lorenza Ponce (violin – #8)
Yair Eunine (cello – #8)

Tracklist "Spilt Milk":

  1. Excuse Me
  2. That’s What We Do
  3. Where Am I?
  4. So-So-So
  5. Itchin' For A Fight
  6. I Wanna Be Loved
  7. Monkey On My Back
  8. I Made A Mess
  9. I Get That A Lot
  10. N-O Spells No
  11. A Thing About You
  12. Kiss This
  13. Throw The Dog A Bone

Spielzeit: 36:19, Erscheinungsjahr: 2016

Über den Autor

Markus Kerren

Hauptgenres: Roots Rock, Classic Rock, Country Rock, Americana, Heavy Rock, Singer/Songwriter
Über mich
Meine Beiträge im RockTimes-Archiv
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Meine Konzerberichte im Team mit Sabine
Mail: markus(at)rocktimes.de

2 Kommentare

  1. Rainer Hellstern

    Au Mann,

    da machst du mich aber wuschig.
    Auf die Scheibe freu ich mich schon.

    Grüße,
    Rainy

    1. Markus

      Hi Rainy,

      yep, ganz feines Teil, kann ich nur empfehlen!

      Gruß,
      Markus

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