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The Lateriser / Jetzt oder nie! – CD-Review

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Stille Wasser sind bekanntlich tief. So erscheinen die drei Männer der Rockband The Lateriser auf dem CD-Booklet zu "Jetzt oder nie!" auf den ersten Blick wie die netten Jungs von nebenan. Doch musikalisch haben es die Sachsen aus dem Erzgebirge faustdick hinter den Ohren. Da blitzt wiederholt in gekonnter Weise der kraftvolle Südstaaten-Rock auf, sodass es eine Freude ist. Sie selbst nennen ihren musikalischen Mix schlicht Power Rock. Der klingt live ebenso überzeugend wie auf CD. Mir waren die Musiker bei einem Konzert in Erfurt als Vorband von Randy Hansen und dessen 'Tribute to Jimi Hendrix' zum ersten Mal begegnet. Der mindestens genauso begeisterte RockTimes-Kollege Joachim 'Joe' Brookes widmete dem Trio exklusiv einen Konzertbericht aus Rhede, wo er die Formation zuvor schon einmal erlebt hatte.

Ein Grund, noch einmal genauer nachzulegen und der Frage auf den Grund zu gehen, warum die Rockmusiker mit ihrem vorletzten Album "Alles auf Null" den Wechsel von englischsprachigen zu deutschen Texten vollzogen haben. "Jetzt oder nie!" (2018) heißt das aktuelle Album. Es folgt dem Anspruch, bluesigen Hard Rock mit Virtuosität, Groove und Feeling zu vereinen und damit ein generationsübergreifendes Publikum anzuziehen.

Mit ihrer Mischung aus Blues, Blues Rock und Hard Rock erinnern sie mich zuweilen an ZZ Top und lassen diese mit den Anfangsakkorden aus "Sharp Dressed Man" zu Beginn des zweiten Titels "Schweigen ist Gold" aufleben. Zunächst eröffnet der Titeltrack "Jetzt oder nie!" den Reigen der zehn Stücke. Hard Rock drückt dem Lied den Stempel auf, im Refrain vereinen sich die bevorzugten Genre zu einem energiegeladenen Musik-Cocktail. Klanglich steht "Schweigen ist Gold" dem Opener in nichts nach. Hier ragt das Gitarrenspiel von Martin Fankhänel heraus. Die Hammondorgel von Gastmusiker David Gottschalk sorgt ebenfalls für einen hitverdächtigen Song, der aber wohl weniger Radiohörern, dafür umsomehr den treuen Fans der Band vorbehalten bleibt.

"Freiheitswinde" zeigt dem Hörer, welche Wirkung von den deutschsprachigen Texten ausgeht. Der ebenfalls gitarrenlastige Titel fällt strukturell ein wenig aus dem Rahmen und kann guten Gewissens den Vergleich mit anspruchsvollen Deutschrock-Songs aufnehmen. "Was bleibt?" klingt nur zu Beginn nach einem Ausflug in die Welt des Country, ehe es geradling wieder in Richtung Bluesrock/Hardrock geht. Die schnörkellose Struktur aller Kompositionen, für die gleichberechtigt Martin Fankhänel, Martin Rudolph und Benjamin Nagel verantwortlich zeichnen, lässt erahnen, warum in Konzerten der sprichwörtliche Funke so schnell aufs Publikum überspringt. "Hab keine Zeit" ist der kürzeste Titel des Albums. Hier ragt der kräftige Bass heraus, gezupft von Martin Rudolph. Alle Stücke lassen den Hörer staunen, welche enorme Kraft in einem Trio stecken kann. Im Falle von The Lateriser müsste es vielmehr heißen: Power-Trio. Diese Energie macht den Reiz der vorliegenden Platte aus.

"Fang mich auf" widmet sich nicht dem in Punkkonzerten gebräuchlichen Stagediving (Deutsch: Bühnentauchen), sondern setzt sich mit dem schnellen Zeitverlauf in einem Menschenleben auseinander. Das ruhige "Tanze im Regen" ist eine Zäsur, die Balladencharakter hat, aber keinesfalls aufgesetzt oder gar störend ankommt.
Beim folgenden "Der Baum" bleiben die ersten Akkorde dem Pianio vorbehalten, ehe anschließend das Trio in Strophe und Refrain gewohnt volle Fahrt aufnimmt. Was für ein furioser Einstieg! "Ich wollte sie küssen" und "Wahrheit oder Pflicht (9/11)" halten die Spannung bis zum Ende aufrecht und zeigen noch einmal deutlich, welch Rock ’n' Roller-Herz hier in dreifacher Ausfertigung schlägt. Dabei widmet sich das finale Werk den US-amerikanischen Verschwörungstheorien rund um die Terroranschläge vom 11. September 2001.

Martin Fankhänel, Martin Rudolph und Benjamin Nagel würzen ihre Begeisterung vorrangig für Jimi Hendrix, Black Sabbath, Stevie Ray Vaughan und AC/DC mit einer gesunden Portion Herzblut und treten eindrucksvoll den Beweis an, dass rockige, genreübergreifende Gitarrenmusik durchaus auch aus dem volkstümlich geprägten Erzgebirge kommen kann.

Welcher Punkt den Ausschlag gab, warum seit "Alles auf Null" ausschließlich deutschsprachige Texte zu hören sind, wollte RockTimes von der Band wissen. Ausschlaggebend sei 2015 der Kontakt zu Peter Schmidt, Sänger und Gitarrist der Berliner Band East Blues Experience, gewesen. »Wir luden ihn zu uns in den Proberaum zu einer Session ein. Dabei stellten wir ihm die Titel des bevorstehenden Albums vor und baten ihn um ein Feedback. Dabei fragte er uns unter anderem, was wir mit den englischen Titeln ausdrücken wollten und ob wir schon mal Sachen in deutscher Sprache probiert haben. Wir stellten uns daraufhin die Frage: Können wir wirklich unsere Gedanken, Gefühle oder Gedichte so ins Englische verpacken, dass es ein Amerikaner oder Engländer verstünde, da wir ja keine 'Native speaker' sind. Die Antwort lautete Nein!«, erinnert sich Martin Rudolph.
The Lateriser hatten in den Anfangsjahren schon einmal mit deutschen Texten experimentiert. »Allerdings fühlten wir uns im Englischen wohler, was auch daran lag, dass unser damaliger Sänger und Gitarrist der englischen Sprache als "Native Speaker" mächtig war.«
Schließlich habe man sich erneut in der deutschen Sprache versucht. »Nach ersten Testläufen im Studio merkten wir relativ schnell, dass wir hier wohl auf eine Goldader gestoßen waren. Wir konnten unsere Gefühle und Gedanken viel besser in Worte fassen und es schrie förmlich aus uns heraus. Wir merkten, dass wir damit für uns den richtigen Weg einschlagen hatten und schreiben seitdem unsere Songs auf Deutsch«, lässt uns der Bassist an der Entwicklung der Band teilhaben. Die deutsche Sprache solle ferner dazu beitragen, den Musikstil der Band weiterhin zu einem Alleinstellungsmerkmal werden zu lassen.


Line-up The Lateriser:

Martin Fankhänel (Gesang, Gitarre)
Martin Rudolph (Bass)
Benjamin Nagel (Schlagzeug)

Gäste:
David Gottschalk (Hammondorgel, Piano)
Markus Bär (Saxophon)

Tracklist "Jetzt oder nie!"

  1. Jetzt oder nie!
  2. Schweigen ist Gold
  3. Freiheitswinde
  4. Was bleibt?
  5. Hab keine Zeit
  6. Fang mich auf
  7. Tanze im Regen
  8. Der Baum
  9. Ich wollte sie küssen
  10. Wahrheit oder Pflicht (9/11)

Gesamtspielzeit: 42:48, Erscheinungsjahr: 2018

Über den Autor

Mario Keim

Musikstile: Heavy Rock, Rock, Deutschrock, Hard Rock
Marios Beiträge im RockTimes-Archiv

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