Grusel, viel Mut und weststaatlicher Brit Rock
Es muss so um das Jahr 2011 gewesen sein … im Bremer Vorzeige-Musikklub für Live-Musik – von regionalen Bands, über Cover-Bands bis hin zu unbekannten und bekannten internationalen KünstlerInnen im Dunstfeld von Rock, Hard Rock, Metal, Blues, Country und Soul – trat ein auch in diesem Magazin durchaus abgefeierter Act aus Detroit, Michigan auf und räumte vor der sagenhaften Kulisse von vielleicht 50 Leutchen gewaltig ab … so sehr sogar, dass sich der Verfasser dieser Zeilen neben der damals aktuellen Born Ugly-Scheibe ein eigentlich zu kleines/enges Merchandise-Shirt zulegte und dabei auf einen ausgesprochen sympathischen Danny Methric traf, der sich als Amerikaner doch tatsächlich sichtlich Mühe gab, den linguistisch nur mäßig begabten Rezensenten nicht zu überfordern. Zuvor hatte das Trio folgende Zeilen des geschätzten Kollegen Joachim 'Joe' Brookes, welche dieser anlässlich ihres zweiten Studioalbums schrieb, eindrucksvoll bestätigt: »Wenn man die Einflüsse von The Muggs etwas weiter fassen möchte, dann ist es durchaus der britische Blues Rock, der Pate für die Musik des Trios stand und das ist keine schlechte Adresse. (…) Bei so guter Musik ist es verwunderlich, dass The Muggs noch kein Label haben.«
Nun liegt dem Rezensenten das mittlerweile fünfte Studioalbum dieser spürbaren Überzeugungstäter vor, welches immer noch nicht auf einem Label erscheint und hierzulande exklusiv von 'Just For Kicks Music' vermarktet und vertrieben wird. Nebenbei bemerkt passt das besagte Shirt mittlerweile noch weniger!
Passenderweise hat "Slave To Sound" das 'Volume 5' gleich mitverpasst bekommen und das Titelstück eröffnet sogleich den elfteiligen Reigen. Es steht in seiner Anmutung exemplarisch für den größten Teil des Albums und weckt diesmal weniger Assoziationen an den britischen Blues Rock, sondern gemahnt vielmehr an den sogenannten Brit Pop der 1990er Jahre, allerdings in einer konsequent rockigen Variante, die selbst den Punk-Urahn nicht ganz außer Acht lässt. Zusätzliches Gewürz bringt eine amtlich weststaatliche Saitenspiel-Note ein, die typischerweise weiter südlich verortet wird.
Somit kommt es hier zu einem etwas ungewöhnlichen Zusammentreffen von … sagen wir … Oasis (Liam Gallagher-Stimmfärbung minus Brit-Slang und inklusive Hang zum Genöle und latentem Spät-Beatles-Einfluss), MC5, Mitch Ryder & The Detroit Wheels und der wunderbaren kanadischen Retro-Truppe The Sheepdogs, obendrein noch angereichert durch die immer schon bei den Muggs vorhandenen Psychedelic-Anwandlungen, besonders ausgeprägt beim stimmungsvollen Psychedelic-Blues "After The Ending".
Genau dieser Titel passt in seiner etwas düsteren Grundstimmung nicht nur sehr gut zu den derzeitigen Geschehnissen, sondern unterstützt den – zumindest gefühlten – eigentlichen Schwerpunkt dieses Werkes … nämlich ein fast neunminütiger Mix aus Hörspiel, instrumentalem Soundtrack und hysterischem Michael Jackson-Thriller-Gedächtnislachen – offensichtlich inspiriert von einem amerikanischen Trash-Monster-Movie namens "The Boogens" aus dem Jahre 1981. Zur Einstimmung covern The Muggs weniger zufällig als verwirrend "Son And Daughter" vom Queen-Debütalbum, denn beim direkt darauf folgenden "The Boogens" sind … genau … Vater und Tochter beim routinierten Campen, als zunächst der Vater Gruselgeschichten vom Stapel lässt, dann im Hintergrund sein Auto zersplittert, um schließlich nach frechen Verwünschungen vom Monster höchstselbst gemeuchelt zu werden, gekrönt vom beeindruckenden Schrei der Tochter beim Auffinden der Katastrophe.
Kritisch darf angemerkt werden, dass damit natürlich der musikalische Fluss des Albums zerstört wird, andererseits hat dieses dadurch eine recht eigene Dynamik, bekommt die Anmutung eines Konzeptalbums und es wird mehr als deutlich, dass die Band hier keinerlei Vorgaben eines Labels zu erfüllen hat.
Fazit:
Kein Album wie jedes andere, was im weitläufigen Segment des Retro Rocks wahrlich ein Kunststück für sich ist. Die Band beweist ein Händchen für Melodien und überrascht diesmal mit einer deutlichen Neigung zum rockigen Brit Pop der 1990er Jahre. Zudem erzeugt die Anmutung eines Konzeptalbums eine ganz bestimmte Dynamik, die es sehr anraten lässt, diesen Silberling tatsächlich in Gänze und Original-Reihenfolge durchlaufen zu lassen … das ist in Zeiten des Streamings durchaus ungewöhnlich und sehr mutig. Da sei auch verziehen, dass niemand den abschließenden Alternate-Mix des "Boogens"-Themas gebraucht hätte.
Line-up The Muggs:
Danny (Muggs) Methric (lead vocals, guitars)
Tony (Muggs) DeNardo (backing vocals, Fender Rhodes bass)
Todd Glass (drums)
Adam Cox (piano, organs)
Scott "Gator" Anderson (guitar – #2)
Bonnie & Caitlin Drinkard (background vocals – #6,7)
Peter Geloso (backing vocals – #1,2,8)
The Beggars (singing – #2)
Ron "Uncle Bunky" Devos (voice actor – # 11)
Aphrodite Nikolovski (voice actor – #11)
Tracklist "Slave To Sound Volume 5":
- Slave To Sound (03:25)
- Gator (03:52)
- Occupied Blues (04:52)
- Patent Pending (03:07)
- After The Ending (05:04)
- Eye To Eye (05:06)
- Magnet And Steel (03:29)
- Son And Daughter (03:31)
- The Boogens (08:30)
- Breaking My Own (04:59)
- The Boogens [Alternate Mix] (03:55)
Gesamtspielzeit: 49:56, Erscheinungsjahr: 2020
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