«

»

The Necronautics / Scattered Peace – CD-Review

Ein zerbrochenes Brillenglas, zugenähter Mund, unfachmännisch gestopfte Narbe auf der Wange, ein trübes Auge, gepflasterte Narben auf der Stirn, offene Schnittwunden am Hals und eine blutende Nase.
So präsentieren sich die vier Musiker von The Necronautics in vier gezeichneten Bildern auf der Website.
Okay, es gibt auch eine Fotografie der Gruppe aus Mannheim.
Ebenfalls auf der Website liest man: »[…] It’s mad. It’s insane. It’s sizzling. Listen to the great sound of the Necronautics. […]«
Unter der Überschrift »[…] This is the Band […]« steht unter anderem: »[…] Vier Musiker mit dem Hang zum Bizarren und Skurrilen rüsten sich auf, um eine hallgetränkte Collage aus Vintageklängen zu erschaffen! Macht euch bereit für eine dämonische Menschmaschine, bestehend aus wütenden Drums, bedrohlichen Basslines, brachialen Gitarren, gespenstischen Melodien und dem verwegenen Pathos staubiger Western-Szenerien! […]«

2013 gegründet, erschien 2016 die LP "The Necronautics". Ende 2017 kam die EP "A Madman’s Tale" auf den Markt, gefolgt von "Headhunt" (EP/2018).
»[…] Furios, Wild, Cineastisch! The Necronautics entreißen den Zuhörer […] aus dem geisttötenden Alltagswürgegriff und entsenden ihn in ein psychedelisches Panoptikum purer Phantasie. […]«
Jetzt lassen wir die Kirche im Dorf. Kann eine Band so viel Aufregendes bieten, wie in den Zitaten genannt?
Wie aus dem Line-up von The Necronautics unschwer zu erkennen ist, handelt es sich um eine Formation, die ohne Gesang agiert.
"Don’t Press That Button Again" entpuppt sich als ein ungemein offensiver Beginn. Fetzige Gitarren treffen auf Flötenklänge und eine morgenländische Atmosphäre. Wow, da kommt Freude auf. Ein herrlich locker-luftiges Intermezzo bringt Zeit zum Luftholen. Durch den Opener verursacht, stehen die Zeichen auf Angriff. Der Hörer bekommt Surf-Druck auf die Ohren.

Nehmen wir uns dann doch die letzte Nummer von "Scattered Peace" vor.
Aus der Fachsprache des Sports entlehnt, machen The Necronautics jetzt einen klassischen Salto rückwärts. Alle Vehemenz, Dynamik und Energie kollabieren in "The Loneliness Of The Hermit Crab". The Necronautics haben ein Herz für Tiere. Dieses sinnlich-verträumte Lied ist etwas für das Kopfkino, definitiv verstärkt durch Violetta Hellwigs elfenhaften Gesang. Eine sehr gute Wahl! Die Combo entführt einen an diverse Strände dieser Welt. Seicht verebbt das Meerwasser im flachen Sand. Die von Florian Schlechtriemen eingesetzten Paukenschlägel kreieren einen stetigen Rhythmus, der super zum Stück passt und dann geht es durch ein Gitarren-Solo inszeniert auch noch nach Hawaii. Eine solche dramatische Wendung hätte man, – ausgehend vom ersten Song – nicht im Entferntesten vermutet. Sehr gelungene Überraschung. Highlight!

Ja, haben wir denn schon Karneval?
The Necronautics verkleiden sich als "Surf Police". War gerade von den Stränden dieser Welt die Rede, wird das Quartett jetzt konkreter, denn durch die »[…] dreistimmigen Mariachi-Trompetenfanfaren […]« geht es zu, wie beim Rückenwind-Opener. Tempo ist angesagt und auch dieses Lied mit mexikanischer Würzung hat Qualität und kommt gut an.
Bleibt noch, etwas über den "Long Knife Boogie" zu schreiben.
In der Rolle eines Barkeepers mixt die Combo einen speziellen Cocktail, den The Necronautics-all-in-one-Drink. Ein Spritzer Ennio Morricone, drei Tropfen Rock’n’Roll, jazzige Licks von einer E-Gitarre und auf der anderen E-Gitarre fetzt der Musiker über das Fretboard, als gäbe es kein Morgen. So ähnlich könnte die Cocktail-Rezeptur zu "Long Knife Boogie" lauten. Toll!

Das war es dann nach dreizehn Minuten Surf-Karussell.
Okay, so ganz übertrieben sind die eingangs gelisteten Beschreibungen nun nicht.
The Necronautic haben es drauf.
"Scattered Peace" ist kein Debüt, aber irgendwie dann doch, denn es ist die erste The Necronautics-Scheibe auf Timo Gross' Label Gran Cru Records.
"Scattered Peace" ist eine eindrucksvolle EP.
"Scattered Peace" weckt Begehrlichkeiten. Wann kommt der nächste Longplayer?
Bleibt gesund und nehmt euch zur Ablenkung Zeit für gute Musik.


Line-up The Necronautics:

Simon Seeleuther (guitar)
Jörg Teichert (guitar)
Heiko Duffner (bass)
Florian Schlechtriemen (drums)

With:
Violetta Hellwig (vocals – #4)

Tracklist "Scattered Peace":

  1. Don’t Press This Button Again
  2. Long Knife Boogie
  3. Surf Police
  4. The Loneliness Of The Hermit Crab

Gesamtspielzeit: 13:11, Erscheinungsjahr: 2020

Über den Autor

Joachim 'Joe' Brookes

Genres: Blues, Blues Rock, Alternative Music, Space Rock, Psychedelic Music, Stoner Rock, Jazz ...
Über mich
Meine Seite Im Archiv
Mail: joachim(at)rocktimes.de

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>