Spricht man von kulinarischen Leckereien, dann isst das Auge gewöhnlich mit. Musikalischer Genuss muss sich ebenfalls nicht nur auf ein Sinnesorgan beschränken. Dafür sorgen allein schon die vielen kreativen Künstler, wenn diese sich das Artwork für ein neues Album ausdenken. Das kann werbestrategisch von Vorteil sein; die Gestaltung sorgt aber vor allem für einen hohen Wiedererkennungswert bei den Fans und dadurch für einen emotionalen Faktor.
Besonders im Metal finden wir zahlreiche Platten, die bis heute durch ihre Covergestaltung hängen geblieben sind. Anfang bis Mitte der 1980er Jahre schien mir als die Hochzeit, in der sich die Kreativen in einem gefühlten Wettbewerb gegenseitig überboten. Die Motive waren oft mystischer Natur oder sie kamen aus der Sagenwelt. Es gibt auch Beispiele, wo grafische Elemente oder die Einbeziehung markanter Fotos für Aufsehen sorgten. So bleiben mir die ersten Metallica-Alben gut in Erinnerung, die den Schriftzug der Band und vergleichsweise schlichte graphische Gestaltung zum Gegenstand hatten. Die Entwicklung bei der Covergestaltung zeichnet sich natürlich bis heute ab.
Doch es darf gerne auch etwas spektakulärer zugehen. Warum nicht auf Monster setzen? Iron Maiden kokettierten ohnehin mit dem Bandmaskottchen Eddie, das 1982 das von Derek Riggs gestaltete Cover des neuen Albums "The Number Of The Beast" zierte. Eddie hält den Teufel als Marionette fest. Damit nicht genug: Der Teufel hält sich einen kleineren Eddie als Marionette. Nach Überlieferungen der Band war das Motiv für eine Single aus dem Vorgängeralbum "Killers" (1981) geplant. Die Musiker fanden das aber zu schade. Zeichner Derek Riggs hat Eddie auch erfunden.
Vier Jahrzehnte später sind diese Episoden längst Geschichte. Der Status der bemerkenswerten Produktion ist allerdings unverändert geblieben. Immer wieder tauchen Hits im Liverepertoire von Maiden auf. Das trifft nicht nur auf den Titelsong "The Number Of The Beast" zu, sondern ebenso auf "Run To The Hills" und "Hallowed Be Thy Name". Mich hat das Album gelehrt, dass ein Titelsong nicht automatisch der Opener sein muss. Auf der Schallplatte ist "The Number Of The Beast" die Nummer 1 auf der B-Seite. Es erfüllt alle Erwartungen an ein Lied, das auf einer solchen Platte mit einem solchen Titel und der graphischen Gestaltung enthalten ist.
Tatsächlich hatte ich beim Anblick des Covers meine eigenen Erwartungen. Nachdem ich, damals noch 17-jährig, durch Judas Priest, Saxon und Iron Maiden schon in der New Wave Of British Heavy Metal (NWOBHM) angekommen war, hatte ich großes Interesse, an die Scheibe zu gelangen. Also erhielt meine Mutter die Bitte, beim nächsten Verwandtenbesuch "The Number Of The Beast" mit nach Hause zu bringen. Meiner Mutter waren regelmäßige Besuche in der damaligen Bundesrepublik möglich, da sie dort vier Geschwister hatte. Eine Schwester lebt bis heute in Florida. Allerdings trafen die Besuchsmöglichkeiten nur dann zu, wenn es Geburtstage oder andere familiäre Anlässe bei Verwandten ersten Grades zu feiern galt. Entsprechende Lockerungen gestatteten mir den Besuch einer Cousine zu deren Hochzeit erstmals im Mai 1989, also sechs Monate vor der Grenzöffnung und damit zu spät für die NWOBHM oder gar einen Konzertbesuch.
Maiden live mussten bei mir bis 1992 warten: Super Rock in Mannheim, als schon feststand, dass sich Bruce Dickinson einer Solokarriere zuwenden wollte. "The Number Of The Beast" war das dritte Album der Band und das erste mit ihm als Sänger. Außergewöhnlich finde ich, dass eine Komposition mit nur 4:33 Minuten Spieldauer einen solchen Spannungsaufbau entwickeln kann wie bei "Children Of The Damned". Es ist genau die Stärke, die Iron Maiden bis heute auszeichnet. "Children Of The Damned" trägt übrigens maßgeblich die Handschrift von Bruce Dickinson. Aufgrund von vertragsrechtlichen Absprachen mit seiner ehemaligen Band Samson ist dies allerdings offiziell nirgends vermerkt.
Diese musikalische Faszination geht in gleichem Maße von "Hallowed Be Thy Name" aus, der für mich bis heute unangefochten beste Heavy Metal-Song überhaupt. Dies nicht nur deshalb, weil die Ostberliner Band Formel I ihn coverte, mit auf ihr Album "Live im Stahlwerk" (1986) nahm und bei mir bis heute viele Erinnerungen wach ruft: Fan und Roadietätigkeit. Meine Berliner Idole waren ebenfalls große Maiden-Fans. Aufgrund mehrerer Ausreiseanträge von Musikern und Technikern löste sich die Band allerdings 1987 auf. Auch sie hatten den Geist von "The Number Of The Beast" im Blut.
Unsere Kollegin Andrea schildert in ihrer Review, nachzulesen im RockTimes-Archiv, ebenfalls ihre Eindrücke rund um das Maiden-Album, das 1995 und 1998 auf CD neu veröffentlicht wurde. Als Bonus-Track ist auf der CD der Song "Total Eclipse" (4:28) zu hören. Andrea bringt die Dinge gut auf den Punkt. Es ist ein Beitrag, der sehr zu empfehlen ist. Wie mir erst viel später bekannt wurde, war das bläuliche Cover 1982 nur durch einen Druckfehler entstanden. 1998 wurde es anlässlich einer Neuveröffentlichung farblich überarbeitet. Diese Geschichte passt zu dem Kultalbum wie die Faust aufs Auge. Dagegen musste der 2020 verstorbene Produzent Martin Birch immer wieder schwören, dass er für eine Werkstattreparatur nach einem Autounfall tatsächlich 666 Pfund Sterling zu bezahlen hatte. Keiner wollte es ihm damals glauben. Sechshundertsechsundsechzig (666) ist eine biblische Zahl, die in der heute geläufigen Bedeutung erstmals in der Offenbarung des Johannes vorkommt.
Für Iron Maiden und ihr Erfolgsalbum aus dem Jahr 1982 hat sie ebenfalls biblische Bedeutung, könnte man fast glauben. Heute erheben wir erst einmal das Glas auf Iron Maiden und ihr vor 40 Jahren (Veröffentlichung: 22. März 1982) erschienenes Meisterwerk "The Number Of The Beast".
Line-up Iron Maiden:
Bruce Dickinson (vocals)
Dave Murray (guitars)
Adrian Smith (guitars, backing vocals)
Steve Harris (bass, backing vocals)
Clive Burr (drums)
Tracklist "The Number of the Beast":
- Invaders (3:22)
- Children Of The Damned (4:33)
- The Prisoner (6:00)
- 22 Acacia Avenue (6:38)
- The Number Of The Beast (4:50)
- Run To The Hills (3:47)
- Gangland (3:49)
- Total Eclipse (4:28) [CD-Bonustrack]
- Hallowed Be Thy Name (7:10)
Gesamtspielzeit: 40:20 / 44:48, Erscheinungsjahr: 1982 (1995, 1998)
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