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The Perc Meets The Hidden Gentleman & The Lavender Orchestra / Praha – CD-Review

The Perc Meets The Hidden Gentleman & The Lavender Orchestra / Praha – CD-Review

Der Ursprung dieser Platte war ein Bootleg, das während der "Lavender"-Tour 1991/1992 im Bunkr Club in Prag aufgenommen wurde. Und zwar in einer dermaßen hohen Qualität, dass es sich gut verbreitete und heute ein Sammlerstück ist. Die Band reagierte cool und autorisierte die Aufnahme später und sicherte sich auch einen Teil der Auflage.

Im Jahr 1993 gab es über JAR Music eine Musikcassette in limitierter Auflage und 1998 erfolgte dann die erste CD-Version bei Moloko Plus. Nun steht also bald das 25-jährige Jubiläum der Erstveröffentlichung an und aus diesem Anlass bringt Tribal Stomp den Konzertmitschnitt digital überarbeitet sowie mit "Swallow Me Blind / Passah People" als Bonustrack neu heraus. Dieser Zugabetitel aus Prag war damals nicht auf Platte, wird also jetzt erstmalig veröffentlicht. Auch die beiden Stücke "Orpheus Rising" und "Hotel Of Empty Souls" sind bis dato auf keiner offiziellen Veröffentlichung von The Perc Meets The Hidden Gentleman zu finden.

Die anderen Tracks sind in der Banddiskografie zu finden und allesamt als Perlen zu bezeichnen. Perlen deswegen, weil die Kombination aus akustischer, oft dunkles Timbre verbreitender Gitarre, und einem göttlich gespielt und eingesetzten elektrischen Pendant einfach einzigartig zu nennen ist. Hinzu kommt natürlich die tieffrequente Stimme Toms, die sich süß um die Musik legt, die aber auch forsch und wortgewaltig zu Werke geht – je nachdem, was der Musik gerade in die Partitur geschrieben ist.

Als älteres Baujahr erregte der Titel "Heya" natürlich gleich meine Aufmerksamkeit, als ich die Trackliste von "Praha" überflog. Sollte das der Gassenhauer sein, mit dem uns 1969 die deutsche Band Jeronimo die Jugendzimmer und Partyräume beschallte? Yep, er ist es. The Perc Meets The Hidden Gentleman und das Lavender Orchestra spielen das Stück etwas schneller, ohne jedoch den tribalen Charakter zu verleugnen. "Heya" ist vom Rhythmus her auch bestens geeignet, die Band vorzustellen. Eine Band, die ich gerne öfter spielen hören möchte.

Aber erstmal lässt der Opener "Orpheus Rising" aufhorchen, denn was da erklingt, will mich fast nachschauen lassen, ob ich die falsche CD in den Player gelegt habe, denn so starten in der Regel große Progwerke. Dieses Starten macht aber Sinn, denn es läutet das fünfzehneinhalbminütige "The Lavender Cantos" ein – das Sahnestück der Platte. Nenne es Prog, Kraut, Psychedelic … alles passt. Dieses Teil ist einfach geil und was die Presse seinerzeit dazu schrieb (die Nummer stammt vom erfolgreichsten Album der Band, dem Konzeptalbum "Lavender" aus dem Jahr 1991) hat auch heute noch Bestand. So hieß es zum Beispiel von Detlef Kinsler in der Frankfurter Rundschau: »The Perc Meets The Hidden Gentleman gereicht mit 'Lavender' der Verdienst, den Krautrock in die Neunzigerjahre gerettet zu haben.« ME-Sounds meinte »Musik wie aus einer anderen Welt« Genau so ist es, wenn Jochen Schoberth mit den Saiten spielt.
"The Lavender Cantos", mit dieser enormen Bandbreite an Stimmungen, hat geschafft, was ich nicht für möglich gehalten habe: Dieser Track hat meinen TPMTHG-Fav Bronx Vanilla vom Thron gestoßen. Und "Bronx Vanilla" ist eine Hammernummer und in meiner ewigen 'Gern-hör-Liste' auf immer dabei. Aber "The Lavender Cantos", mit diesen fetten Keys, diesem getragenen, schleppenden, bass- und drumbetonten Grundrhythmus sowie der süchtig machenden Gitarre ist wie nicht von dieser Welt. Wahrscheinlich ist diese Liveversion noch um eine Potenz besser, als die Studioversion, die ich nicht kenne.

Überhaupt wurde die Show hervorragend absolviert. Alles passt, keine Aussetzer, es sind zweifelsohne Profis am Agieren und zwar solche, denen man anhört, dass sie das Spielen vor den Fans genießen. Herrje, auch "This Moon Of Both Sides incl. The Return Of The Snowbird" schlägt in diese krautpsychedelische Kerbe. Man-I-Toba beweist auch in der Liveversion seine musikalische Klasse mit einem Gitarrensound, der an Herrn Knopfler bei den Dire Straits denken lässt.

Das psychedelische Respect & Devotion – Part One ist gewürzt mit einer Endzeit-Trompete, die aber wahrscheinlich künstlich ist, denn bei den Musikern taucht kein Blasinstrument auf. Ihre Wirkung für das Stück ist jedenfalls enorm. Wenn man "Praha" stilistisch aufdröseln will, sind "Hotel Of Empty Souls" sowie "Swallow Me Blind / Passah People" wohl als progressiv zu bezeichnen. Das will/muss man aber eigentlich nicht, denn der große Mantel, der über dem Konzert liegt ist Underground-Psychedelic und diese Mäntel haben bekanntermaßen sehr viele Taschen. "Swallow Me Blind / Passah People" hat wieder diese Trompete, die neben einem hypnotischen Feuerwerk von Bassgitarre und Schießbude für Gänsehautmomente sorgt.

Wer immer damals im Prager Bunkr Club die Aufnahmetaste drückte – er verstand erstens sein Metier, denn diese Mutter war ohrenscheinlich so gut, dass die digitale Nachbearbeitung durch Tribal Stomp nun klingt wie aus der Neuzeit. Dann gehören dieser Person die Füße geküsst, denn er/sie/es hat dafür gesorgt, dass wir uns diese Show immer wieder anhören können.


Line-up The Perc Meets The Hidden Gentleman & The Lavender Orchestra:

Tom 'The Perc' Redecker (acoustic guitar, vocals)
Emilio 'The Hidden Gentleman' Winschetti (vocals)

And The Lavender Orchestra:

Jochen Schoberth (electric guitar)
Harry Schröder (bass)
Birdbox (percussion, backing vocals)
Frank Jelitto (drums)
Reverend Eric Huhn (keyboards)
Bo Kondren (sound)
Matzo Konrad (lights)

Tracklist "Praha":

  1. Orpheus Rising (2:23)
  2. The Lavender Cantos (15:23)
    Part One: Vermilion Sands
    Part Two: Himinam Ana Airthai
    Part Three: Seven Flags On The Peak
  3. This Moon Of Both Sides incl. The Return Of The Snowbird (5:28)
  4. Man-I-Toba (4:38)
  5. Bronx Vanilla (4:!1)
  6. Respect & Devotion – Part One (4:57)
  7. Hotel Of Empty Souls (4:51)
  8. Heya (4:02)
  9. Swallow Me Blind / Passah People [Bonustrack] (7:45)

Gesamtspielzeit: 53:41, Erscheinungsjahr 2017 (1993)

Über den Autor

Ulli Heiser

Hauptgenres: Mittlerweile alles, was mich anspricht
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