Eigentlich schade, dass an dieser Stelle bereits jedem Leser klar ist, von welcher Band das Review handelt. Was hätte ich sonst alles oberschlau fragen können:
• Welche deutsche Band spielte Anfang der 1960er Jahre zwei Wochen am Stück im jedes Mal ausverkauften Cavern Club in Liverpool?
• Welche Band steht auf Platz 2 (nach den Beatles) der beliebtesten im Cavern Club aufgetretenen Gruppen?
• Welche deutsche Band hatte auf ihrer ersten England-Tour die Rolling Stones im Vorprogramm?
• Welche deutsche Band stand zusammen mit den Beatles auf einer Bühne?
Klar, die Rattles. Vor nunmehr fast 60 Jahren wurde die Band von den beiden Hamburgern Achim Reichel und Herbert Hildebrand gegründet. Wie so oft üblich, gab es Besetzungswechsel und 1977 lösten sich die Rattles dann auf. Die bekanntesten Formationen, die aus dem Band Line-up entstanden, sind wohl die Les Humphries Singers und Wonderland.
Seit 1988 sind die Rattles wieder zusammen und brachten 2007 ("Say Yeah!"), 2010, zum 50. Bandjubiläum, ("Rattles 50"), 2012 ("Need 2 C You") und schließlich 2015 ("Hotter Than Hell") auch vier Alben unters Volk. "Hotter Than Hell" sowie die Auskoppelung "Hot Wheels" hielten sich zwanzig Wochen in den deutschen Charts, Es folgte eine gelungene Deutschlandtour, die bewies, dass es die Alten noch gewaltig drauf haben. Das ist kein Wunder, denn die vier Musiker sind ja schließlich keine Küken mehr.
Mit Herbert Hildebrand ist noch ein Gründungsmitglied an Bord. Er ist es übrigens, der den Riesenhit "The Witch" geschrieben hat. Diese Nummer, die wahrscheinlich ein jeder kennt, gab es gleich zweimal. Das Original wurde von Henner Hoier gesungen. Da die Nummer einschlug, nahm man sie gleich nochmal auf. Diesmal mit der Sängerin Edna Bejarano und das ist die Version, die zumindest ich im Ohr habe, wenn mir dieses Stück mit dem unterschwelligen Psychedelic-Touch durch den Kopf geht.
Auch auf vorliegendem Album ist dieser Hit vorhanden und selbst vierzig Jahre nach Erstveröffentlichung hat das Lied diesen gewissen Reiz. Wenn die verechote Wah Wah-Gitarre eröffnet, weiß man was kommt und ist besonders auf die Vocals gespannt, denn vor allem Edna hat die Latte hoch gelegt. Aber sie schafften es. Die hoch gesungene Passage wirkt zu keinem Zeitpunkt nach Altherrenpeinlichkeit. Andere Truppen in vorgerücktem Alter bringen ihre Jugendschätze da schon mal eine Oktave tiefer.
Zwar kein Gründer, aber auch seit vielen Jahrzehnten im Line-up ist Drummer Dickie Tarrach. Manfred stieß 1990 und Eggert 1994 zur Band. Und in dieser stabilen Besetzung gaben die Rattles im September 2010 ein Konzert im Sendesaal des NDR. Und da ging die Post ab. Neben alten und neueren Hits standen auch einige Coverversionen auf der Setliste und es ist erstaunlich, wie souverän da alte Beatnummern neben Rockigem in trauter Eintracht harmonieren. Eggert und Manni sind aber auch Tiere an ihren Gitarren. Schön zu hören z. B. im Solo bei "The Witch" und im Gassenhauer "Sha La La La Lee" gibt es gar flinkes AC/DC-Riffing.
Überhaupt verpasst die Band vielen Songs eine unerwartete, aber geniale Frischzellenkur. So wird aus dem Rock’n’Roller "Hippy Hippy Shake" eine groovende Zeitlupenversion. Dafür mutiert das alte schottische Traditional "My Bonnie (Lies Over the Ocean)" zu einem Whisky-Bar-geschwängerten Punk’n’Roll-Fetzer.
Es tut gut zu lesen, dass diese alte deutsche Beatinstitution immer noch on the road ist. Die Termine gibt es in unserem Tourkalender.
Line-up The Rattles:
Herbert Hildebrand (vocals, bass)
Dickie Tarrach (drums)
Eggert Johannsen (vocals, guitar)
Manne Kraski (guitar, vocals)
Tracklist "Live!":
- Intro
- Come On And Sing
- Sha La La La Lee
- Love Of My Life
- La La La
- Unchained Melody
- Mashed Potatoes
- Hippy Hippy Shake
- Mona
- Twist And Shout
- Dream
- Hotter Than Hell
- Hello
- Cauliflower
- After Tea
- Las Vegas
- My Bonnie
- Faith
- Hot Wheels
- The Witch
Erscheinungsjahr: 2018 (2010), Gesamtspielzeit: (53:23)
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