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The Rolling Stones / From The Vault – Sticky Fingers At The Fonda Theatre, 2015 – CD + DVD-Review

The Rolling Stones - From The Vault - Sticky Fingers At The Fonda Theatre, 2015 - CD+DVD-Review

Wenn man den Rolling Stones eines lassen muss, dann dass sie sich immer wieder was Neues einfallen lassen. Das geht mit der Aufarbeitung des Back-Kataloges los (sehr starkes Bonus-Material zu beispielsweise den Alben Exile On Main Street sowie "Some Girls"), betrifft aber auch den Live-Sektor. Gerade bei zweiterem müssen sie das aber natürlich auch, denn welcher Fan will schon die gefühlt 53. DVD mit einem 'Best of'-Programm? Eben. Für die 2015er US-Tour beschloss die Band um Mick Jagger und Keith Richards deshalb, das komplette Album "Sticky Fingers" (original aus dem Jahr 1971 und von dem Gros der Fans als eines der allerbesten der Bandgeschichte angesehen) live auf die Bühne zu bringen. Das Ergebnis liegt nun in Form einer weiteren "From The Vault…"-DVD vor und kann sich – so viel darf ich jetzt schon verraten – mehr als sehen lassen.

Dafür hatte sich Jagger das mit 1.200 Zuschauern ausverkaufte Fonda Theatre in Los Angeles ein für Stones-Verhältnisse intimes bzw. kleines Venue ausgesucht, was natürlich sehr stark zur Atmosphäre des Gigs (und auch der DVD) beitrug. Zur Einstimmung bzw. zum Warmmachen kamen zunächst die Nummern "Start Me Up", "When The Whip Comes Down" sowie "All Down The Line" zum Zug, die furios und mit unbändiger Spielfreude gebracht wurden. Danach waren die Räder geölt, die Band auf Betriebs-Temperatur und das Publikum bereits begeistert. Jagger kündigt an, "Sticky Fingers" komplett zu spielen, allerdings in geänderter Song-Reihenfolge. Wie er im Interview zugibt, ist er eigentlich gar nicht mehr so glücklich mit der damaligen Zusammenstellung der Tracks, weil seiner jetzigen Meinung nach zuviele langsame Stücke darauf vertreten waren. Eine Meinung, mit der er allerdings ziemlich alleine dasteht. »Wir waren damals hier in L.A. im Studio, schrieben die fertigen Songs auf eine Tafel und meinten 'Oh ja, der da ist gut und muss auf die Platte… oh, und der ist gut und muss drauf… und dann noch der und der…'. Wir haben uns das fertige Produkt dann einmal angehört, abgenickt und danach ewig lange nicht mehr angehört. Ich jedenfalls nicht… Ich meine… warum haben wir da noch "Sister Morphine" drauf gemacht, wo wir schon "I Got The Blues", "Moonlight Mile" und "Wild Horses" hatten…? "You Gotta Move" stand auch schon fest…«

Wie dem auch sei, das Fest startet mit "Sway", einem live sehr selten gespielten Stück, und das geht gleich mal runter wie Öl. Wie bei so einigen Tracks der Fall, wurden auch hier bzgl. des Arrangements kleine, unwesentliche Veränderungen vorgenommen, die dem Song jedoch nichts anhaben können. Als die Original-Scheibe aufgenommen wurde, war noch Mick Taylor als zweiter Gitarrist in der Band und die Rollenverteilung zwischen ihm und Keith Richards war damals (anders als danach mit Ronnie Wood) ganz klar so festgelegt, dass Keith die Rhythmus- und Taylor die Lead Parts beisteuerte. Von daher steht der gute Ronnie hier doch wesentlich häufiger im Mittelpunkt, was ihm offensichtlich sehr gut tut und er auch genießt. Natürlich ist er von der Stilistik und auch vom Ton ganz anders als Mick Taylor unterwegs, dennoch macht er eine richtig starke Figur.

Die Songs werden mit viel Herzblut gespielt und es ist einfach eine Freude, viele dieser Stücke zum ersten Mal 'live auf DVD' zu erleben. Selbst Charlie Watts grinst hinter seinen Drums die meiste Zeit wie ein Honigkuchenpferd. Zwischen den Tracks gibt es immer wieder Statements der vier Bandmitglieder, die teilweise sehr interessant und teilweise auch sehr lustig sind. Ein furioses "Brown Sugar" schließt das eigentliche Set ab, aber als Zugaben kommen dann noch das zu erwartende "Jumpin' Jack Flash", aber auch Überraschendes wie die B.B. King-Nummer "Rock Me, Baby" sowie Otis Reddings "I Can’t Turn You Loose", das diesen hervorragenden Auftritt schließlich beendet.

Natürlich klingt das alles ein bisschen anders und nicht zu einhundert Prozent wie das Studioalbum, was in erster Linie die wahnsinnige Intensität von Mick Jaggers Gesang auf der Platte betrifft. Die war als Ü-Siebzigjähriger so natürlich nicht mehr möglich, dennoch hat er diese kleine Unzulänglichkeit super gelöst, sodass man auch hier kaum Abstriche machen muss. Insgesamt ein supergeiler, intensiver Auftritt mit Musikern in Höchstform, der durch die bereits angeführten Vorzüge sowie die (sich nur auf der DVD befindlichen) coolen Interviewsequenzen zwischen den Songs (die mich überhaupt nicht stören) sehr stark abgerundet wurde.

Auf der CD ist die Show komplett und mit der korrekten Songreihenfolge festgehalten. Warum man aber für die DVD drei Songs rausreißen musste, um diese dann als Bonus-Material zu verwenden, wird wohl wieder mal ein Geheimnis der Macher bleiben. Ich kann mir lediglich vorstellen, dass es hier darum ging, irgendwelche Zeitformate für die weitere Vermarktung einzuhalten. Aber sei’s drum, auch dieser Fakt kann "From The Vault – Sticky Fingers At The Fonda Theatre, 2015" nichts von seiner Klasse nehmen. Nach den doch sehr vorhersehbaren Sweet Summer Sun – Hyde Park Live sowie Havana Moon wie eine frische Brise sowie ein ganz dicker Tipp und ein echtes Fest für Stones-Fans!


Line-up The Rolling Stones:

Mick Jagger (lead vocals)
Keith Richards, (guitars, background vocals)
Ronnie Wood (guitars)
Charlie Watts (drums)

With:
Darryl Jones (bass, background vocals)
Chuck Leavell (keyboards, musical director)
Karl Denson (saxophone)
Tim Ries (saxophone, keyboards)
Matt Clifford (musical integrator)
Bernard Fowler (background vocals)
Lisa Fischer (background vocals)

Tracklist "From The Vault – Sticky Fingers At The Fonda Theatre, 2015":

CD:

  1. Start Me Up
  2. When The Whip Comes Down
  3. All Down The Line
  4. Sway
  5. Dead Flowers
  6. Wild Horses
  7. Sister Morphine
  8. You Gotta Move
  9. Bitch
  10. Can’t You Hear Me Knocking
  11. I Got The Blues
  12. Moonlight Mile
  13. Brown Sugar
  14. Rock Me, Baby
  15. Jumpin' Jack Flash
  16. I Can’t Turn You Loose

DVD:

  1. Monkey Man [Intro]
  2. Start Me Up
  3. Sway
  4. Dead Flowers
  5. Wild Horses
  6. Sister Morphine
  7. You Gotta Move
  8. Bitch
  9. Can’t You Hear Me Knocking
  10. I Got The Blues
  11. Moonlight Mile
  12. Brown Sugar
  13. Rock Me, Baby
  14. Jumpin' Jack Flash
  15. All Down The Line (Bonus Track)
  16. When The Whip Comes Down (Bonus Track)
  17. I Can’t Turn You Loose (Bonus Track)
  18. Just Wanna See His Face [Outro]

Gesamtspielzeit: 79:37 (CD), 102:00 (DVD), Erscheinungsjahr: 2017 (2015)

Über den Autor

Markus Kerren

Hauptgenres: Roots Rock, Classic Rock, Country Rock, Americana, Heavy Rock, Singer/Songwriter
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Mail: markus(at)rocktimes.de

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