Psychedelisch bunt ging es zuletzt häufiger zu in meinem Player.
Dass solche Töne aus Dänemark und Umgebung zu uns dringen, ist inzwischen nicht mehr ganz neu. Causa Sui machten es einst vor, Siena Root schifften aus Schweden zu einem nun schon etliche Jahre andauernden Retro-Trip durch die Weltmeere der Rockmusik. Viele folgen mittlerweile ihrem Weg, nun eben auch eine Combo namens The Sonic Dawn aus Kopenhagen, die mit "Into The Long Night" inzwischen im Hafen von Heavy Psych Sounds angelegt hat und ihr Zweitwerk veröffentlicht. Eigentlich als Powertrio am Start holte man sich für das neue Album kompetente Unterstützung aus nordischen Landen und erweiterte das instrumentale Spektrum um diverse Tasten, nämlich mit Morten Gronvad und eben Erik 'Erkka' Petersson, der die schon erwähnten Siena Root seit Jahren erfolgreich auf Kurs orgelt.
"Emily Lemon" setzt nach einem kurzen, schillernden Einstieg gleich einen Ohrwurm von betörender Schönheit, der schon nach den ersten beiden Hörgängen tief in mein Erinnerungsvermögen eingedrungen ist. Ein von spielerischer Leichtigkeit geprägtes Gitarrenfundament groovt entspannt in einer Mischung aus Sixties-Pop und einem Indie-Song der Achtziger in eine beschwingte Stimmung, die durch den hochgradig melodischen Gesang wunderbar getragen wird. Ein sanftes Crescendo bereitet vor auf den freebirdartigen Abflug der Sologitarre – nur kurz und bündig und alles ohne Verrenkung. Eine massive Entschleunigung bremst diesen knapp fünf Minuten dauernden Flug in ein schwebendes Szenario, wie ein Albatros, der im letzten Licht der Sonne dahindriftet. "Into The Long Night", so heißt ja auch das Album. Diese "Emily" bleibt im Gedächtnis, so wie einst bei Floyd (natürlich "See Emily Play").
Eine ausgesprochen retrohafte Covergestaltung, eine analoge Produktion und ein Konzept über das Wesen der Nacht – zuletzt recht ähnlich ersonnen bei Been Obscenes "Night O’Mine"; all dies setzt die Band auch in ihrem kreativen Prozess bei den Aufnahmen um. Einen Monat zogen sich die Musiker in ein einsames Haus an der Nordsee zurück, komponierten am Tag und spielten die Songs in der Nacht ein. Songs, die uns nun mitnehmen und durch die Nacht führen. Wer und was uns dort wohl begegnen mag?
Stilistisch lassen sich unsere Freunde aus Kopenhagen nicht so leicht festlegen. Beseelte Sitarklänge und schon zitierte poppige Attituden aus den Sechzigern befriedigen den Nostalgiker, gelegentlich schwebt der zart bunte Rauch aus alten Jefferson Airplane-Tagen über uns, "Today" war spontan der erste Song, der mir dazu in den Sinn kam. Doch es geht eben mitunter auch ein Stück weit bluesiger zu.
"Six Seven" ist eine coole, langsame Rocknummer, die mich ein wenig an die ebenfalls sehr stark Retro orientierten Holländer von DeWolff erinnert. Tja, ganz neu sind diese Rückgriffe auf alt Bewährtes tatsächlich nicht, aber wenn sie mit Leidenschaft und musikalischer Potenz zitiert werden, dann bin ich jederzeit bereit, den Wert der guten alten Zeit herauf zu beschwören. Dass der Song dann aber noch in ein rhythmisches Feuerwerk mit einer Acid getränkten Gitarre abgeht, möchte ich gerne lobend erwähnen.
"L’Espion" verführt mit einem jazzig, lasziven Grundton – streichelt, reflektiert. Gänzlich relaxt. Schöne Kontraste und völlig unterschiedliche Stimmungen. Die Wesen der Nacht scheinen aus vielen Welten zu stammen.
Und als wolle das Album noch einmal ganz vorsichtig den Atem der langsam einsetzenden Dämmerung einsaugen, nimmt uns in "Summer Voyage" eine herrlich spärliche, reduzierte Gitarre ein letztes Mal bei der Hand und groovt uns sanft in das erste Licht des neuen Tages. Wenn die kreiselnden Sitar-Klänge und ein leicht verschärftes Tempo noch einmal ein wenig von der allgegenwärtigen Nostalgie beschworen haben, gleiten wir wie in einer mystischen, leichten Klangwolke ganz und gar entspannt hinaus – hinaus aus der Nacht und hinaus aus einem verführerisch schönen Album.
The Sonic Dawn führen uns auf einen Trip – das ist ihr erklärtes Ziel und das vermittelt "Into The Long Night" mit jeder Note. Doch ganz gleich, wie düster die Nacht auch sein sollte, die Geister, die The Sonic Dawn heraufbeschwören, sind durchweg gute Geister. Beschwingt und voller Hoffnung, bunte Bilder, die Mut und Freude machen. Psychedelische Musik soll Horizonte öffnen, dieses Ziel wird lässig erreicht. In Zeiten vieler übler Rattenfänger bin ich froh für jeden, der uns ein bisschen Licht zeigt.
Line-up The Sonic Dawn:
Emil Bureau (vocals, guitar, sitar, recorder)
Niels 'Bird' Fuglede (bass)
Jonas Waaben (drums, percussion, backing vocals)
Featuring guests:
Erik 'Erkka' Petersson (keyboard)
Morten Gronvad (vibraphone, percussion)
Tracklist "Into The Long Night"
- Intro
- Emily Lemon
- On The Shore
- As Of Lately
- Six Seven
- Numbers Blue
- Lights Left On
- L’Espion
- Summer Voyage
Gesamtspielzeit: 36:22, Erscheinungsjahr: 2017
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