Wenn ein alter Kollege einer befreundeten Web-Seite einen Tipp ausspricht, hab ich immer sehr aufmerksam zugehört. Das war nie zu meinem Nachteil, doch in Sachen Spacelords hat er mich auf eine Goldgrube gestoßen.
Archaische Klänge brodeln aus einem murmelnd grummelnden Bass und repetitiv gängelnden Gitarrenschleifen. Der Schlagmann beginnt ein langsam aufköchelndes Menü, wissend, dass ein Feuerwerk der allerfeinsten Art bevor steht.
Breit fächernde, spacige Trips schwärmen immer mehr aus und der Fuzz treibt stetig fetziger hinaus aus diesem formidablen Fundament. Geniale Hooks erwachsen erhaben aus dem sich ganz allmählich beschleunigenden Thema und reifen mehr und mehr in ein ausuferndes und herrlich verzerrtes krautiges Geschrammel. Expandierend und kulminierend, als ob man nicht nur ein Perpetuum Mobile entdeckt hat, sondern sich aus eigener Energie zu immer höheren Amplituden empor zu schwingen fähig ist. Ich habe schon jetzt das verstärkte Gefühl, dass die Jungs den Regler für Intensität bis ins Nirwana drehen können. Meine Herren, geht dieser hypnotisch eskalierende Antrieb ab. Solche komprimiert ekstatischen Ausritte habe ich nicht einmal bei meinen Lieblingen von The Machine oder Monkey 3 wahrnehmen können, wo um aller Welt nehmen die solche unfassbaren Steigerungsläufe her? "Spaceflowers" ist ein Wunderwerk aus ekstatischer Energie und die Geburtsstunde einer neuen Lieblingsband für mich. Moderner, Blues- und Krautrock lastiger Psychedelic und ein bisschen an Stan Webb erinnernde Gitarrenarbeit verschmelzen zu einem fetten und elektrisierenden Sound, aus dem Salven genialer Eskalation abgefeuert werden. Treffsicher und atemraubend.
Sie sind Meister der Kompaktheit, der Kompression. Es ist nicht die überschäumende Virtuosität, die dich packt, nicht das exzessive Wirken eines einzelnen wie vielleicht bei Radio Moscow oder Earthless. Es ist die Effizienz ihres Einsatzes. Die Musik erwischt einen von Beginn an bei den Eiern und lässt nie wieder los. Zugegeben, eine nicht gendergerechte Formulierung, ich weiß – aber Olli Kahn durfte das sogar im Fernsehen sagen. Doch während andere Bands ihren Space Rock oft spukend ins endlose All driften lassen, bewegen sich die Spacelords erst einmal auf einem erdigen Teppich erstklassig groovender, fuzziger Energie und treiben dann ihre Spitzen wie Raketenstufen aus der wohl klingenden, aber immer und absolut bluesigen Basis hinaus und erzeugen eben genau damit das permanente Gefühl von Steigerung, Crescendo oder wie auch immer man das nennen mag. Diese Musik hat unglaublich viel Sex, und den lebt sie vollkommen aus. Bis zum Höhepunkt, der uns auf dem Album ein ums andere mal widerfährt.
Exemplarisch mag "Nag Kanya" stehen für den Duktus, mit dem uns die Band so wunderbar erschlägt. Hier mäandern die schönen, eingestreuten Soundscapes sitarähnlich mit den zunächst verlegen umher streunenden Saiten-Klängen wie in einem Liebestanz, nähern sich, berühren und verschlingen sich letztlich in einem immer mehr siedenden Rhythmus-Sud zu einem harmonischen Geflecht. Vereint wird nun ganz allmählich das Gaspedal durchgetreten bis zum Anschlag in explodierenden Riffs und fuzzigen Entladungen. Ein Sonnensturm könnte nicht wilder sein. Der dramatische Aufbau und die aggressiven Riffs auf dem Höhepunkt des Songs wecken tatsächlich zärtliche Erinnerungen an mein Allzeit-The Machine-Lieblingsstück "First Unique Prime". "Nag Kanya" allerdings nimmt sich im Gegensatz zum erwähnten Bruder im Geiste Zeit für einen entspannt treibenden Ausklang, die Triebwerke werden in aller Ruhe und Besonnenheit zurückgefahren und verklingen spacig in den euphorischen Ovationen des Live-Publikums. Denn, das habe ich noch nicht erwähnt, wir befinden uns mitten in einem Live-Album, aufgenommen irgendwo im Nirgendwo eines gartenähnlichen Parks. Wie cool, da freut sich der naturbegeisterte Bergmensch.
Wenn in der fünften und letzten Nummer "Frau Kuhnkes Kosmos" heraufbeschworen wird, dann weiß ich zwar nicht, wer diese sicher sehr nette Dame ist, aber über einem hier recht poppig marschierenden Drive jammt ein ganz und gar losgelöster Sechs-Saiter in einer gewissen Weise "Run Like Hell" gepeitscht über die Felder eines hypnotisch strömenden Flusses kanalisierter Energie. Die Licks brechen aus, kreiseln und kehren zu sich selbst zurück. Effektvolles Geschrammel lässt sich von den köchelnden Drums dehnen und strecken. Und wenn der Bass markant aufdreht, dann erwächst der Sound der Spacelords ein letztes Mal auf diesem Album zu einem expandierenden Fächer. Aber der Weg zurück wird in gleicher, epischer Form eingebremst.
Mit einem letzten Saiten-Schlag verabschiedet sich "Frau Kuhnke…" von uns.
Die Spacelords stammen aus heimischen Gefilden, Reutlingen ist ihr Heimatplanet. Bezüge zu klassischem Space Rock der Marke Hawkwind sind nicht zu leugnen und manche Hooks erinnern mich an My Sleeping Karma, schwäbisch bayrische Beziehungskisten. Insgesamt aber ist dieser explosive Mix aus Psychedelic, Space, Kraut und Stoner ziemlich einzigartig und schenkt in seiner komprimierenden Wirkung eine tiefe, euphorisch ekstatische Erfahrung.
Diese Platte ist purer Porno, hier fliegen mir sämtliche Sicherungen durch. Heilig’s Blechle in der Sprache der Protagonisten! Ein Sputnik-Flug direkt in die Sonnenflecken, heiß, mitreißend und gnadenlos gut.
Werter Kollege Fröhmer, dieser Tipp war wahrlich eine Offenbarung!
Line-up Spacelords:
Matthias 'Hazi' Wettstein (guitar)
Ekhard Friedrich 'Akee' Kazmaier (bass)
Marcus Schnitzler (drums, soundscapes)
Tracklist "On Stage":
- Spaceflowers
- Metamorphosis
- Nag Kanya
- Plasma Thruster
- Frau Kuhnkes Kosmos
Gesamtspielzeit: 61:44, Erscheinungsjahr: 2019
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