Rätselhafte steile Wasser und die Meister der Zwischenräume
Dem Rezensenten möge verziehen werden, aber der Einstieg gebührt seinem Kollegen und Freund Thomas Völge, der anlässlich der Veröffentlichung von Turn Of The Wheel vor ziemlich genau zwei Jahren folgende Überschrift fand: »Steile Wasser fallen auf rollende Steine«. Im Verlaufe seiner Rezension ist nachzulesen: »"Big Pictures", der längste Track der Platte, inklusive knarziger Gitarrensoli, geht glatt als Hommage an Neil Young durch. Hier sieht man den Kanadier vor dem geistigen Auge über die Bühne poltern.«
Nun gibt es mit "Re-Turn Of The Wheel" nicht etwa einen Neuaufguss, sondern im Grunde einen eigenständigen Nachfolger, der sich in seiner Quintessenz wie die C- und D-Seite eines Vinyldoppelalbums ausnimmt. Lediglich das damals auf der Vinylausgabe fehlende Exile On Main Street-Outtake "Make It Right" ist bereits bekannt und das Titelstück gibt es nunmehr in einer Akustik-Version. Der knarzige und streitbare Neu-US-Bürger wird diesmal sogar mit "Don’t Cry No Tears" ("Zuma", 1975) höchstpersönlich gecovert.
Dies ist ein weiteres Parade-Beispiel dafür, wie kreativ Pandemie-bedingt gestrandete Musiker aus der Not eine Tugend machen können … und als netten Nebeneffekt verfügt das Quartett für zukünftige Live-Auftritte über zusätzliches Material, welches nur so nach Bühne schreit.
Wobei sich mit "Trouble Can’t Last Forever" ein für die Band ungewöhnlich eingängiges Stück im Tom Petty-Idiom eingeschlichen hat, schmissig, rund, unaufgeregt und in einer besseren Welt auf Rotation bei allen Radiostationen, die sich trauen ein Gitarrensoli zu bringen.
Kernkompetenz bleibt aber der unnachahmlich lässig gefüllte Raum, der zwischen Bands wie den Rolling Stones, Black Crowes und den gezähmten Crazy Horse mit Neil Young gelassen wird. Hier hat die Steepwater Band ihre Nische gefunden und brilliert mit einem im Retro-Segment ziemlich selten anzutreffenden Wiedererkennungswert. Da ist es dann auch ganz gut, dass Jeff Massey eben so gar nicht nach Mick Jagger oder Chris Robinson klingt. Andererseits fehlt es der Band vermutlich nicht zuletzt wegen einer fehlenden Charakterstimme an Zugkraft. In diesem musikalischen Segment gibt es verdammt viele Bands, die gut spielen. Aber spätestens beim absoluten Highlight des Albums, "Salvation In Time" – bestimmt nicht zufällig der längste Song, wo emotionale Melodik auf hochklassig gespielte Jampassagen trifft, dem Röhrchen die Sporen gegeben werden und Gast-Tastenmann Chris Grove (Ex-Eddie Money Band) die Dramatik erhöht – beweist die Steepwater Band, warum sie seit gut 20 Jahren Bestandteil der Szene ist.
Fazit: Es wäre sehr schön, wenn hier noch mindestens weitere 20 Jahre hinzu kämen, denn "Re-Turn Of The Wheel" dreht zwar nicht »(…) an einem größeren Rad (…)«, bietet aber erfreulich zwingende Songs und sollte für die Entwicklung der Combo noch nicht das berühmte Ende der Fahnenstange sein.
Polycarbonat bietet hierzulande 'Just For Kicks' aus dem hohen Norden an, Vinyl folgt noch im Laufe des Jahres.
Wenn der Rezensent jetzt nur wüsste, was Thomas Völge mit den fallenden steilen Wassern gemeint haben könnte?
Line-up The Steepwater Band:
Jeff Massey (lead & rhythm guitars, lead vocals)
Eric Saylors (lead & rhythm guitars, mandolin, lap steel, backing vocals)
Joe Bishop (bass & backing vocals)
Joe Winters (drums & percussion)
With:
Chris Grove (keyboards)
Tracklist "Re-Turn Of The Wheel":
- Broken Spirit Blues (3:21)
- Shift (3:56)
- Found (4:11)
- Trouble Can’t Last Forever (4:54)
- Make It Right (4:28)
- Sharp Tongue (3:28)
- Salvation In Time (6:36)
- Don’t Cry No Tears (2:43)
- Flood Gates (4:11)
- Turn Of The Wheel [Acoustic] (3:41)
Gesamtspielzeit: 41:25, Erscheinungsjahr: 2022
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