Musik aus dem Spannungsfeld zwischen Prog und Psych? Hey, das ist genau mein Ding und wenn so viele Retro-Einflüsse mit modernen Spielarten verquickt werden, dann bin ich erst Recht gerne dabei. Doch die virtuose Ausgestaltung und das inspirierend innovative Konzept von The Universe By Ear ist wohl das wahre Geheimnis zu einem Schlag aus dem Underground, der hoffentlich einen Nachhall bis zum Andromedanebel auslösen wird. Seid bereit, liebe Leser, für ein Album, das wir vielleicht einst als den Start einer neuen psychedelischen Ära feiern dürfen. Ohne Pink Floyd, aber eben mit The Universe By Ear.
"Seven Pounds" scheint aus einer Zeitblase direkt von "Relics" entkommen zu sein. Nach der herrlich 'Sixties' schreienden Strophe mäandert uns ein gespenstischer Bass mit verschiedenen perkussiven Verspieltheiten und leichtem Geschrammel der zutiefst psychedelisch orientierten Gitarre in ein Imperium nahe des Floydschen Heimatplaneten. Nach einigen Phasen schräger Relaxtheit übernimmt nun ein Saitengestöber zwischen moderner Fusion und klassischem Psych einen faszinierenden Steigerungslauf. Unberechenbar ausbrechende Licks aus bester jazziger Tradition werden beköchelt und befeuert von wilden rhythmischen Gesinnungsgenossen wüst aufschäumender Drums bis in ein ekstatisches Crescendo voller schräger Virtuosität. Das Eingangsintro kehrt auf dem Höhepunkt dieser wilden Exkursion zurück, groovt uns noch einmal in das Thema – und schon geht es in "Repeat Until Muscle Failure" mit beatleesken Vokals weiter, herrlicher mehrstimmiger Gesang bringt uns mit einem schönen »Heo, Heohoho« auf einen vorübergehenden Wohlklang, kurze rhythmische Breaks beenden den Spaß. Wer sich mit dem Ansatz der ebenfalls sehr bemerkenswerten Mothers Cake bislang gut zurechtfand, der wird bei dieser Scheibe vermutlich einen Freudenkoller erleiden. Junge Musiker, die in mir die Hoffnung erwecken, so etwas wie die neuen Floyd irgendwann doch noch zu erleben. Die Originalband hab ich ja bedauerlicherweise nie live gesehen. Dieses Universum verbindet Harmonien der Beatles mit den verrückten Ausritten Pink Floyds und verquickt sie mit mal stonerartigen, dann fast schon fusionsgetränkten Soloeinlagen zu einer Mixtur von großer Spannung und musikalischer Inspiration. Wieso zum Kuckuck bekommen wir solche herrlichen Verrücktheiten immer nur im Verborgenen präsentiert? Dieses Universum ist wahrlich wert, entdeckt zu werden. Nostalgische Anklänge verwachsen mit wilden Improvisationen, die eine sehr profunde Ausbildung vermuten lassen. Hier wird jede Note präzise gesetzt, nichts ist Zufall auf diesem Album.
"Slam Your Head Against The Wall" bietet alsbald ein herrliches Zwischenspiel mit rhythmischem Feuerwerk, eskalierenden Gitarren und traumhaft schönen mehrstimmigen psychedelischen Gesängen.
"Idaho" spielt dann fast einschmeichelnd mit uns. Geschmeidige Kreisel sanfter Gitarrenmusik umzingeln schöne mehrstimmige Gesänge – oder ist es umgekehrt? Herrlicher Psych. Christian Koch, der verwegene Kopf der Düsseldorfer Psychedelic-Monster Vibravoid hat mir mal in einem Interview geschildert, wie sehr es ihn nervt, dass der Begriff des Psychedelischen Rock so oft fälschlich verwendet und etikettiert wird – bei The Universe By Ear wird er Brüder im Geiste finden.
"Make It Look Like An Accident" ist nicht nur eine coole Phrase für einen Song, hier phrasiert noch jemand ganz anderes mit vorzüglichen Attributen, klingt doch die Sologitarre vorübergehend fast ein wenig southernlastig und ein wenig nach meinem Lieblingshelden Warren Haynes. Hey Leute, nun fühle ich fast ein wenig bestochen und nehme erfreut zur Kenntnis, dass die nächste Nummer schon wieder mit solch einer Melange aus Stoner, Southern und Fusion aufmacht. Wo holen diese Jungs nur solch geniale Kombis hervor? Der hypnotische Rhythmuspart in "High On The Hynek Scale" gibt dem Ganzen einen wiederum völlig neuen Anstrich und die Verwandtschaft zu den Innsbruckern von Mothers Cake erscheint mir gerade in diesen Momenten besonders stark. Insgesamt aber verschreiben sich unsere Freunde aus Basel sehr viel ausgeprägter den nostalgischen Wurzeln und treiben daraus herrliche, eigenständige Blüten, während die Jungs aus den östlicheren Bergen eher einem insgesamt der moderneren Musik verwachsenen Ansatz nachjagen.
Und wenn man uns einen Zyklus namens "Ocean/Cloud/Prism" anbietet, dann werden archaische Triebe fast schon durch den Titel geweckt, mag man sich auf experimentelle Exkursionen einrichten und freuen. Zu Recht, das kann ich Euch versprechen. Jetzt ist Schluss mit lustig, nun geht er ab, der Psych. Apokalyptische Drums und wilde Riffs duellieren sich, bis ein geradezu explodierendes Gitarren-Freak-Out sämtliche Grenzen und Bremsen zerlegt, die bislang irgendwo im Schädel noch versteckt sein mochten. Meine Herren, geht da die Post ab. Und dann dieser einzigartige Wechsel in die tiefen des Ozeans unseres eigenen Bewusstseins. Zart und sanft tauchen wir hinab in eine verwunschene Welt voller geheimnisvoller Farben und Klänge, eine Tauchfahrt, wie ich sie vielleicht seit "Echoes" nicht mehr unternommen habe. Hey, das hier ist ein Erstlingswerk?
Aus den Gilmourschen Atmosphären wechseln wir hinüber in die zickigen Attacken eines Robert Fripp, eines David Torn. Jetzt sprießen die Früchte der Fusion zu neuer Pracht und der Prog-Fan freut sich schlicht und einfach, welch großartige Musikalität seine Protagonisten zu entwickeln im Stande sind.
Der wunderschöne Refrain aus "Dead End Town", der mich so intensiv an meine Englandreise von 1979 erinnert, wird kurz noch einmal in "Dead Again" heraufbeschworen, dann endet eine Reise durch das Universum, welches ich mit zwei höchst empfangsbereiten Ohren angetreten habe.
Ich hatte in den letzten Monaten, ganz bestimmt auch und gerade besonders durch meine Arbeit bei RockTimes die großartige Gelegenheit, tolle neue und zum Teil auch historisch wertvolle Musik kennenlernen zu dürfen. "The Universe By Eye" hat dem ein ganz spezielles Highlight gesetzt. Ich liebe das Grenzgebiet zwischen Progressive, Psychedelik und Fusion, daraus können sich ganz besondere Projekte herauskristallisieren. Diese Scheibe gehört ab sofort zu meinen Lieblingsplatten der letzten Jahre, denn sie verbindet den Geist jener, die ich immer so geliebt und niemals live gesehen habe (Pink Floyd) mit der Virtuosität des Jazzers und bedient sich immer dann, wenn es geraten scheint, einer härteren Gangart, sei es aus dem Stoner oder eben aus traditionelleren Rockmusik-Formen.
Dieses Album sprengt den Geist, ein Glücksgriff und ein Ritt in die Sterne. Danke nach Basel, dass ich an dieser kleinen musikalischen Sensation teilhaben durfte, Euer Universum ist ein Geschenk und ich gelobe Euch meine nachhaltige Treue!
Line-up The Universe By Ear:
Beni Bürgin (drums, percussion, vocals)
Pascal Grünenfelder (bass, effects, vocals)
Stefan Strittmatter (guitar, effects, vocals)
Tracklist "The Universe By Ear":
- Seven Pounds
- Repeat Until Muscle Failure
- Slam Your Head Against The Wall (Carefully)
- Dead End Town
- Idaho
- Make It Look Like An Accident
- High On The Hynek Scake
- Ocean/Clouds/Prism
- Dead Again
Gesamtspielzeit: 47:41, Erscheinungsjahr: 2017
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