Kann sich noch jemand an das erste Mal erinnern? Also, das erste Mal als er The Vibrators gehört hat? Beim Verfasser dieser Zeilen war dies in der ersten Hälfte der Achtziger im noch relativ frischen Lebensalter der Fall und er fing direkt Feuer. Zu diesem Zeitpunkt waren die 1976 gegründeten englischen Punk-Rocker fast schon Veteranen und hatten bereits vier Alben unter der Haube. Aus Gründen, die lange irgendwo im See des Vergessens untergegangen sind, war die stürmische Liebe jedoch nur kurz – sprich, ich verlor The Vibrators wieder komplett aus den Augen (bzw. Ohren). Und warum fange ich mit dem 'Ersten Mal' an? Weil es für die Briten nach eigener Aussage nun das letzte Mal war, dass sie mit "Fall Into The Sky" ein Studioalbum auf den Markt gebracht haben. Klar haben wir solche – manchmal früher, manchmal später über den Haufen geworfene – Aussagen von vielen anderen Acts schon sehr oft gehört, dennoch: Nach über 45 Jahren Bandgeschichte darf man ein solches Statement schon mal machen.
Vor etwa anderthalb Jahren hatten wir euch die letzte Scheibe Mars Casino vorgestellt, die das (von Knox und Eddie mal abgesehen) noch mit anderem Line-up agierende Quartett in Zusammenarbeit mit ihrem alten Kumpel Chris Spedding eingespielt hatte. Eine feine raue Punk Rock-Platte war das, die von dem aktuellen Werk diesbezüglich sogar noch übertroffen wird. Drums und Bass rumpeln und poltern fröhlich vor sich hin, die Gitarren brettern ein Riff nach dem anderen aus den Boxen und gleich mehrere Sänger (der Löwenanteil geht natürlich an Knox) verbreiten mächtig Feuer unter dem Dach. Das startet direkt mit dem guten Opener "The Owl And The Kangaroo", das von dem noch stärkeren "He’s A Psycho" (die erste Single-Auskopplung) gekontert wird. Erfreulicherweise stellt sich im weiteren Verlauf heraus, dass die Band bei keinem der vierzehn Tracks (mit einer durchschnittlichen Spielzeit von drei Minuten) nachlässt.
Egal, ob "Rock My World", der Titeltrack, "Part Of Your World" oder "Devil’s Playground", sämtliche Nummern überzeugen durch ihre Konsequenz und hart an den Mann/die Frau gebrachte Ehrlichkeit. Dazu kommt, dass The Vibrators auf diesem, ihrem letzten Werk auch noch richtig gute Melodien am Start haben, die das Hörerlebnis noch mehr steigern. Tja, und schließlich ist da noch der letzte Song, "So Long". Zu einer Akustikgitarre sowie Piano verabschiedet sich Knox hier sowohl von seiner Band, als auch seinen Fans, nicht ohne sich zu wundern, wo die letzten Jahrzehnte eigentlich hin sind bzw. wieso diese so schnell vergehen konnten. Es wird sogar ein bisschen melancholisch, bleibt jedoch ein sehr gelungenes Abschieds-Wort bzw. ein cooler Abschieds-Song. So ziehen die letzten Takte im wehmütigen Ohr des Verfassers ihre Bahnen, bevor der letzte Ton nach einer knappen dreiviertel Stunde verklungen ist.
Mit "Fall Into The Sky" ist The Vibrators jedenfalls ein sehr guter und würdiger Abschluss der Bandgeschichte (wenn es denn tatsächlich stimmt) gelungen. Dass diese Band noch nie für Filigranität, lupenreinen glasklaren Sound oder political correctness stand dürfte niemanden überraschen, der bisher auch nur im Ansatz mit dem englischen Punk Rock der siebziger Jahre in Berührung gekommen ist. Nun sind sie also dahin … aber wie steht so schön im Promo-Zettel? »The Vibrators are dead – long live The Vibrators!« Diese Aussage kann der Rezensent nur unterschreiben und wird ganz sicher auch in Zukunft immer wieder mal die rüden räudigen Alben der Band aus dem Regal ziehen.
Auf die Frage in einem Interview, was Knox denn nun überhaupt zu dem Ende der Band zu sagen hätte, meinte dieser nur trocken: »Adios, Amigos!« Treffer – versenkt!
Line-up The Vibrators:
Knox (guitars, lead & background vocals)
Pete (bass, lead & background vocals)
Nigel Bennett (guitars, lead & background vocals)
Eddie (drums & percussion, background vocals)
Tracklist "Fall Into The Sky":
- The Owl And The Kangaroo
- He’s A Psycho
- Burning Me Up
- Battlefield
- Rock My World
- Dry Down Under
- Fall Into The Sky
- Tomorrow
- Devil’s Playground
- Brain Failure
- Love’s Changed
- Sat' Nite
- Part Of Your World
- So Long
Gesamtspielzeit: 44:09, Erscheinungsjahr: 2022
1 Kommentar
Peter
3. August 2023 um 19:42 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Das erste Mal? 1976, Mal Sondocks Hitparade(WDR 2, Mittwochs). Wer immer diesen Titel in die Neuvorstellungen gemogelt hatte, hat gutes getan. "We vibrate". Punktgenaue Landung. Die simple aber effektive Essenz was Rockmusik eigentlich ist. I always loved simple rock(John Lennon). Selbst die beste MC gibt irgendwann den Geist auf. Heißt, ich habe von 1976-1985(!)hinter dieser Single her gesucht. Die Alben, hatte ich! Aber dieser Titel? Endlich im Oldie Markt gefunden. 16DM geboten(sicher ist sicher), ich war der einzige Bieter! Mittlerweile gibt es Internet,Streaming Dienste und das letzte Album der Vibrators zu hören. Wie schnell die Zeit vergeht.