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The Wynntown Marshals / Big Ideas – CD-Review

Wynntown Marshals / Big Ideas

Melancholische Wohlfühloase in schrecklichen Zeiten

Selten hat ein 'Waschzettel' einer Plattenfirma derart ins Schwarze getroffen: »Die Marshals haben, wie der Rest des Planeten, in letzter Zeit einige Herausforderungen durchgemacht (…).«
Zumindest für den Planeten ist das sogar noch untertrieben … gibt es doch seit geraumer Zeit nur noch erschreckende Nachrichten. Da ist nicht nur eine wirtschaftliche Rezession, sondern auch eine ausgewachsene Depression mit Händen zu greifen. Was liegt also näher, als mit heimeliger 'No Depression'-Mucke gegenzusteuern?

Nun muss der Rezensent gestehen, bisher weder etwas von einer Musikrichtung 'No Depression', noch von einer Band namens  The Wynntown Marshals gehört zu haben. Gefühlt muss beides im Land der ehemals unbegrenzten Möglichkeiten angesiedelt sein … aber weit gefehlt, die Marshals kommen aus dem schottischen Edinburgh und lassen auch auf ihrem brandneuen fünften Album jedweden keltischen Ansatz missen.

Was der Rezensent zunächst allerdings vermisst, ist eine auch nur hauchzarte Begeisterung ob der zu Gehör gebrachten großen Ideen. Da jubelte beim Debütwerk für das Label 'Blue Rose Records' – The Long Haul (2013) – der Kollege Wolfgang Giese aber in ganz anderen Sphären.
Doch Obacht, das nicht zum ersten Mal personell runderneuerte Quartett kommt ganz leise von hinten angeschlichen, um dich nach mehreren Durchläufen mitten ins Herz zu treffen. Butterweiche 'Americana', nicht ansatzweise an kernigen 'Schottenrock' gemahnend, süchtig machende Melodien, eine immer unterschwellige Melancholie, herzerweichende Balladen bis hin zu 'Southern-Rock'-Anwandlungen, Reminiszenzen an Tom Petty, Bruce Springsteen, John Mellencamp, Byrds, Poco, Flying Burrito Brothers, Son Volt, Jayhawks, Whiskeytown oder Wilco mit inbegriffen, obwohl gerade Vokalist und Songwriter Keith Benzie dem Ganzen einen sehr angenehmen eigenen Stempel aufdrückt – dieses Ganze erklimmt nach fünfjähriger Veröffentlichungspause ein bisher noch nicht erreichtes Niveau.

Neben der spieltechnischen Klasse verdient auch die Produktion von Andrew Taylor hohe Anerkennung, denn einerseits sitzt alles perfekt, ohne auch nur im Entferntesten steril zu wirken, andererseits ist nirgendwo ein Zuviel oder Zuwenig auszumachen. Das Sternchen mit Auszeichnung verdient sich dann die Produktion mit dem Mastering von Stuart Hamilton in den Castlesound Studios, Pencaitland (ein Dorf 20km östlich von Edinburgh). "Big Ideas" glänzt mit einem heutzutage geradezu sensationell guten Klang!

Fazit:
Liebe 'Americana'-Freunde der ruhigen und entspannten Sorte, Melancholiker, Genießer, Wohlfühl- und Klangfetischisten … die großen Ideen solltet ihr euch nicht entgehen lassen, weder auf Silberling, noch auf Vinyl. Auch das Auge hört mit und das Cover-Artwork ist ein Hingucker. Insofern gebührt diesem Produkt höchster Respekt, in schrecklichen Zeiten einen Lichtblick – wie der strahlende Vollmond auf dem Frontcover, oder endlich mal wieder ein hochwertiges Booklet mit allen Texten – bieten zu können.


Line-up The Wynntown Marshals:

Keith Benzie (lead vocals, acoustic, electric guitars)
Iain Sloan (electric guitars, acoustic guitars, pedal steel guitar, vocals)
David McKee (bass guitar, vocals)
Brendan O’Brian (drums, percussion)
Ali Petrie (hammond organ, piano, fender rhodes, mellotron)

Tracklist "Big Ideas":

  1. New Millennium (4:55)
  2. Big Ideas (4:03)
  3. Tourist In My Home (3:47)
  4. The Pocket (5:43)
  5. Learn To Lose (3:59)
  6. The Missing Me (5:06)
  7. Keys Found In Snow (3:36)
  8. Disappointment (3:09)
  9. Treat Me Right (4:54)
  10. Full Moon, Fallow Heart (3:30)

Gesamtspielzeit: 42:43, Erscheinungsjahr: 2022

Über den Autor

Olaf 'Olli' Oetken

Beiträge im Archiv
Hauptgenres (Hard Rock, Southern Rock, Country Rock, AOR, Progressive Rock)

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