"Five Live Yardbirds" – ein Meilenstein der englischen Musikhistorie, der in keiner gutsortierten Platten- (wahlweise CD-) Sammlung fehlen sollte. Und jetzt: Schon wieder "Five Live Yardbirds"? Naja, der Albumtitel ist natürlich nach wie vor ein echter Hinhörer, sorgt umgehend für Aufmerksamkeit und außerdem wurde der vorzustellenden Scheibe noch der Titel "Blues Wailing" vorausgeschickt. Tatsächlich stammen die hier vertretenen Aufnahmen aus dem gleichen Jahr und wurden von der gleichen Bandbesetzung wie auf dem berühmten Album eingespielt. Allerdings etwa fünf Monate später, nämlich im August 1964. Daher gibt es hinsichtlich der Tracklist zwar einige Überschneidungen, aber die Jungs um Keith Relf und Eric Clapton hatten in jenem Sommer auch einige weitere Tracks im Angebot.
Über allem anderen auf dieser Platte steht der Fakt, dass sie einen Höllenspaß macht. Die Gründe dafür sind natürlich zum einen die Songs an sich, vor allem aber die Tatsache, dass hier absolute Überzeugungstäter am Start waren. Die Spielfreude trieft praktisch bereits beim ersten Track, dem sehr flotten "Someone To Love Me", aus der heimischen Anlage. Alle Beteiligten stehen voll im Saft und der viel zu früh verstorbene Frontmann Keith Relf überzeugt neben seinem Gesang auch auf der Blues-Harp. Etwas seltsam mutet an, dass die Nummer sehr abrupt endet, fast so, als wenn sie nur als Soundcheck gedient hätte. Schade, aber trotzdem überzeugend. Anschließend geht das Quintett mit "Too Much Monkey Business" aber wieder so richtig in die Vollen und selbst das darauf folgende, von der Geschwindigkeit etwas gedrosselte, dafür aber mit einem feinen Groove überzeugende, "I Got Love If You Want It" bringt die Extremitäten des Hörers umgehend in Bewegung.
Nach einem kurzen Übergang und dem Nachstimmen der Instrumente, währenddem Keith Relf über Eric Claptons schwarze Fender Jazzmaster-Gitarre erzählt, steht mit Howlin' Wolfs "Smokestack Lightning" der nächste Klassiker auf dem Programm, wobei hier die Blues Harp wieder ihren großen Auftritt (sprich, ein Solo) hat. Nach dem feurigen "Respectable" (The Isley Brothers), das noch etwas holprig in "Humpty Dumpty" übergeht, steht mit Elmore James' "The Sky Is Crying" das nächste Highlight auf dem Programm, das diese Scheibe leider schon beschließt. Ein Slow Blues, bei dem zunächst Relf mit seiner Blues Harp die Hauptrolle übernimmt, bevor er seinen sehr emotionalen Gesang startet. Mehr und mehr spielt sich Clapton mit heißen Gitarren-Licks in den Fokus, nur um dann wieder von der Harmonika gekontert zu werden. Zum Ende der Nummer hin entwickelt sich das zu einem richtig heißen Duell, selbst wenn die Improvisations-Fähigkeit bzw. besser gesagt die Ausdauer hier noch sehr weit weg davon ist, was später mal bei beispielsweise Cream stattfinden sollte.
Der einzige Wermutstropfen dieser Veröffentlichung ist, dass sie bei zwölf ausgewiesenen Tracks eine Spielzeit von noch nicht einmal 32 Minuten erreicht. Was sich unter anderem – mal abgesehen davon, dass die Songs in dieser Ära sowieso noch keine Überlängen hatten – dadurch erklären lässt, dass gleich zwei Stücke mit "Tuning" (stimmen, Anm. d. Verf.) betitelt und auch nichts anderes sind. Song Nr. 11 ist lediglich eine von der Bühne aus gemachte Ankündigung und bei zwei weiteren Titeln handelt es sich um relativ kurze Ansagen des Frontmanns, der – wie bereits erwähnt – über Claptons Gitarre oder eine weitere Anekdote mit den Protagonisten Clapton und Paul Samwell-Smith zum Besten gibt.
Somit ist zwar letztendlich quantitativ relativ wenig Musik auf diesem Album zu finden, aber bei den enthaltenen Tracks genießt man dafür – auch aufgrund der erstaunlich guten Soundqualität – jede Sekunde. Und obendrein gibt es ein sehr schönes, ausführliches und mit coolen Fotos ausgestattetes Booklet.
Line-up The Yardbirds:
Keith Relf (blues harp, vocals)
Eric Clapton (lead guitar)
Chris Dreja (rhythm guitar)
Paul Samwell-Smith (bass)
Jim McCarty (drums)
Tracklist "Blues Wailing…":
- Someone To Love Me
- Tuning Up
- Too Much Monkey Business
- I Got Love If You Want It
- Keith Relf Talks About Eric Clapton’s Black Fender Jazzmaster
- Smokestack Lightning
- Keith Relf Talks About Paul 'Sam' Smith & Eric Clapton
- Good Morning Little Schoolgirl
- Tuning Up (2)
- Respectable/Humpty Dumpty
- Announcement
- The Sky Is Crying
Gesamtspielzeit: 31:20, Erscheinungsjahr: 2020 (1964)
2 Kommentare
Nikolaus Wohltmann
13. Juni 2020 um 15:58 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Hi,
diese Aufnahmen wurden schon 2003 auf Castle Music veröffentlich.
Gruss
Nico
Markus
15. Juni 2020 um 8:40 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Hi Nico,
vielen Dank für den Hinweis. Wer also nicht mehr weiß, ob er die 2003er-Version bereits im Regal stehen hat, am besten vor dem Kauf nochmal nachschauen!
Beste Grüße,
Markus