
Um es gleich mal vorweg zu nehmen, haben wir es bei "Acoustic Sessions" von Thin Lizzy nicht mit einer Zusammenstellung bereits veröfffentlichter und 'ruhigerer' Tracks der Mannen um Phil Lynott und erst recht nicht mit wiedergefundenen Perlen sowie Outtakes alter Songs zu tun. Bzw. gerade mal ein bisschen was von beidem. Tatsächlich war es so, dass der Produzent Richard Whittaker die Idee hatte, die akustische Seite der irischen Band und eher als Hardrocker in die Geschichte eingegangenen Musiker noch einmal in den Vordergrund zu stellen. Material dafür war aufgrund der ersten drei Alben ("Thin Lizzy" von 1971, "Shades Of A Blue Orphanage" von 1972 sowie "Vagabonds Of The Western World" aus dem Jahr 1973) natürlich genügend vorhanden, allerdings waren die Bänder teilweise beschädigt. So beschloss das Label dann, den damaligen Lizzy-Gitarristen Eric Bell zu kontaktieren, der sich umgehend dazu bereit erklärte, die Akustik-Gitarren für die Songs neu einzuspielen.
Die Frage, ob das funktioniert oder eine gute Idee war, hatte sich für den Rezensenten bereits beim Opener "Mama Nature Said" ganz schnell geklärt, als er nochmal die so kraftvolle wie auch emotionale Stimme Lynotts in ihrer vollen Pracht erleben durfte, die ihm umgehend eine Gänsehaut nach der anderen über den Rücken jagte. Klasse Song, super gesungen und auch die neuen Gitarrenspuren kommen gut. Ein Eindruck, der mit dem darauf folgenden "A Song For While I’m Away" jedoch direkt wieder relativiert wird, da (wahrscheinlich) Whittaker hier von der Idee getrieben war, die Nummer mit Streichern zu untermalen. Sicherlich Geschmackssache, der Verfasser dieser Zeilen hätte jedoch auch gut darauf verzichten können. Mit "Eire" ist die geballte emotionale Power Lynotts jedoch wieder am Start und zieht den Hörer unmittelbar in den Bann. Für ein paar der hier vertretenen Stücke wurden neben der neuen Akustik-Gitarre und dem Gesang des Anfang 1986 verstorbenen Frontmanns sogar dessen Bass-Spuren sowie die Drums von Brian Downey beibehalten, was eine gelungene Ergänzung darstellt.
Und wenn wir gerade bei "Eire" (das irische Wort für Irland) waren, gehen wir direkt weiter zur Hauptstadt "Dublin", in der die Band sich gründete und bis zum von geschäftlicher Taktik gesteuerten Umzug nach London lebte. Wie der vorgenannte Track eine melancholische Ballade mit batzenweise Feeling, nicht nur im Gesang, sondern auch der Gitarre. Für den "Slow Blues" wurde dann tatsächlich auch eine elektrische Gitarre verwendet, um das Stück zu zelebrieren. Nach dem seinerzeit lediglich als Single-B-Seite veröffentlichten, qualitativ jedoch gleichwertigen, "Here I Go Again" wird es mit dem Titeltrack des zweiten Lizzy-Albums gar ein bisschen psychedelisch und zum einzigen Mal auf dieser Scheibe hören wir den Bandleader an der Harmonika. Eine vom Rezensent für sich selbst wiederentdeckte Perle, die vom abschließenden "Remembering Pt. 2" dann sogar noch getoppt wird. Und selbstverständlich darf auch die akustische Version von "Whiskey In The Jar" nicht fehlen. Eine Nummer mit Ewigkeits-Charakter, falls man sie sich nicht irgendwann 'überhört' hat, die sich in dieser Version jedoch alleine schon wegen dem weiter in den Vordergrund gemixten Gesang lohnt.
Logischerweise haben wir es bei den "Acoustic Sessions" nicht mit der Hard Rock-Version Thin Lizzys zu tun, die uns im zweiten Teil der siebziger Jahre mit Perlen wie "Don’t Believe A Word", "The Boys Are Back In Town", "Cowboy Song" oder "Emerald" (um nur mal einige wenige zu nennen) verwöhnten, aber wer von dieser akustischen Veröffentlichung komplett überrascht ist, der wird wahrscheinlich einfach die erste Alben der Band nicht kennen. Der Rezensent hätte sich zwar noch seinen Lieblings-Song "Honesty Is No Excuse" vom Debütalbum gewünscht, aber gut, man kann nicht alles haben. Definitiv ein dicker Tipp, dessen Glanz lediglich von den Streichern bei "A Song For While I’m Away" etwas getrübt wird. Davon abgesehen macht die Scheibe riesengroße Lust darauf, auch die ersten drei Thin Lizzy-Alben mal wieder in die Anlage zu schieben.
Line-up Thin Lizzy:
Phil Lynott (bass – #2,3,7,9, acoustic guitar – #6, harmonica – #8, vocals)
Eric Bell (acoustic guitars)
Brian Downey (drums & timpani – #4,6,7,9)
With
Clodagh Simonds (piano, keyboards – #4,8)
Tony Harris (viola – #2)
Don McVay (viola – #2)
Ian MacKinnon (violin – #2)
Alan Merrick (violin – #2)
Peter Oxar (violin – #2)
Peter Poole (violin – #2)
Godfrey Salmon (violin – #2)
Alan Sloan (violin – #2)
Quentin Williams (cello – #2)
Paul Mosby (cor anglais, oboe – #2)
Fiachra Trench (orchestral arranger – #2)
Tracklist "Acoustic Sessions":
- Mama Nature Said
- A Song For While I’m Away
- Eire
- Slow Blues
- Dublin
- Whiskey In The Jar
- Here I Go Again
- Shades Of A Blue Orphanage
- Remembering Pt. 2
Gesamtspielzeit: 42:33, Erscheinungsjahr: 2025 (1971-1973)
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