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Thin Lizzy / Johnny The Fox – Vinyl-Review

Thin Lizzy - "Johnny The Fox" - Vinyl-Review

Nach drei kommerziell gefloppten Alben, aber immerhin einer Hit-Single ("Whiskey In The Jar") wurde der Gitarrist Eric Bell bei Thin Lizzy gefeuert und nach ein paar Interims-Lösungen die beiden Axemen Brian Robertson (vom Temperament feurig und aufbrausend) sowie Scott Gorham (eher ruhig und zurückhaltend) engagiert. Nach dem verunglückten "Nightlife" (1974) und dem sehr starken "Fighting" (1975) startete die Band dann in ihr künstlerisch erfolgreichstes Jahr 1976, das trotz großartiger Musik einen bitteren Nachgeschmack hinterließ. Aber dazu später mehr. Nach dem Meisterwerk "Jailbreak" und erstmaligen echten Verkaufserfolgten legte die Band noch im gleichen Jahr mit der Platte "Johnny The Fox" nach, die ihrem Vorgänger in kaum etwas nachstand. Die Band hatte sich aus Steuergründen dazu entschlossen, in den Musicland Studios in München aufzunehmen. Dieser Versuch wurde nach einigen Wochen jedoch als gescheitert abgehakt und die eigentlichen Aufnahmen fanden dann doch wieder in England, also in gewohnter Umgebung statt.

Seite 1 dieses Werks besteht aus fünf bärenstarken Songs, angefangen mit dem mitreissenden "Johnny", dass durch das typische Phil Lynott-Songwriting sowie die ebenso typischen Gitarren von Robertson und Gorham glänzt. Ebenso genial ist das darauf folgende "Rocky", sogar noch eine Spur härter und rockender als der Opener. Mit "Borderline" folgt die Lizzy-Lieblings-Ballade des Rezensenten mit einem bärenstarken Brian Roberson an der Lead-Gitarre. Die Hit-Single des Albums ist der Klassiker "Don’t Believe A Word", der nicht nur musikalisch glänzt, sondern auch dem Ladykiller Phil Lynott entlockt, dass er nicht immer so ganz einhundertprozentig ehrlich zu den Ladies war und ist, die gewisse Reize auf ihn ausüben. Ein Blick zurück in die Geschichte Irlands stellt "Fools Gold" dar, das erneut auf coole Melodien und diese fantastischen Twin-Gitarren zurückgreift.

Um ehrlich zu sein, hatte ich die zweite Seite der Scheibe immer als deutlich schwächer in Erinnerung, was sich – frisch und konzentriert angehört – jedoch als Trugschluss erweist. Bei "Johnny The Fox Meets Jimmy The Weed" hatte der Funk bei dem Quartett Einzug gehalten. Ungewöhnlich, aber dennoch richtig gut. "Old Flame" ist eine dieser emotionalen Balladen, wie sie nur Phil Lynott schreiben konnte. Das großartige und von den für die Band so typischen Twin Leads bestimmte "Massacre" entstand nach Aussage des Produzenten John Alcock im Studio während der Aufnahme-Sessions. Eine weitere Ballade, diesmal stark von Scott Gorham inspiriert, ist "Sweet Marie", das ebenfalls klasse ist. Das abschließende "Boogie Woogie Dance" ist das einzige Stück der Scheibe, das die Qualität der anderen neun nicht halten kann. Wahrscheinlich wollte man die vom Tempo eher langsamere zweite Seite nochmal mit einem flotteren Stück beenden. Keine Großtat, aber auch kein Total-Ausfall.

Das Album "Johnny The Fox" gehört locker zu den fünf (für den Rezensenten neben "Fighting" und "Jailbreak" sogar zu den drei) besten Alben in der Karriere von Thin Lizzy. Leider war es auch das letzte mit Brian Robertson als vollwertigem Band-Mitglied. Phil Lynott hatte die ständigen Streitereien mit dem als schwierig geltenden Robertson schon länger satt. Als dieser sich bei einer Kneipenschlägerei (er wollte seinem Kumpel Frankie Miller zur Hilfe eilen) von einer zerbrochenen Flasche schwere Verletzungen an einer Hand zuzog, dadurch monatelang nicht spielen konnte und somit eine USA-Tour verschoben werden musste, hatte Lynott endgültig genug und feuerte Robertson. Der Schotte wurde zwar später nochmal für die Alben "Bad Reputation" sowie Live And Dangerous engagiert, anschließend aber erneut gefeuert. Das endgültige Ende des besten Band-Line-ups von Thin Lizzy.

Ach ja, was den trotz zwei bärenstarken Alben aus dem Jahr 1976 im ersten Absatz erwähnten bitteren Beigeschmack betrifft: Die Band hatte mit dem Album "Jailbreak" und der Single "The Boys Are Back In Town" nicht nur in Europa echte Verkaufserfolge am Start, sondern damit endlich auch in den USA einen bemerkenswerten Erfolg aufzuweisen. Um den zu festigen bzw. auszubauen und den Durchbruch zu schaffen, war bereits eine lange Tour im Vorprogramm von Rainbow gebucht. Doch dann wurde bei Phil Lynott Hepatitis diagnostiziert, was den Frontmann monatelang aus dem Verkehr zog. Die Tour war gestorben, das Momentum vorbei. Thin Lizzy schafften es in den USA nie wieder, in eine so vielversprechende Position zu kommen.

Die beiden Alben "Jailbreak" und "Johnny The Fox" wurden nun in einer oppulenten 5CD-Box mit massenhaft Bonus-Material noch einmal aufgelegt und erschienen auch ganz neu abgemischt als Original-LPs nochmal auf farbigem 180g-Vinyl. Der Sound von "Johnny The Fox" ist hervorragend, unterscheidet sich von der eigentlichen Veröffentlichung dadurch, dass unter anderem der Gesang etwas weiter in den Vordergrund gemixt wurde. Als nur ein Beispiel sei hier die am Ende des Tracks "Johnny The Fox Meets Jimmy The Weed" von Lynott in die Runde geworfene Frage »Is this real cocaine or is this speed??« aufgeführt, die auf dem neuen Album laut und deutlich, auf der alten CD-Version des Rezensenten jedoch fast gar nicht mehr verständlich zu hören ist. Was Segen und Fluch zugleich ist. Denn einerseits ist der Gesang und die Lyrics wesentlich deutlicher wahrnehmbar, andererseits nimmt es dem Gesamtsound ein wenig das Mystische, Geheimnisvolle. Dennoch eine sehr gelungene Neuauflage, die nur wärmstens empfohlen werden kann.


Line-up Thin Lizzy:

Phil Lynott (bass, acoustic guitars, lead & background vocals)
Brian Robertson (lead & rhythm guitars, background vocals)
Scott Gorham (lead & rhythm guitars, background vocals)
Brian Downey (drums & percussion)

With:
Phil Collins (percussion)
Fiachra Trench (brass & string arrangements)
Kim Beacon (background vocals)

Tracklist "Johnny The Fox":

Side 1:

  1. Johnny
  2. Rocky
  3. Borderline
  4. Don’t Believe A Word
  5. Fools Gold

Side 2:

  1. Johnny The Fox Meets Jimmy The Weed
  2. Old Flame
  3. Massacre
  4. Sweet Marie
  5. Boogie Woogie Dance

Gesamtspielzeit: 18:57 (Side 1), 16:54 (Side 2), Erscheinungsjahr: 2024 (1976)

Über den Autor

Markus Kerren

Hauptgenres: Roots Rock, Classic Rock, Country Rock, Americana, Heavy Rock, Singer/Songwriter
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Mail: markus(at)rocktimes.de

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