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Tom Mank & Sera Smolen – Konzertbericht, 27.09.2024, Thomaskirche Neuengroden, Wilhelmshaven

Tom Mank & Sera Smolen - Konzertbericht, 27.09.2024, Thomaskirche Neuengroden, Wilhelmshaven

Vor vier Jahren lernte ich die Musik von Tom Mank & Sera Smolen kennen, durch ihre damalige Veröffentlichung "We Still Know How To Love". Stilistisch werden auf allen Platten Genres von Folk, Blues, Bluegrass, Singer/Songwriter und klassischer Musik jeweils abgedeckt und fließen ein in den sehr persönlichen Stil ihrer Zusammenarbeit. So stellte ich seinerzeit auch fest, dass die Musik von teils dramatisch atmosphärischen Stimmungen lebt, und dass es eigentlich nicht wirklich etwas Vergleichbares dieser Art gibt, und diese Einzigartigkeit betörend und faszinierend ist.

In der Regel werden die Beiden auf den Veröffentlichungen von diversen Musikern*innen begleitet und auch live tritt man mit entsprechenden Besetzungen auf. Die von mir erwähnte Einzigartigkeit wurde anlässlich des Konzertes noch einmal unterstrichen, weil Tom & Sera als Duo auftraten. Und wie Tom auch erwähnte, sei dieses nicht oft der Fall. Er selbst hat seine musikalischen Wurzeln in der US-amerikanischen Folk- und Blues-Szene, während Sera aus der klassischen Musik kommt. So wurden beide Genres repräsentiert durch Seras Cellospiel und Toms akustischer Gitarre; dazu singt er seine selbst geschriebenen Texte. Und diese trägt er vor mit sehr sanfter und ruhiger und die Ohren schmeichelnden Stimme. Die Texte handeln von Ereignissen des täglichen Lebens, so war ein Song sehr berührend vorgetragen, handelte er doch von einer Krankenhausbehandlung von Tom, "Almost Time", sodass jeder, dem einmal ein solcher Aufenthalt widerfuhr und einer Operation entgegenfieberte, das nachvollziehen konnte.

Sonstige Konflikte des täglichen Lebens, globale Themen wie Krieg …, aber oft standen dahinter viele persönliche Erfahrungen oder eigene Gedanken über bestimmte Ereignisse, wie in "1966". Das Stück beschreibt dieses spezielle Jahr, und die damit verbundene Eindrücke, die sicher die meisten der Zuschauer*innen teilen konnten aufgrund des Altersdurchschnitts, als man mit dem Song "Homeward Bound" von Simon & Garfunkel aufwachte, mit den Beach Boys im Geiste gen Strand strebte. Eingebunden waren unter anderem noch Bob Dylan, als er in der Albert Hall auftrat, Jimi Hendrix war Thema, auch John & Yoko, und Sera flocht geschickt, so wie ich es hörte, zwei Zitate aus Liedern der Beatles ein, von "Day Tripper" und "Get Back".

Doch mit einer Solodarbietung von Sera startete das Konzert sehr emotional, und hier bemerkte man sofort das große Können der Musikerin, die mit dem Cello spielerisch brillierte. Ehegatte Tom hörte zu und hatte die Augen geschlossen, auch ich spürte diese meditative und einfühlsame Ausstrahlung der Darbietung. Beim zweiten Titel, "Surrounded By Strangers", stellte Tom seine spezielle Art des Gitarrenspiels vor. Mit seiner perkussiven Art erinnerte er auch an alte Folkies, die sicherlich auch beeinflussend gewesen sind, ein wenig konnte man auch vom Kollegen John Martyn spüren. Bereits hier fühlte man das exzellente Zusammenspiel des Ehepaares. Die Beiden kommunizierten über die Augen, und wie Sera später ausführte, schaue sie auf Toms Hände während der Songs. So bemerkte man diese besondere Symbiose der Beiden.

Diese Kombination vollbringt es, Genregrenzen schwere-und mühelos zu überwinden, und eben dieser recht perkussive und besondere Stil, wie Tom die Gitarre spielt, paart sich perfekt mit dem Sound des gestrichenen wie auch gezupften Cellos, dass durch die Melodiefolgen und Bass-Linien und freien Improvisationen das besondere "Tüpfelchen auf dem i" bedingt. Und, je nach Art des Liedes, verstärkte das gezupfte Cello den perkussiven Charakter, oder es wurde auch ganz wunderbar improvisiert, wobei sich dann folkige Grundlagen mit Elementen aus der Klassik mischten. "Goin' To New York", eine Nummer über vierzehnmalige Umzüge, wies einen leichten Hauch bluesiger Stimmung auf, und der Blues als Grundlage bestimmte so manch weiteren Song, mitunter auch mit einem sanften Shuffle-Rhythmus. Einige der Stücke basieren auf eigenen Erfahrungen, so unter anderem auch das vorgestellte "Baltimore The Blues".

Sera hatte die Möglichkeit, zwischen den Songs auch Solo-Stücke einzubringen, so eine Komposition »about gypsies«, kombiniert mit dem Ausdruck Bach’scher Tradition, oder das sehr emotional strahlende, ein wenig melancholische und gleichzeitig sehr kraftvolle "Unlock The Sky" – diese Solo-Stücke stammen alle von Sera selbst. "Unlock The Sky" hat auch einen ganz besonderen Hintergrund und handelt von einer Zeit, in der es der Musikerin nicht sehr gut ging, die Entstehung dieser Komposition soll ihr geholfen haben, sich aus dieser Phase zu befreien.

Von der neuesten Veröffentlichung, der EP "Skinny Boy", sind auch einige Songs vorgestellt worden, wie der Titelsong, mit einem kleinen Augenzwinkern, als er, Tom, halt noch ein "Skinny Boy" war, das oben bereits erwähnte "Almost Time", das tragische "Antietam (Blood In The Water)", ein insgesamt sehr einfühlsamer und die Gefühle ansprechender Track, der thematisch das Thema Gewalt und kriegerische Handlungen behandelt. »We had a farm by a stream, until the soldiers stole our dream, I cried when the barn burned down, we hid in the cellar hoping they’d leave town. Now one great day the army left town, dead soldiers and horses scattered around«.

Die jeweiligen Einflüsse der Beiden sind schließlich eingeflossen in den Ausdruck der Musik, seien es Quellen wie die Beatles, Crosby, Stills, Nash & Young, Robert Johnson, John Prine bei Tom und neben der klassischen Musik bei Sera ebenfalls Einflüsse von nordindischen Ragas, improvisierten Jazz, sie hatte hier mit David Darling eng zusammengearbeitet.

So fällt es schwer, einen besonderen Song hervorzuheben, weil man das Konzert wie aus einem Guss genießen konnte und die verschiedenen Stimmungen solch unterschiedlicher Songs wie "Harpers Ferry", "Soft Landing" etc, zusammenflossen zu einem Ganzen. Kurzum, man hatte die Gelegenheit, sich in eine Art Paralleluniversum zu begeben, sich in diesen Zauber fallen zu lassen und dem Alltag vollends zu entfliehen. Und das mit Musik, die abseits jeglichen Mainstreams steht. Wenn man mitunter zu aufstrebenden Popstars liest, die internationalen Ruhm ernten, nur weil sie über mindestens zwei Millionen Streams verfügen, dann müssten Sera Smolen und Tom Mank bereits länger ganz oben in dieser Liga stehen.

Im Übrigen noch ein Dank an den Ev-luth. Kirchenkreis in Verbindung mit dem Förderverein Kulturkirche im Stadtnorden e.V., repräsentiert durch Herrn Volker Pirsich, dadurch wurde dieses Konzert letztlich im Rahmen der Reihe "musik in der kirche" ermöglicht. Und, man hielt sich die Option offen, im nächsten Jahr das Konzert zu wiederholen. Das wäre sicher auch im Interesse des begeisterten Publikums, gerade auch darum, weil meine Frau und ich uns selbst freuen würden, das sehr sympathische Ehepaar erneut wiederzutreffen! Danke, Sera, danke, Tom, für Eure besondere, sehr berührende Musik!


Line-up Tom Mank & Sera Smolen:

Tom Mank (acoustic guitar, vocals)
Sera Smolen (cello)

Bildnachweis für alle Bilder des Events: © 2024 | Wolfgang Giese | RockTimes

Über den Autor

Wolfgang Giese

Hauptgenres: Jazz, Blues, Country
Über mich: Althippie, vom Zahn der Zeit geprägt, offen für ALLE Musikstile
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Mail: wolfgang(at)rocktimes.de

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