Eine kurze Vorstellung: Der Engländer Tom Robinson startete seine Karriere im Jahr 1973 in dem Folk-Trio Cafe Society. Deren gleichnamige Debütscheibe von 1975 wurde übrigens von niemand geringerem als Ray Davies (The Kinks) produziert. Der Legende nach entstand zwischen den beiden während der Aufnahmen eine innige Feindschaft, die beide jeweils in späteren Songs dokumentierten. 1976 gründete der Protagonist die Tom Robinson Band und hatte sowohl mit zwei Single-Auskopplungen als auch dem ersten Album "Power In The Darkness" großen Erfolg und sehr erfreuliche Verkaufszahlen. Nach einer zweiten Scheibe ("TRB Two", 1979), die deutlich schlechter über die Ladentheken ging, löste der Frontmann die Band auf. Diese Phase hatte meine sehr geschätzte Kollegin Sabine vor einigen Jahren ausführlich dokumentiert. Zunächst war dann mal Funkstille, doch 1983 kamen zwei weitere (zumindest in England) sehr erfolgreiche Singles und 1984 eine ebenso gut laufendes Comeback-Album ("Hope And Glory").
In dem gerade genannten Jahr wurde dann ein Konzert von – mittlerweile unter dem neuen Namen firmierenden – Tom Robinson & Crew aufgezeichnet. Aber nicht nur der Name, sondern auch die Musik hatte sich verändert. War die Tom Robinson Band noch sehr vom Punk Rock beselt, so ging es zu diesem Zeitpunkt deutlich poppiger zur Sache, selbst wenn ein kleiner Einschlag in Richtung Wave zu erkennen ist. Über das komplette Konzert hinweg sammelte Robinson beim Publikum durch sein fast akzentfreies Deutsch viele Sympathie-Punkte und aufgrund der Ansagen sowie auch der Texte wird klar, dass sich der Mann viele Gedanken zu politischen und auch sozialen Aspekten im Leben gemacht hat. Nochmal Pluspunkte also. Musikalisch wird dieser Auftritt – zumindest einen Rock-Fan – jedoch kaum aus den Latschen hauen können.
Tom Robinson sang an diesem Abend zwar immer noch sehr gut, aber die in erster Linie vom Keyboard dominierte Musik kommt leider zu oft viel zu seicht und dem damaligen Zeitgeist angepasst rüber. Eine Episode fürs Kuriositäten-Kabinett (und an der Grenze zum Fremdschämen) ist eine Plastik-Reggae-Version von Bob Dylans "I Shall Be Released", während der Robinson sowie seine ihn rechts und links flankierenden Background-Sänger im Gleichschritt tanzen. Uff … nicht unbedingt der Höhepunkt des Abends, um es mal sehr höflich auszudrücken. Es gibt aber auch deutlich bessere Momente, so wie etwa der alte Hit "2-4-6-8 Motorway" und noch ein paar weitere. Selbstverständlich brachte der damals bereits seit Jahren offen homosexuell lebende Musiker als Zugabe auch seine Hymne "Glad To Be Gay", allerdings auch wieder in dem seinerzeit praktizierten Achtziger-Arrangement bzw. Achtziger-Instrumentierung.
Mein Fazit fällt daher auch eher gespalten aus: Beinharte Tom Robinson-Fans sowie Musik-Liebhaber der achtziger Jahre sollten an diesem CD & DVD-Doppelpack keinesfalls vorbei rauschen, alle anderen besser erstmal ein Ohr beim Anchecken riskieren. Musik bleibt nach wie vor Geschmackssache und Pluspunkte macht der Protagonist hier durchaus durch sein sehr sympathisches Auftreten sowie seinen klaren Blick auf politische wie soziale Missstände. Der Verfasser dieser Zeilen wird sich das Teil in Zukunft wohl höchstens noch äußerst selten in den Player schieben, fand es aber beim Anschauen (und -hören) für dieses Review zumindest spannend, was die Gesamt-Aussage des Gigs angeht. Am besten selbst mal reinhören.
Line-up Tom Robinson & Crew:
Tom Robinson (piano, acoustic guitar, lead vocals)
Colin Baldry (bass)
Steve Laurie (drums)
Frank Collins (piano, background vocals)
Clive Mulcahy (guitar)
Alison Limerick (percussion, background vocals)
Peter 'Bimbo' Acock (saxophone, keyboards)
Tracklist "Live At Rockpalast 1984" CD & DVD:
- Power In The Darkness
- Bully For You
- Atmospherics: Listen To The Radio
- Law And Order
- Out In The Cold
- Too Good To Be True
- I Shall Be Released
- Hope And Glory
- Old Friend
- Murder At The End Of The Day
- Prison
- War Baby
- Back In The Old Country
- 2-4-6-8 Motorway
- Cabin Boy
- Never Gonna Fall In Love Again
- Glad To Be Gay
- Atmospherics: Listen To The Radio (reprise)
Gesamtspielzeit: 79:28 (CD), 85:00 (DVD), Erscheinungsjahr: 2021 (1984)
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