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Tura Ya Moya / Huko Na Huko – CD-Review

Tura Ya Moya / Huko Na Huko – CD-Review

Bandname, Instrumentarium, Tracknamen – da gehen erst mal die Alarmglocken an. Weil anhand dieser Angaben klar ist, dass sehr wahrscheinlich keine leichte oder gewohnte Kost ins Haus steht. Schließlich kommen Klischees und Vorurteile ja nicht immer unbedingt von ungefähr. Mit ziemlicher Sicherheit hätte ich dieses Album abgelehnt, wenn ein Promoter vor dem Senden einen Link zum Reinhören geschickt hätte, verbunden mit der Frage, ob Interesse an einem Rezensionsexemplar besteht. Wo immer man dann auch mal reingehört hätte, die Antwort wäre eine Absage gewesen.

Sireena war wohl von der musikalischen Qualität so überzeugt, dass das Label ohne vorab anzufragen ein Exemplar von Tura Ya Moya auf die Reise schickte. Und das war gut so, denn sonst wäre ich mit der 1988 in Kopenhagen gegründeten Band wohl nie in Berührung gekommen. Natürlich haben sich Vorurteil und Klischee bestätigt. Bestätigt dahingehend, dass das 'Land der Geister' (so die Bedeutung des Bandamens in der Sprache der Zulu) keine Musik ist, die man mal eben im Vorbeigehen mitnimmt.

Im Prinzip ist der Begriff Musik für den Output auf "Huko Na Huko" (was 'hier und da' bedeutet) auch zu tief gegriffen. Denn die beiden Protagonisten sind eher ein Multimedia-Art-Projekt, welches sich darauf spezialisiert hat, an allen möglichen und unmöglichen Orten ihre Mischung aus Musik, Licht- und Bild-Projektionen zu performen. Dieses Konzept wird als »die Überschreitung von Grenzen zwischen Musik, Kunst und Performance« beschrieben. Die Orte, an denen Tura Ya Moya ihre Melange aus Ton und Bild präsentiert und installiert sind so unterschiedlich (das reicht von Höhlen bis in modernste Techniktempel) wie es die eingesetzten musikalischen Stile sind. Fäden sind schwerlich zu finden und rote schon gleich gar nicht. Traditionen, die man bei ’normaler Musik'  z. B. in Rhythmus, Harmonie, Melodie usw. findet, werden aufgebrochen; werden verändert und zum Teil so erweitert, dass komplett neue Klangwelten entstehen.

Allerlei Naturgeräusche, die verschiedensten ethnischen Einflüsse, Wilderei in Jazz, Trance, experimenteller Musik und auch schon mal ein Fitzelchen Rock oder Chanson treffen des Hörers Ohren und Hirn. Zumindest wenn man es nur mit dem Audiopart zu tun. Audiovisuell an der jeweils ausgewählten Location muss das dann nochmal eine ganz andere Hausnummer sein. Im Falle des Rezensenten muss das Kopfkino herhalten, wobei die Musik an sich allerdings genug bietet, um sich auch eingehend mit ihr zu beschäftigen, nach und nach Zugang zu bekommen und schlussendlich gar Gefallen daran zu finden. Dieser Prozess verschlang bei mir allerdings zwei gute Durchläufe (in Ruhe) und machte mir definitiv klar, dass ein kurzes Anspielen beim Plattenhändler des Vertrauens auf keinen Fall zum Kauf gereicht hätte.  Es sei denn, man war im grönländischen Qaqortoq, im dänischen Aarhus oder im Schloss Bröllin live dabei und hat die drei Aufnahmen, die sich auf vorliegender CD befinden mit allen Sinnen mitbekommen.

Tura Ya Moya sind in erster Linie die Dänin Karen Thastum und der Deutsche Udo Erdenreich, den ich übrigens im RockTimes-Archiv gefunden habe: und zwar bei der Band Ziguri, deren Album onetwothreefour davon zeugt, dass er auch dort Musik macht, die sich nicht unbedingt auf einer musikalischen main street abspielt. Allerdings ist das Verhältnis der Massenkompatibilität Ziguri zu Tura Ya Moya etwa wie Mozart zu Stockhausen.
Dabei startet das Album mit "Huko Na Huko" sehr gefühlvoll mit geheimnisvoll wirkenden Tunes, die leicht jazzige Wohlfühlstimmung aufkommen lassen. Spontan muss ich da an Jeff Beal denken. Im Folgestück hören wir Karen Thastums Stimme das erste Mal und auf dänisch, was auf der einen Seite eine Spur Folklore vermittelt, durch den weiteren Verlauf sowie den englischsprachigen Refrain Spannung erhält. "Valhal" startet den Reigen des wahrlich Unkonventionellen, indem der Track mit Geräuschen und Gesang das Kopfkino anregt und sich der Besucher an Orte und Zustände beamt, an denen das Gehörte über die Musik hinaus wirken kann. Walhalla?

Rücksichten auf Hörgewohnheiten werden nicht genommen, denn Tura Ya Moya, so mein Eindruck, dienen nicht den Hörern, sondern haben einzig und allein das Ziel vor Augen, dem jeweilig bespielten Ort den passenden Zauber zu verpassen. Die Kompositionen verströmen immer wieder mystische und oft fremd wirkende Klangwelten, die je nach Einsatz von Tonfolgen und Instrumenten orientalisch, fernöstlich, nordisch oder auch aus Gegenden wie nicht von dieser Welt zu stammen scheinen. In "Axis Muni" wirkt zumindest der Sprechgesang gewohnt, hat er doch etwas von Grobschnitt oder Piet Petrol. In "När Den Faske Hane Galer" beschleicht mich eine Spur Brainticket.

Aber diese Vergleiche sind im Prinzip nicht angebracht, da Karen und Udo ganz anderes im Sinn haben, als 'zu klingen wie …'. Sie und ihre musikalischen Begleiter passen den Output immer der Location an, um den dortigen Spirit allumfassend einzufangen. Und dann kommt bei "Europavalsen" eben chansonhaftes heraus; mit äußerst perfekt eingesetztem Saxofon und Trompete.

Man könnte nun zu jeder Nummer auf "Huko Na Huko" vermerken, an welchem Ort man das jeweilige Stück am besten aufgehoben findet. Aber das wäre ein undankbarer Job, da wohl ein jeder anders auf die Kompositionen reagiert. Klar ist, dass man dieses Album kaum mit anderen zusammen hören kann, da es zum einen die volle Aufmerksamkeit verlangt und zum anderen auf jeden anders wirkt. Wenn man nicht die Chance hat, die Künstler bei einer Live-Performance zu sehen, sollte man die Platte mit Stücken aus den letzten 25 Jahren allein und intensiv – sprich, Kopfkino anwerfen – genießen.


Line-up Tura Ya Moya:

Karen Thastum (clarinet, vocals, piano, keyboard, flutes, batloops, bells, zither, kalimba, projection art)
Udo Erdenreich (bass, jaw’s harp, hurdy gurdy, batloops, guitar, bell, gong, organ pipe)

And the fellow musicians:

Henning Frimann (drums, percussion, vocals – #1,5,7,9,10,14,16)
N.U. Unruh (drums, percussion – #2,13,16)
Inke Kühl (violin, saxophone – #2,10,11,16)
Silbat Christensen (vocals, percussion – #18,19)
Martina Gebhardt (vocals – #2,3,16)
Detlef Auell (percussion, electronics – #1,14)
Patrick Laschet (atmosheres – #3,4,17)
Kopa Camara (djembe – #3,16)
Marilyn Mazur (percussion – #8)
Zam Johnson (drums – #11)
Jens Balder (vocals – #13)
Thomas Agergaard (saxophone – #15)
Liv Thastum (vocals – #4)
Günter Schickert (trumpet – #10)
Conni Demski (saxopone – #10)
unknown Sufis (drums (-#6)
various unknown Bats-sounds (3,8,12,15)

Tracklist "Huko Na Huko":

  1. Sanseplasma
  2. Usagte Ord
  3. Valhal
  4. Til Ungdommen
  5. Axis Mundi
  6. När Den Faske Hane Galer
  7. Sirius 23
  8. The Bat Dream
  9. Neo Eso
  10. Europavalsen
  11. The Europamachine (Live Schloss Bröllin 1998)
  12. Grotta Bat
  13. NordNordOst (Live Aarhus Ridehuset 2003)
  14. Take A Dance With Me
  15. The Bat Dream Wakes Up
  16. Verbum Caro
  17. Hafentraum
  18. Aia
  19. Qaqortoq (Live Qaqortoq Forsamlingshus 2017)

Gesamtspielzeit: 78:09, Erscheinungsjahr: 2019

Über den Autor

Ulli Heiser

Hauptgenres: Mittlerweile alles, was mich anspricht
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Mail: ulli(at)rocktimes.de

1 Kommentar

  1. Schickert

    All the best
    Günter

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