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Udo Dirkschneider / My Way – Digital-Review

Udo Dirkschneider / My Way

Wohl dem, der sich sein Geburtstagsgeschenk selbst zubereiten kann. Metal-Legende Udo Dirkschneider hat es getan und sich zum 70. Wiegenfest am 6. April 2022 ein Cover-Album geschenkt. Die 17 sehr verschiedenen Stücke machen daraus für den Sänger ein persönliches Werk. Das nimmt man ihm aufs Wort ab, wobei seine beständige und lange Karriere mit Sicherheit Platz für viele mögliche Coverversionen lässt. Zu Beginn überrascht uns der in Wuppertal geborene Künstler mit Alex Harvey und dessen "Faith Healer". Nach dem Rock’n’Roll- und Rhythm & Blues-Musiker wurde später die Sensational Alex Harvey Band benannt. Udo Dirkschneider liefert damit einen Auftakt nach Maß und macht daraus genau die Musik, die er seit mehreren Jahrzehnten mit seinen Kollegen zelebriert. Es hat aber einen ganz praktischen Aspekt: »Wenn ich den Song höre, erinnere ich mich an die Zeit, als ich als ganz junger Udo abends auf die Piste gegangen bin, an all die Geschichten, die man wohl nur spät nachts in Clubs erlebt.«

Es ist angerichtet, macht Euch auf ein paar Überraschungen gefasst, mag die versteckte Botschaft sein. Wobei nicht alle 17 Songs in einem völlig veränderten Gewand erklingen. Aber überall steht nach der Neufassung sehr deutlich Udo Dirkschneider drauf. Fans wissen, was es bedeutet. Der Blick auf die Tracklist zeigt uns einige bekannte Bands, die mit Vorliebe gecovert werden. Dazu zählen beispielsweise Led Zeppelin, Rolling Stones oder Motörhead. Die Titel können dabei durchaus abweichen. Zu diesen beliebten Versionen gehört außerdem "Fire" von Crazy World Of Arthur Brown. Daraus entsteht klanglich ein lupenreiner Dirkschneider. Seine Stimme lässt Lieder zu Marken werden.

Sehr gefällig  ist "Sympathy" von Uriah Heep, das im Original allerdings ein paar Spuren braver daher kommt. Das folgende "They Call It Nutbush" von Tina Turner offenbart ein bisher nicht bekanntes Geheimnis: »Was bislang wohl kaum jemand weiß: Ich war mal großer Fan von Ike und Tina Turner, speziell von Tinas Stimme. Wenn wir uns in den Anfangstagen mit Accept zum Proben trafen, hatten wir immer diesen Song gecovert. Er gehörte Jahre lang zu unserem Accept-Probe-Repertoire. Aufnahmen gibt es davon aber leider keine«, verrät uns der Metal-Sänger mit der Reibeisenstimme.

Munter wird auf den folgenden Liedern gerockt, wobei wohl keines der Cover-Alben der vergangenen Monate einen klassischen Heavy Metal so deutlich zum Inhalt hatte. "Man On The Silver Mountain" von Rainbow liefert zunächst nichts Überraschendes, weicht nicht sonderlich vom Original ab. Doch daraus entsteht eine druckvolle Variante eines  bekannten Klassikers, abermals in deutlicher Manier Dirkschneiders. Dessen Art zu singen, wertet das Original auf und lässt die Erinnerung an Rainbow um ein gutes Stück hochleben.

Ein musikalisches Bonbon ist "Rock And Roll" von Led Zeppelin. Klingt schon das Ausgangsstück von 1971 wie nach der Geburtsstunde des Rock’n’Roll, so legen Dirkschneider und seine Begleitmusiker noch ein paar Schippen drauf. Indem der Interpret den Stücken seinen unnachahmlichen Stempel aufdrückt, ist die Auswahl auf "My Way" zugleich eine Art Bekenntnis, wie er seine Musik anbietet. Ja, auch dieses Album ist ein Lockdown-Projekt. Es ist in der Zeit der Pandemie zwischen Mai und September 2021 an verschiedenen Orten entstanden. Doch warum sollte es nicht legitim sein, in einer solchen Situation ein solches Werk zu produzieren. Dieser Aufgabe nahm sich Produzent Mattes an, dabei assistiert von Peter Koobs und Stefan Kaufmann. Die Arrangements auf "My Way" lieferten Peter Koobs, Stefan Kaufmann und Mattes.

Zutreffend ist die Tatsache, dass es sich um ein Cover-Album handelt. Doch der Begriff allein wäre zu kurz gegriffen. Neben dem persönlichen Verhältnis des Sängers zu allen 17 Kompositionen ist es die Art und Weise, wie Musik neu interpretiert wird, so dass scheinbar völlig Neues entsteht. Interessant klingt die Version von Queens "We Will Rock You" aus dem Jahr 1979. Hier muss man lange hinhören, um das Original zu erkennen. Als Heavy Metal-Variante klingt es nicht nur flott aufpoliert, sondern erfrischend. Im Gegensatz dazu befinden wir uns bei Judas Priest und deren "Hell Bent For Leather" schon fast zu 90 Prozent am Original: Gesang und Gitarren bringen das Cover ungefiltert nahe an die britischen Metal-Veteranen. Das mag durchaus berechtigt sein, da diese noch immer mit der Musik der NWoBHM punkten können. In puncto Frische und Schnelligkeit hören wir heraus, dass beide Seiten dem Lied sehr nahe stehen und für die Interpretation immer noch jung genug sind.

Einer der Höhepunkte ist "Kein Zurück" von Wolfsheim. Das Lied des gleichnamigen deutschen Synthiepop-Duos aus dem Jahr 2003 mit den Sängern Markus Reinhardt und Peter Heppner fällt ohnehin schon aus dem Rahmen, weil es eine ruhige Nummer ist. Doch die Interpretation sorgt definitiv für ein Gänsehauterlebnis. Es ist eine würdige Überleitung zum finalen "My Way", das somit nicht alleine als ruhiger Endpunkt steht. Unüberhörbar steckt darin eine Verbeugung vor dem Künstler Frank Sinatra.

Aber auch wir haben allen Grund, uns einmal vor Udo Dirkschneider zu verbeugen. Nicht allein mit diesem Album gecoverter Songs, sondern mit einer rund 50-Jährigen Musikerkarriere sorgt er immer wieder für positives Aufsehen und überzeugt als ruhiger, sachlicher und zielstrebiger Typ gleich einem Original.


Line-up Udo Dirkschneider:

Udo Dirkschneider (vocals)
Dee Dammers (lead guitars – #4,8,9,14,15,16)
Andrey Smirnov (lead guitars – #4,7,8,10,11,12,14)
Mathias "Don" Dieth (lead guitars – #3)
Peter Koobs (lead guitars – #1,2,10,13, rhythm guitars)
Stefan Kaufmann (lead guitar – #5, rhythm guitars, backing vocals)
Harrison Young (organ – #3,5)
Steiffenhorns (brass section – #4)
Dieter Kuhlmann (trombone)
Jens Buschenlange (trumpet)
Tommy Schneller (saxophone)
Peter Baltes (bass, backing vocals)
Sven Dirkschneider (drums, backing vocals)
Mattes (military snares – #9)
Manuela Bibert (backing vocals)
Boris Delic (backing vocals)

Tracklist "May Way":

  1. Faith Healer (Alex Harvey)
  2. Fire (Crazy World Of Arthur Brown)
  3. Sympathy (Uriah Heep)
  4. They Call It Nutbush (Tina Turner)
  5. Man On The Silver Mountain (Rainbow)
  6. Hell Raiser (The Sweet)
  7. No Class (Motörhead)
  8. Rock And Roll (Led Zeppelin)
  9. The Stroke (Billy Squier)
  10. Paint It Black (Rolling Stones)
  11. He’s A Woman, She’s A Man (The Scorpions)
  12. T.N.T. (AC/DC)
  13. Jealousy (Frankie Miller)
  14. Hell Bent For Leather (Judas Priest)
  15. We Will Rock You (Queen)
  16. Kein Zurück (Wolfsheim)
  17. My Way (Frank Sinatra)

Gesamtspielzeit: 65:29, Erscheinungsjahr: 2022

Über den Autor

Mario Keim

Musikstile: Heavy Rock, Rock, Deutschrock, Hard Rock
Marios Beiträge im RockTimes-Archiv

2 Kommentare

  1. Mario Keim

    Hallo Carlo, vielen Dank für Deinen ehrlichen und herzerfrischenden Kommentar. Insofern spricht es doppelt für Dich, dass Du Dich mit dem Werk des Künstlers auseinandergesetzt hast. Ich wünsche Dir stets viel Freude beim Hören guter Musik. Alles Gute für Dich, bleibe gesund.
    Liebe Grüße Mario

  2. Carlo Luib-Finetti

    Ach, wenn ich nur Udos Gesang, seiner Stimme, etwas abgewinnen könnte… Nicht desto trotz habe ich mir das Album größtenteils angehört. In der Tat, diese Cover-Stücke haben gute Ideen und erfrischende Arrangements. Besonders gefallen hat mir die solide Gitarrenarbeit der Beteiligten. Insofern: eine Empfehlung zum reinhören.

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