Seit August 2016 präsentiert sich unser Magazin in neuem Gewand und das erste Review, welches wir veröffentlichten war The Spirit Of Ümit! von Umit!. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, weil zum einen diese Platte immer mal wieder den Weg in den Player findet und dann, weil bezüglich des Bandnamens und den Namen der Musiker (Ümit A, -B und -C) ein paar Denkerfalten auf meiner Stirn waren. Die Falten haben sich gelegt, denn mittlerweile haben die drei Musiker ihre Namen gelüftet. Jochen Oberlack spielt die Gitarre und singt, Peter Schürmann trommelt und Peter Kirschbaum bedient die dicken Saiten. Und es gab Zuwachs: Ein Keyboarder ist nun im Line-up und der braucht nicht den Umweg über Ümit D zu gehen. Rudolf Kronenberger heißt der neue Mann und ich denke, es war eine weise Entscheidung, Tasten in den Bandsound zu integrieren. Die Musik, die sich im weiten Feld des Progressive- und Psychedelic Rock bewegt, ist für den Output derlei Instrumente meist dankbarer Abnehmer.
Bevor es aber zum Hören des neuen Albums kam, gab es was für die Optik und die Haptik, denn neben der Downloadversion gibt es da die limitierten 180g Vinylversion in Weiß, bzw. marmoriertem Weiß. Das fühlt sich außerordentlich edel an, zumal auch das ausklappbare Booklet sehr künstlerisch daherkommt. Innen ziert der "Java Deer" von Antoine-Louis Barye das Glanzpapier und visualisiert die Nummer "The Deer [Psalm 42 – Revelation Reprise]". Auf dem Albumcover ist eine Fotografie der Gipsplastik "Der tote Abel" von Ignaz Weirich platziert. Und davon handelt auch das erste Stück von "The Testament Of Ümit!". Adam, Eva, Kain und Abel … Der Brudermord aus dem Buch "Genesis, Kapitel 4:1-24" ist das Thema und hier ist nun eingetreten, was ich beim Vorgänger schrieb: »Die angekündigte neue Platte "The Testament Of Ümit!" lässt mich gespannt auf den Gesang warten …«. Jochen lehnt seine Stimme den Instrumenten an und erzählt die Verse des "Genesis" Kapitels auf Englisch. Das passt zum Umfeld des Tracks, der auch des Keyboards wegen einen sakral-psychedelischen Touch hat. Hart schlägt die Gitarre ein und die Nummer nimmt einen schleppenden Rhythmus ein, der langsam aber stetig hin zum Brudermord führt. Schön, wie das akzentuierte Drumspiel die sphärisch solierende Gilmour-Gitarre unterstützt.
Apropos Gilmour, wie auch beim Vorgänger sind Parallelen zu den britischen Prog- und Psychedlic-Urvätern nicht zu überhören und auch gewollt, denn wie beim Label zu lesen ist »evozierte die Debut-LP "The Spirit Of Ümit!" noch Parallelen zu "Obscured by Clouds" von Pink Floyd, klingt es diesmal deutlich mehr nach Animals« Das passt, zumal Herr Gilmour auch bei beiden Platten die Sechssaitige bediente. Aber Ümit! sind nicht Pink Floyd und haben ihren eigenen Kosmos, der gerade krautige Stimmung verströmt. Herrlich, dieses Stück, das gegen Ende powervolle Bassdrum-Salven zu den Saiten gibt. Ganz anders dagegen "Into The Mirror Black", das Härteste, was ich von Ümit! kenne. Die Gitarrenchords sind im Prinzip schon fast progmetallisch und laden zum Headbangen ein. Ich muss da schnell eine neue Schublade erfinden: etwas vertrackt und schneller gespielter Prog Doom vielleicht. Auch "Hog Dead" ist eine Spur härter und startet mit besten heepschen Orgeltunes. Jochen singt und erinnert mit seinem Saitenspiel stilistisch etwas an Slash, ohne jedoch den Ümit!-Duktus groß zu verlassen. Schön, wie die gesamte Truppe bzw. alle Instrumente so agieren, dass man von einer tollen Rocknummer sprechen kann. Hog, da haben wir schon mal das Schwein aus Pink Floyds Animals. Schaf und Hund fehlen, dafür startet die zweite LP-Seite mit "Cows [Simmental Breed]" und auf "The Deer [Psalm 42 – Revelation Reprise]" darf auch der Hirsch röhren..
Aber erst mal zu den Kühen. "Cows [Simmental Breed]", das bedeutet Simmentaler Fleckvieh und die sind eine Hausrindrasse, die erstens gut schmeckt und auch zur Milchverwertung genutzt wird. Aber nicht bei Ümit!, denn hier dürfen sie zu sphärischen Keys muhen und die Glöckchen klingeln lassen. Bis sich der Bass einpumpt und die Gitarre die Band in einen klasse rhythmusbetonten Prog Jam führt. Bass- und Drumspiel lassen den Kopf mitnicken. Saiten und Tasten wechseln sich im Solieren ab und ich sage es nochmal: Mit dem Keyboard wurde die optimale Ergänzung gefunden. Aber auch elfeinhalb Minuten feinster und krautiger Prog gehen zu Ende. Doch der Hörer darf weiter genießen, denn mit starken Krautrocksounds schließt sich "The Deer [Psalm 42 – Revelation Reprise]" an.
Auch bei der letzten Nummer sorgen die Keys für eine psychedelische Aura innerhalb der die sechs Saiten solieren wie aus einer anderen Welt. Gekonnte Akkordwechsel schaffen eine fast überirdische Atmosphäre. Ümit! steht den Großmeistern der Kraut- und Psychedelic-Zunft in nichts nach. »Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser …« steht in Psalm 42 und nun darf er röhren, der Hirsch, Und wie. Peter Kirschbaum malträtiert dazu wieder die Bassdrum und ich frage mich, ob er mit zwei Bassdrums oder einer Doppelfußmaschine spielt. Klasse, diese Technik im Umfeld dieser Art von Musik. Hätte man uns früher auf diese Art die Psalmen näher gebracht, wären wir heute wohl alle bibelfest.
Wie beim Vorgängeralbum kann ich auch die neue Platte uneingeschränkt empfehlen. Wer krautige, psychedelische Prog-Musik liebt, darf blind zugreifen. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn auch optisch und haptisch gibt es keine Schwächen.
Line-up Ümit!:
Peter Schürmann (drums)
Peter Kirschbaum (bass)
Jochen Oberlack (guitar & voice)
Rudolf Kronenberger (keyboards)
Tracklist "The Testament Of Ümit!":
Side A (18:49)
- Revelation [Genesis 4:1-24] (8:48)
- Into The Mirror Black (4:30)
- Hog Dead (5:31)
Side B (21:02)
- Cows [Simmental Breed] (11:30)
- The Deer [Psalm 42 – Revelation Reprise] (9:32)
Gesamtspielzeit: 39:51, Erscheinungsjahr: 2018
2 Kommentare
Ulli Heiser
17. März 2018 um 8:18 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Moin Jochen, vielen dank für die Info. Ich hatte nir das fast gedacht, so wie er da reinbollert. Herrlich!
Jochen
16. März 2018 um 21:06 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
@Ulli: Peter spielt 2 Pearl-Bassdrums, 22 x 18 Zoll.