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Ulla Meinecke / Live At Rockpalast 1981 & 1985 – 2 DVD & 3 CD-Review

Ulla Meinecke / Live At Rockpalast 1981 & 1985

Ja, ich gebe zu, auch ich habe Ulla Meinecke anfangs allein mit ihrem Lied "Die Tänzerin" in Verbindung gebracht, um im April dieses Jahres bei einem Konzert in Gera nachhaltig zu erleben, dass es eine facettenreiche Künstlerin gibt, die bis heute für anspruchsvolle Musik steht. Musikalisches Einerlei ist nicht ihre Sache. So erfreulich es ist, dass uns Ulla Meinecke noch immer auf deutschen Bühnen beehrt, so präsent war sie bereits in den frühen 1980er Jahren.

Auf der Doppel-DVD "Live At Rockpalast 1981 & 1985" sehen wir zwei Konzerte, die so unterschiedlich nicht ausfallen, wenngleich sich das Repertoire stark voneinander unterscheidet.
Im ersten Konzert in den Sartory Sälen Köln (18.07.1981) erleben wir ein Konzert mit 76 Minuten Spieldauer, das musikalisch keine Wünsche offen lässt. Die Band ist gut aufeinander eingespielt und mit Richard Wester am Saxophon gibt es einen Musiker, der uns im Konzert vier Jahre später wieder begegnet. Um es vorwegzunehmen: Dessen Präsenz macht deutlich, dass dieses Instrument in der deutschsprachigen Rockmusik bis in die Gegenwart vergleichsweise unterrepräsentiert ist. In beiden Produktionen macht das Saxophon das sprichwörtliche Salz in der Suppe aus.
Aus dieser Band möchte ich keinen Akteur hervorheben, weil alle ihren Job vorzüglich versehen. Doch besonders hatte es mir Rosa Precht am Piano angetan.

Ulla Meinecke, die eine Mischung aus Rockmusik und Liedermacher repräsentiert, tritt schon in der ersten Produktion selbstbewusst und unbekümmert auf. Kameraführung und Schnitt zeugen von einer soliden Regiearbeit, die im zweiten Konzert  ihre Fortsetzung findet.
Beim Ansehen lege ich den Fokus auf das zweite Konzert, denn das Repertoire ist doch beträchtlich erweitert und die Spieldauer mit zwei Stunden länger.

Die Präsentation des ersten Konzertes anno 1981 mit anspruchsvollen Liedern wie "Beiß rein", "Frankfurt", "Lonely Cowboys" und "Überdosis Großstadt" soll dies aber in keiner Weise schmälern, unabhängig von der Spieldauer. Zu meinem Favoriten avanciert dabei "Frankfurt", eine Liebeserklärung im Reggae-Stil an ihre einstige Heimstadt (»Frankfurt, Du bist kein liebes Tier. Wie ’ne fette Ratte duckst Du hier. Du bist so räudig und verdreckt. Doch vor Dir habe ich Respekt«). Die Musik des 1980 erschienenen Liedes stammt von Herwig Mitteregger (Nina Hagen-Band, Spliff), mit dem die Sängerin eng zusammen arbeitete. Den Text schrieb sie selbst.

Ein gewichtiger Unterschied zwischen den beiden Konzertproduktionen liegt allein in der Tatsache begründet, dass 1981 viele ihrer bekannten Lieder noch gar nicht das Licht der Welt erblickt hatten. Dennoch ergänzen sich beide Konzertmitschnitte gut, da es außer zwei Stücken ("Erwischt", "Wenn ich jetzt weiterrede") keine Überschneidungen im Repertoire gibt.

Trotz komplett veränderter Besetzung erleben wir 1985 wieder eine bestens eingespielte Band. Ulla Meinecke agiert mit einer Leichtigkeit und Lockerheit, dass es einfach Spaß macht, ihr zuzuhören und zuzusehen.
»Es war eine Riesenverantwortung«, erinnert sie sich noch heute an die früheren Auftritte, »ich habe Blut und Wasser geschwitzt.« Doch von Aufregung war keine Spur. Zumindest ist diese beim Anschauen nicht zu spüren.

Bekanntlich waren die 1980er eine Zeit, in der audiovisuelle Aufnahmen eine Ausnahmesituation waren und folglich als etwas Außergewöhnliches galten. Für Ulla Meinecke waren die Auftritte im Rockpalast das Größte, das es bei einer Show geben konnte. Trotzdem unterscheiden sich beide Auftritte kaum von den Programmen, mit denen die Künstlerin damals jeweils auf Tour war.
Beide Lokalitäten unterstreichen die intime Clubatmosphäre, die sehr gut zur Musik von Ulla Meinecke passt.

Das Konzert am 29.09.1985 in der Zeche Bochum enthält alle ihre bekannten Lieder, angefangen vom Opener "Nie wieder" (1984),  über "Feuer unterm Eis" (1983), "Heißer Draht" (1985), "Der Stolz italienischer Frauen" (1985) bis hin zu "Die Tänzerin" (1983).
Das Konzert ist für mich ein musikalisches Feuerwerk, bei dem optisch auf unnötigen Schnickschnack verzichtet wurde. Eine Retrospektive über eine bedeutsame Schaffenszeit und ein wirksamer Kontrast zur Dominanz der Neuen Deutschen Welle zu Beginn der 1980er Jahre.
Enthalten ist auf der zweiten CD als Bonusmaterial ein sechs Minuten langes Interview mit der Musikerin.

Ulla Meinecke versteht sich genauso auf  Liebeslieder wie auf Alltagsbeobachtungen. Ihre tiefsinnige Moderation gehört einfach dazu, wirkt weder aufgesetzt noch aufdringlich. Es ist eines ihrer Markenzeichen.

Wer die beiden Konzerte auf CD hören möchte, bekommt die Silberlinge zu den DVDs in gleicher Spieldauer in dieser Box mit dazu geliefert. Dazu gibt es drei CDs.

Ein wichtiger Nachsatz: Ulla Meinecke gestaltet noch heute bis zu 200 Konzerte jährlich und ist darüber hinaus mit Lesungen zu erleben. Denn sie ist eine Frau, die viel zu erzählen hat. Das zeichnet die Künstlerin aus, die ich als ein Juwel in der deutschsprachigen Rockmusik bezeichnen möchte. Fernab vom Mainstream und daher leider viel zu wenig beachtet. Aktuelle Termine sind hier zu finden.

Dabei verfolgt die Sängerin stets das Credo: »Was mir immer wichtig war, es geht darum, wie es dem Publikum geht.« Das Phänomen Ulla Meinecke erklärt sich für mich dadurch, dass ihre Texte damals wie heute aktuell sind!
Was ich allerdings nie verstanden habe: Warum die Rockpoetin einst dem damals weit verbreiteten Genre 'Deutschsprachige Popmusik' zugeordnet werden musste…


Line-up Ulla Meinecke Sartory Säle Köln, 18.07.1981:

Ulla Meinecke (Gesang)
Rosa Precht (Tasteninstrumente)
Richard Wester (Saxophon, Lyricon)
Carlo Karges (Gitarre)
Erich Räyker (Bass)
Georg Kranz (Schlagzeug)

Line-up Ulla Zeche Bochum, 29.09.1985

Ulla Meinecke (Gesang)
Georg Kochbeck (Tasteninstrumente)
Richard Wester (Saxophon, Lyricon)
Michael Brandt (Gitarre)
Peter Küchhold (Bass)
Christian Evans (Schlagzeug)


Tracklist "Live At Rockpalast 1981 and 1985":

CD1 Sartory Säle Köln, 18.07.1981

  1. Beiß rein (03:55)
  2. Video (04:06)
  3. Frankfurt (05:56)
  4. Die Blonde (01:51)
  5. Kleine Schwester (05:01)
  6. Lonely Cowboys (06:00)
  7. Erwischt (04:30)
  8. Überdosis Großstadt (07:00)
  9. Mit dem Rücken zur Wand (05:21)
  10. Zu Fett für’s Ballett (05:29)
  11. Das Leben ist ganz gut (07:06)
  12. Rock 'N' Roll Evangelium (04:59)
  13. Valentinstag (03:41)
  14. Das Fieber fällt (03:28)
  15. Wenn ich jetzt weiterrede (03:28)

CD2 Zeche Bochum Am 29.09.1985

  1. Nie wieder (04:42)
  2. Heißer Draht (05:43)
  3. Zu fett fürs Ballett (05:04)
  4. Feuer unterm Eis (06:19)
  5. Süße Sünden (04:49)
  6. Prinzessin (05:31)
  7. Gewitter (06:41)
  8. Der Stolz italienischer Frauen (04:43)
  9. Steinbergholz (04:07)
  10. Was ich an Dir mag (02:52)
  11. 50 Tipps (04:17)

CD3 Zeche Bochum Am 29.09.1985

  1. Kleine Schwester (04:33)
  2. Wilde Walzer (04:28)
  3. Erwischt (05:18)
  4. Ey Kleine (04:18)
  5. Zauberformel (04:03)
  6. Alles dreht sich (04:05)
  7. Piano Solo (00:09)
  8. Dach der Welt (06:52)
  9. Die Tänzerin (07:57)
  10. Schieß die Lichter aus (06:00)
  11. Wenn Ich jetzt weiterrede (03:44)
  12. Nie wieder (05:22)

DVD1 Sartory Säle Köln Am 18.07.1981

  1. Beiß Rein (03:55)
  2. Video (04:06)
  3. Frankfurt (05:56)
  4. Die Blonde (01:51)
  5. Kleine Schwester (05:01)
  6. Lonely Cowboys (06:00)
  7. Erwischt (04:30)
  8. Überdosis Großstadt (07:00)
  9. Mit dem Rücken zur Wand (05:21)
  10. Zu Fett für’s Ballett (05:29)
  11. Das Leben Ist ganz gut (07:06)
  12. Rock 'N' Roll Evangelium (4:59)
  13. Valentinstag (03:41)
  14. Das Fieber fällt (03:28)
  15. Wenn Ich jetzt weiterrede (03:28)

DVD2 Zeche Bochum Am 29.09.1985

  1. Nie wieder (04:42)
  2. Heißer Draht (05:43)
  3. Zu fett fürs Ballett (05:04)
  4. Feuer unterm Eis (06:19)
  5. Süße Sünden (04:49)
  6. Prinzessin (05:31)
  7. Gewitter (06:41)
  8. Der Stolz italienischer Frauen (04:43)
  9. Steinbergholz (04:07)
  10. Was ich an Dir mag (02:52)
  11. 50 Tipps (04:17)
  12. Kleine Schwester (04:33)
  13. Wilde Walzer (04:28)
  14. Erwischt (05:18)
  15. Ey Kleine (04:18)
  16. Zauberformel (04:03)
  17. Alles dreht sich (04:05)
  18. Piano Solo (00:09)
  19. Dach der Welt (06:52)
  20. Die Tänzerin (07:57)
  21. Schieß die Lichter aus (06:00)
  22. Wenn Ich jetzt weiterrede (03:44)
  23. Nie wieder (05:22)

Gesamtspielzeit: 71:51 (CD 1), 54:48 (CD 2), 56:49 (CD 3) 75:00 (DVD 1), 126:00 (DVD 2) Erscheinungsjahr: 2019

Technische Angaben zur DVD:

Video Format : NTSC / DVD9
Audio Format : PCM Stereo
Picture Format : 4:3

Über den Autor

Mario Keim

Musikstile: Heavy Rock, Rock, Deutschrock, Hard Rock
Marios Beiträge im RockTimes-Archiv

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