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Ulla Meinecke und Band – Konzertbericht, 11.04.2019, Alte Brauerei, Gera

Es ist ein Name, der Erinnerungen weckt. Ulla Meinecke verbinden Musikfans mit ganz bestimmten Liedern, allen voran natürlich ihrem bekanntesten Hit "Die Tänzerin" aus dem Jahr 1983. Vielsagend ist zugleich der Titel des fünften Studioalbums "Wenn schon nicht für immer dann wenigstens für ewig", auf dem dieser Klassiker das erste Mal zu hören war. Und trotzdem gibt es immer wieder die lästige, schon fast peinliche Frage: Was, die gibt’s auch noch?
Ulla Meinecke tourt jedes Jahr mit über 100 Konzerten durch Deutschland und Österreich und ist eine Ausnahmekünstlerin, die mit einer klaren Sprache Botschaften in ihre sehr persönlichen Lieder packt. Gute Texte, neu arrangierte und melodienstarke Songs, gemixt mit anekdotenreichen, oft ironischen Moderationen.

Im Geraer '1880' konnten sich die 150 Zuhörer in angenehmer Clubatmosphäre ein Bild von dem machen, was die Sängerin heute noch zu sagen hat. Oder besser gesagt: Was sie zu singen hat.
Konzerterlebnis und die Location in der denkmalgeschützten ehemaligen Brauerei, in der erst seit einem Jahr regelmäßig Konzerte stattfinden, passten wunderbar zusammen. Das Publikum an einem Abend mitten in der Woche war gut aufgelegt und fieberte dem Auftritt der authentischen Künstlerin erwartungsfroh entgegen. Der Gastgeber stellte zugleich die beiden Techniker, die dafür sorgten, dass Lieder und die Moderation in bester Tonqualität beim Hörer ankamen.

Ulla Meinecke und Gitarrist Ingo York

Ulla Meinecke und Gitarrist Ingo York

Ulla Meinecke, war da nicht etwas? Natürlich muss man hier den Namen Udo Lindenberg nennen. Er war es, der die damals 23-jährige bei einer zufälligen Begegnung ermunterte, ihr Hobby kurzerhand zum Beruf zu machen. Anschließend leitete sie dessen Büro. Und kein Zufall war es, dass ihre erste Langspielplatte "Von toten Tigern und nassen Katzen" 1977 von Lindenbergs Stil geprägt war.
So wichtig der Mentor für die Sängerin war, so schnell schwamm sie sich davon frei. Was schließlich das Fundament für eine lange, schon vier Jahrzehnte währende Musikerkarriere sein sollte.

Lesen wir heute noch an vielen Stellen von einer »der erfolgreichsten Vertreterinnen des damals noch eher seltenen Genres Deutschsprachige Popmusik« (Wikipedia), so mag das in den 1980er Jahren vielleicht zugetroffen haben, nicht aber anno 2019. Für die frühere Eingruppierung steht der Song "Nie wieder", der fast schon an der Tür zur Neuen Deutschen Welle anklopft, der beim Konzert in Gera aber nicht zu hören war.
Das Programm der Rockpoetin ist vielschichtig, es besteht aus alten und noch völlig unbekannten Liedern, die auf keinem Tonträger erschienen sind. »Wenn ich immer nur altes Material spielen würde, wäre es auf Dauer langweilig«, sagte die 65-jährige Musikerin nach dem Konzert in einem Gespräch mit RockTimes über ihren künstlerischen Anspruch.

Ulla singt ihren bekanntesten Hit:

Ulla singt ihren bekanntesten Hit: "Die Tänzerin"

Für das außergewöhnliche Liveerlebnis an der Seite der Sängerin sorgen Gitarrist Ingo York und Keyboarder Reinmar Henschke, die schon viele Jahre zu ihren musikalischen Weggefährten gehören. Überragend, wie York Gitarren, Bass, Mundharmonika und das Minischlagzeug spielt und die Hauptakteurin mit seinem Satzgesang unterstützt. Aber auch Reinmar Henschke spielt seinen Part souverän und abgeklärt.
Neben dem eingangs genannten Stück "Die Tänzerin" als erste Zugabe erklingen an diesem Abend klangvolle Titel  wie "Schlendern ist Luxus", "Geh mir aus dem Licht", "Wenn wir Glück haben", "Wenn zwei zueinander passen", "Will dir helfen das Paradies zu sehen" und "50 Tipps, ihn zu verlassen".
Emotional kommt ihr liebevoll-ironischer Song "Wer will schon Becky Thatcher sein?", daher, den sie 2002 veröffentlichte. Es ist eine Erinnerung an die elfjährige Ulla, die nach eigenen Worten Mark Twains Jugendroman "Tom Sawyers Abenteuer" verschlungen hat.

Von der Ballade über Blues bis hin zum rockigen Stück bietet Ulla Meinecke ein facettenreiches musikalisches Angebot und überrascht zudem mit einigen internationalen Nummern. Dazu zählt das irische Folklied "The Star Of The County Down". Tom Petty widmet sie das im Original gesungene "Handle With Care" von den Traveling Wilburys. Weil Musiker vor allem »immer auch Fans« seien und leider immer öfter der Verlust von Vorbildern zu beklagen sei, erinnerte sie in diesem Zusammenhang an den Tod von Aretha Franklin. Die US-amerikanische Soul-Sängerin war erst im August 2018 verstorben»als wir den Tod von Tom Petty noch gar nicht verarbeitet hatten« – schlug Ulla Meinecke die Brücke zu dem Musiker, der 2017 gestorben war. Dessen Bandkollegen bei den Traveling Wilburys, Bob Dylan, war die zweite Zugabe "Like A Rolling Stone" gewidmet.

Ulla Meinecke mit ihren Bandkollegen Ingo York (links) und Reinmar Henschke.

Ulla Meinecke mit ihren Bandkollegen Ingo York (links) und Reinmar Henschke

Mit diesem leidenschaftlich vorgetragenen Song verabschiedete sich die Wahlberlinerin von ihrem Publikum und machte mit ihrem Auftritt deutlich, was für ein Glücksfall ihre zeitlose Musik im schnelllebigen Geschäft ist.

Die Worte:

»Du bist die Tänzerin im Sturm,
Du bist ein Kind auf dünnem Eis,
Du wirfst mit Liebe nur so um dich,
Und immer triffst du mich.«

("Die Tänzerin")

treffen 36 Jahre nach ihrer Veröffentlichung noch immer den Nerv des Publikums. Ulla Meinecke ist nicht nur Autorin ihrer eigenen Musikstücke, sie schreibt gelegentlich auch Bücher. »Ja, ich mache immer noch Lesungen« antworte sie mir, als ich sie auf eine solche Lesung 2006 in meiner Heimatstadt Ranis ansprach, die mir bis heute nachhaltig in bester Erinnerung geblieben ist und bei der sie sich ebenfalls von Ingo York begleiten ließ.
Wer sich für das Musikprogramm im der "Reussischen Brauerei" mit der Lokalität "1880" interessiert, wird auf deren Website fündig.
Ein herzlicher Dank geht an Anna Wolf für die problemlose Akkreditierung.


Line-up Ulla Meinecke Band:

Ulla Meinecke (Gesang)
Ingo York (Gitarren, Bass, Schlagzeug, Mundharmonika, Backgroundgesang)
Reinmar Henschke (Keyboard)

 

Über den Autor

Mario Keim

Musikstile: Heavy Rock, Rock, Deutschrock, Hard Rock
Marios Beiträge im RockTimes-Archiv

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