
Das Buch beginnt mit einem Gedicht, "Die Kleinstadtkneipe", in welchem es sich, nomen est omen, um eine Kneipe handelt, in der Männer »mittleren Alters oder kurz vor der Rente stehen oder sitzen«, rauchen, trinken und sich über Krankheiten und Ähnliches unterhalten. Im Hintergrund plärrt Musik, aber niemand hört hin, weil die Herrschaften mit sich selbst beschäftigt sind.
Ja, es geht auch um Musik in diesem Werk, versprochen!
"Vor dem Plattenregal", hier musste ich während des Lesens öfters schmunzeln. Erinnert mich diese Geschichte doch an meine eigenen, innerlichen Kämpfe, wenn es darum geht, im Platten- oder Bücherregal Platz für Neuzugänge zu schaffen. Denn das setzt voraus, dass die einen oder anderen Platten/Bücher aussortiert werden müssten. Doch welche sollen das sein? Buch/Platte raus, dann, nach langer Überlegung wieder rein… das/die nächste raus und wieder rein – und so weiter…
Man hat den Eindruck, die Teile wehren sich vehement gegen das Aussortieren und bleiben zu guter Letzt dort, wo sie sind, denn ein Plätzchen für die Neuen findet sich immer.
Diesen 'Kampf' beschreibt der Autor auf dermaßen glaubhafte, wenn auch bizarre Art und Weise, dass man ihm tatsächlich Recht gibt und während des Lesens vor sich hin flüstert: ja, so ähnlich habe ich das auch schon erlebt.
Und genau solche bizarren, witzigen und surrealen Schilderungen und Wortspiele in den Erzählungen machen es aus, dass man das Buch mit einem unbändigen Vergnügen liest, ab und zu auch mal ungläubig oder verwundert den Kopf schüttelt, schmunzelt und vielleicht sogar zustimmend nickt.
Wenn der Autor zum Beispiel über den Sinn oder Unsinn von Single-B-Seiten sinniert, die Frage aufwirft ob die Beatles schwul waren um letztendlich festzustellen, dass sie es doch nicht waren; die Behauptung in den Raum stellt, dass die Kinks die lauteste Band der Welt war, was mit zunehmenden Alter sogar untermauert wurde oder von ihm den Tipp bekommt, den »Zeitlupen-Blues von Grateful Deads "Blues For Allah" in Single-Geschwindigkeit« anzuhören, hat man den Eindruck der Teilhabe an Engelbrechts tiefsinnigen, revolutionären, weltverändernden Erkenntnissen.
Da ich selbst ein großer Rory Gallagher-Fan bin, habe ich natürlich mit großem Interesse die Geschichte "Süffiger Blues im grauen Schutzschuber" gelesen, in welcher der Autor seine 'Begegnung' mit dem Blues Rock-Gitarristen Rory Gallagher im Jahr 1972 in der Stadtbücherei beschreibt. Es war natürlich keine Begegnung persönlicher Art, sondern mit Rorys Vinyl-Scheiben Rory Gallagher und Deuce. Beide Platten haben offenbar einen dermaßen nachhaltigen Eindruck auf den, damals noch sehr jungen Ulli hinterlassen – was ich natürlich nachvollziehen kann – dass er sich dem Iren in diesem Buch etwas ausführlicher widmet, zu Recht wie ich finde.
Da gerade die 70er Jahre meine Sturm- und Drang-Zeit war, fühle ich mich hinsichtlich der musikalischen Umrahmungen der Geschichten mit Künstlern wie Deep Purple, UFO, Leonard Cohen, Status Quo, Iggy Pop, Jim Morrison und vielen anderen, natürlich ungemein angesprochen.
Ich für meinen Teil habe mich köstlich amüsiert aber, um es mal drastisch auszudrücken: Das Buch ist kein Lesestoff für oberflächliche Mainstream-Leser. Man muss schon etwas tiefer eintauchen in den »[…]"Gedankenschrott" des Bochumer Autors, den er sorgfältig sortiert und als handliche Lese-Häppchen aufbereitet hat[…]«.
Wenn man sich aber erst einmal in die Geschichten eingelesen hat, stellt sich – das verspreche ich – ein echtes Lesevergnügen ein.
Angaben zum Buch:
Herausgeber: BoD – Books on Demand, 1. Edition (3. Februar 2025)
Taschenbuch: 180 Seiten
Abmessungen: 12 x 1.3 x 19 cm
ISBN: 978-3-7693-16056
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