Im Jahr 1989 gab es etwas zu feiern im Lager von Uriah Heep. Zwanzig Jahre Bandgeschichte wurden am 18. Mai ausgiebig mit einem Konzert im Londoner Astoria zelebriert. Zwanzig Jahre, von denen die ersten zehn zwar deutlich erfolgreicher waren, es im Gegenzug Band intern in den Achtzigern aber deutlich ruhiger und ausgeglichener zuging. Doch es gab nach wie vor personelle Wechsel. Nachdem bereits der Bassist Trevor Bolder (Ex-David Bowie, Ex-Uriah Heep, Ex-Wishbone Ash) für das Album "Equator" (1985) zurückgekommen war, wurden anschließend auch der Keyboarder John Sinclair durch Phil Lanzon sowie der Sänger Peter Goalby durch Bernie Shaw ersetzt. Ein Line-up, das immerhin bis ins Jahr 2007 und dem Abgang von Lee Kerslake zusammen blieb. Trevor Bolder erlag im Mai 2013 einem Krebsleiden.
Aber zurück zu "Raging Through The Silence", dessen Titel sich logischerweise auf das damals aktuelle Studioalbum "Raging Silence" bezog. Und mit "Bad Bad Man" sowie "Cry Freedom" eröffneten auch gleich zwei Nummern daraus den Abend. Die Band war offensichtlich gut drauf und präsentierte sich sehr rockig. Besonders "Cry Freedeom" kann durch klasse Melodien und Hooklines punkten. Selbstverständlich befanden sich aber auch jede Menge Klassiker im Programm und so brachte das mächtige "Stealin'" (das von Bernie Shaw mit den Worten »Jetzt kommt aber ein Song, den ihr vielleicht kennt…« angekündigt wurde) nochmal mehr Feuer unters Dach. "Too Scared To Run" (vom Album "Abominog", 1982) zeigt wohl am deutlichsten die Klangunterschiede der Band zwischen den siebziger und achtziger Jahren auf. Die Hammond-Orgel ist lange nicht mehr so dominant, die Gitarre steht deutlich mehr im Vordergrund und die Band klang (auch durch die neuen Songwriter) nicht mehr ganz so einzigartig, wie das offensichtlich in der ersten Dekade der Karriere war.
Aber man darf dem Quintett auch nicht Unrecht tun, denn Veränderungen und Weiterentwicklungen sind für eine Rock-Band so überlebenswichtig, wie das konstante Schreiben guter Songs und pausenloses Touren. So klingen Nummern wie "The Other Side Of Midnight" oder "Mr. Majestic" (gesungen von Phil Lanzon) durchaus gut, nur halt anders. Anschließend geht es allerdings in die Klassiker-Abteilung und ein klasse gebrachtes "The Wizard" läutet das große Finale ein. Im anfänglichen Endspurt wird dann gleich das superbe "July Morning" hinterher geschoben, bevor es zu den Vorstellungen (und damit verbundenen Soli) der einzelnen Bandmitglieder kommt. Der ewige Dauerbrenner "Easy Livin'" sowie "Look At Yourself" stellen dann den Abschluss der Show dar.
An das bärenstarke Heep-Livealbum "Live 1973" kommt "Raging Through The Silence" zwar nicht ran, aber ein bisschen wäre dieser Vergleich (wegen der 16 Jahre Zeitunterschied sowie drei unterschiedlichen Musikern) ja auch, wie Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Der Doppel-CD ist in diesem Package sogar eine zusätzliche DVD hinzugefügt, die das Konzert in Bild und Ton noch einmal zum Leben erweckt. Und die macht genau soviel Spaß, wie die Audio-CDs. Apropos: Als Bonus Track wird hier die Bandgeschichte von Chris Tetley in Interview-Form zusammen mit Mick Box durchgegangen, was einen zusätzlichen Mehrwert für diese CD/DVD-Box darstellt. In gut 25 Minuten wird kurz fast jedes Heep-Album und auch die meisten ehemaligen Musiker kurz angesprochen. Trevor Bolder sowie Bernie Shaw waren mit im Studio und leisteten kurze Beiträge, während sogar noch ein Interview-Schnipsel mit David Byron (R.I.P.) aus dem Jahr 1979 mit eingebaut wurde.
Insgesamt also durchaus solide und interessant, wenn auch – für Leute, die nicht alles von der Band brauchen bzw. sammeln – nicht bahnbrechend oder ein definitives Muss.
Line-up Uriah Heep:
Mick Box (guitars, background vocals)
Bernie Shaw (lead vocals)
Trevor Bolder (bass, background vocals)
Phil Lanzon (keyboards, lead vocals – #CD-1- 8, background vocals)
Lee Kerslake (drums, background vocals)
Tracklist "Raging Through The Silence…":
- Bad Bad Man
- Cry Freedom
- Stealin'
- Too Scared To Run
- The Other Side Of Midnight
- More Fool You
- Blood Red Roses
- Mr. Majestic
- The Wizard
- July Morning
- Gypsy
- Easy Livin'
- That’s The Way That It Is
- Look At Yourself
- The Uriah Heep Story (Bonus Track)
DVD:
Identisch mit CD-Tracklist, aber ohne den Bonus Track.
Gesamtspielzeit: 50:29 (CD 1), 55:30 (CD 2), 93:00 (DVD), Erscheinungsjahr: 2017 (1989)
2 Kommentare
Carlo Luib-Finetti
29. Dezember 2017 um 10:30 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Hei! Einen Artikel zur Bandgeschichte schreiben und David Byron nicht einmal zu erwähnen, das geht gar nicht!
Markus Kerren
29. Dezember 2017 um 16:58 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Hi Carlo,
es mag für dich (und vielleicht ja auch viele andere Leser?) nicht so ganz deutlich rüber gekommen zu sein, aber bei meinen obigen Sätzen handelt es sich mitnichten um eine bzw. die Bandgeschichte von Uriah Heep, sondern um ein Review über ein Konzert aus dem Jahr 1989. Dass ich dafür grob die Geschehnisse der paar Jahre davor anreiße, muss an dieser Stelle genügen.
Und wenn du etwas genauer hinschaust, wirst du sehen, dass der Name David Byron sehr wohl in dem Review erscheint. Falls wir mal einen Artikel zur Bandgeschichte (oder die Jahre bis 1976) von Uriah Heep bringen, dann wird der Name Byron ganz sicher sehr oft fallen, denn – ganz ehrlich – die Alben bis einschließlich "High And Mighty" waren schon einzigartig und zählen auch zu meinen persönlichen Favoriten.
Beste Grüße,
Markus