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US Rails / Ivy – CD-Review

CD-Review-US Rails-Ivy

Es gibt Dinge im Leben, an denen einfach nicht zu rütteln ist und eine dieser Weisheiten, nämlich der Spruch »Nichts ist für immer«, hatte Ende des letzten Jahres auch die bis dahin wunderbar funktionierende Band US Rails eingeholt. Zu diesem Zeitpunkt nahm nämlich Joseph Parsons seinen Hut und verließ die Combo aus individuellen Songwritern, um eigene Wege zu gehen. Auf freundschaflicher Basis sei der Split verlaufen, wie es heißt. An ein Ende der Band wollten die verbliebenen Musiker Ben Arnold, Scott Bricklin, Tom Gillam und Matt Muir dennoch gar nicht erst denken und die Amerikaner beschlossen, fortan als Quartett weiter zu machen.

Zum Glück für die Fans, wenn man sich das neue Studioalbum "Ivy" so zu Gemüte führt. Der Drummer Matt Muir hielt sich diesmal beim Songwriting ganz raus, ansonsten wurde jedem beteiligten Bandmitglied die gleiche Anzahl Songs zugestanden. Fast, denn Ben Arnold hat mit vier Tracks ein ganz leichtes Übergewicht. Den Anfang macht jedoch Scott Bricklin mit der Midtempo-Nummer "Everywhere I Go". Die wie in einem Fiebertraum wirkenden Strophen werden von einem eingängigen Refrain abgelöst, dem sich ein feines Gitarrensolo anschließt. Auch die mehrstimmigen Gesangsparts sind hier wieder am Start, die das Bild gekonnt abrunden. Um gleich bei dem Bassisten zu bleiben, legt dieser im Verlauf der Scheibe mit "I’m A Lucky Man" die optimale Singleauskopplung vor. Rhythmus sowie Melodie meint man in ähnlicher Form zwar schon mal gehört zu haben, was der Qualität aber nichts nimmt. Sehr rhythmisch betonten Strophen folgt ein ebensolcher Refrain. Allerdings wird hier tempomäßig noch einen Gang höher geschaltet und der Titel geht so hervorragend ins Ohr, dass er dort eine ganze Zeit lang gar nicht mehr raus will. Bei der letzten Bricklin-Nummer handelt es sich um "Trouble Gonna Be", die über ein feines Gitarrenrock-Riff sowie Eagles-ähnlichen Harmonie-Gesang verfügt. Einer der vielen Höhepunkte der Scheibe.

"He’s Still In Love With You" von Ben Arnold hat einen deutlichen Pop-Appeal, in den Strophen unterstützt von einer schönen (wenn auch etwas in den Hintergrund gemixten) Wah Wah-Gitarre und ausgestattet mit einem rhythmisch akzentuierten Refrain. In "Not Enough" kommt dagegen seine herrlich heisere Stimme deutlich besser zur Wirkung. Eine super gelungene Ballade, erneut mit starker Gitarrenarbeit von Gillam. Bei "Gonna Come Sunshine" darf man – wie auf der gesamten Scheibe – ebenfalls nicht mit einem Rocker, sondern vielmehr mit gut abgehangenem Americana-Songwriting inklusive eingängigem Refrain rechnen. Ben Arnolds letzter Track "I’ve Got Dreams" beschließt die Scheibe dann auf ganz hohem Niveau.

Einer meiner absoluten Favoriten auf "Ivy" ist Tom Gillams "Colorado", bei dem man sich umgehend Richtung Texas und eine weitere großartige Ballade versetzt fühlt. Sehr starke Gesangsmelodien, klasse Songwriting und eine gute Portion Fernweh machen diesen Song aus. Wenn auch mit etwas angezogener Handbremse, kommt Gillams "Declaration" angerockt. Das liegt vor allem an der Produktion, die die Gesangsharmonien dann (bis auf das Gitarrensolo) doch deutlich mehr in den Vordergrund stellt. Auch "He’s Still In Love With You" erfreut mit einem rockigen Riff, wobei der Refrain dann allerdings nicht explodiert, sondern eher etwas Dampf aus der Nummer rausnimmt.

Meine Anspieltipps und Lieblinge dieses Albums lauten daher "Colorado", "I’m A Lucky Man" sowie "Not Enough", wenn man auch ganz klar sagen muss, dass es andererseits keinen einzigen Ausfall zu beklagen gibt.

Letztlich also wieder ein ganz feines Album der US Rails, selbst wenn ich mir hier den einen oder anderen Rocker gewünscht hätte. Das ist aber schon jammern auf hohem Niveau, denn die Songs, die Umsetzung, die Arrangements sowie der Sound sind erneut erste Sahne und so gut wie makellos. Bleibt zu hoffen, dass die Band US Rails von weiteren personellen Verlusten verschont bleibt. Die Amerikaner sind dieser Tage übrigens wieder auf den deutschen Bühnen unterwegs und dass sich ein Besuch lohnt, ist längst ein alter Hut.

Apropos Hut: Meinen ziehe ich hiermit vor dem sehr starken "Ivy".


Line-up US Rails:

Ben Arnold (piano, electric piano, acoustic guitars, synthesizer, lead vocals – #2,4,7,10)
Scott Bricklin (bass, acoustic & electric guitars, cigar box guitar, Hammond organ, lead vocals – #1,5,8)
Tom Gillam (acoustic-, electric- & slide guitars, lead vocals – #3,6,9)
Matt Muir (drums & percussion, background vocals)

With:
Eric Bazilian (mandolin – #3,8, leslie guitar – #3, 12-string electric guitar – #8)
Felix Beguin (acoustic slide guitar & banjo – #5)

Tracklist "Ivy":

  1. Everywhere I Go
  2. Way Of Love
  3. Colorado
  4. Gonna Come Sunshine
  5. I’m A Lucky Man
  6. He’s Still In Love With You
  7. Not Enough
  8. Trouble Gonna Be
  9. Declaration
  10. I’ve Got Dreams

Gesamtspielzeit: 39:46, Erscheinungsjahr: 2016

Über den Autor

Markus Kerren

Hauptgenres: Roots Rock, Classic Rock, Country Rock, Americana, Heavy Rock, Singer/Songwriter
Über mich
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Mail: markus(at)rocktimes.de

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