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Us3 / Hand On The Torch – CD-Review

Us3 macht auf "Hand On The Torch" Jazz, den Puristen meiden, wie der Teufel das Weihwasser oder man Bewohnern einer Forschungsstation in der Antarktis Badebekleidung verkaufen möchte.
1992 wurde die Band Us3 gegründet und war im gleichen Jahr mit der EP "Cantaloop" am Start. Die britische Formation veröffentlichte dann 1993 "Hand On The Torch". 2003, zum zwanzigjährigen Jubiläum erschien eine Doppel-CD mit Remixen und vier neuen Tracks.
Us3 ist im Wesentlichen das Projekt von Geoff Wilkinson. Bei vorliegender Platte war es auch noch Mel Simpson, der vorher seinen Kühlschrank durch das Komponieren von TV-Musik/Werbejingles füllte und bei der von Keef Hartley gegründeten Band Dog Soldier mit von der Partie war.

Die dreizehn Songs auf "Hand On The Torch" sind ungewöhnlich, besonders aus der zeitlichen Brille gesehen. Us3 paart Jazz mit Rap, Beats, Samples und handgemachter Musik von jungen Musikern. 1990, noch unter dem Namen NW1 schürte die Maxi-Single "Where Will We Be In The 21st Century?" Aufmerksamkeit und als eine weitere 12″ mit dem Titel "The Band Played The Boogie" folgte, » […] Geoff had unknowingly started a chain reaction. […]«
Us3 waren seiner Zeit beim Label Blue Note Records unter Vertrag und alle auf "Hand On The Torch" vorhandenen Samples stammen von Blue Note-Künstlern. Aus dem Pool der dreizehn Lieder hatte "Cantaloop (Flip Fantasia)" wohl den größten Erfolg. Die Herbie Hancock-Nummer ist der eisbrechende Opener des Albums und schon hier wird für den aufgeschlossenen, vorurteilsfreien Musik-Fan deutlich, worum es Us3 mit ihrer gewagten Kombination aus modernen Mitteln und Jazz ging. "Cantaloop (Flip Fantasia)" ist ein echter Türöffner. Andere eingesetzte Songs stammen von Reuben Wilson, Art Blakey/The Jazz Messengers, Big John Patton, Lou Donaldson, Thelonious Monk, Grant Green, Bobby Hutcherson oder Donald Byrd.

Die Rapper auf der CD sind Tukka Yoot (Bob Belden), Kobie Powell sowie Rahssan. Alle drei liefern einen vorzüglichen Job ab und mit Musikern wie Pianist Matthew Cooper (Incognito, Saw Loser, The Latin Project), Saxofonist Ed Jones Buddy Guy, Bootsy Collins, Incognito), Gitarrist Tony Remy (Jack Bruce, Pee Wee Ellis, Voodoo Funk, Simply Red), Trompeter Gerard Prescener (Joni Mitchell, Ray Charles, Charlie Watts) oder Saxofonist Mike Smith (PJ Harvey, Amy Winehouse, Blur, Gary Numan) gibt es quasi auch noch echte Sounds.

"The Band Played The Boogie" war sozusagen der Vorgänger von "Tukka Yoot’s Riddim". Beide Nummern enthalten Samples von Grant Greens "Sookie Sookie". Klar, bei dem Songtitel ist es Tukka Yoot, der rappt und Ed Jones spielt zu phasenweise heißen Funk-Rhythmen ein einerseits am Thema orientiertes, andererseits herrlich improvisiertes Saxofon.

Ganz abgesehen von den mit Samples unterlegten Tracks gibt es auch zwei Lieder, die reine Eigenkompositionen sind. Ohne einen Bezug zu Songs aus dem Blue Note-Archiv sind das relaxte mit Lounge-Atmosphäre versehene "Crusin'" und "Knowledge Of Self" mit seiner Vielschichtigkeit und elektronischen Spielereien Stücke, die perfekt ins Konzept der Scheibe passen.
Ganz fein ist der "Lazy Day". Hier hat man Bobby Hutchersons "Goin' Down South" als Basis hergenommen und die Samples des Vibrafonisten sind einfach klasse integriert. Auch Marie Harper als Backing Vocals-Sängerin ist perfekt eingebunden. Highlight! Zum Teil sind die Bläser-Improvisationen ganz schön freizügig und auch mit dieser Auslage findet der Hörer großen Gefallen an den verschiedenen Soli.

Zu all den Bläsern bildet der Guitarrist Tony Remy in gewisser Weise einen Kontrast. Er steht mit seinem samt-weichen Sechssaiter in "I Go To Work" prominent im Vordergrund. Toll! Ganz cool ist "Make Tracks". Matthew Cooper zeigt am Piano, welch wunderschönen Fantasien er auf den schwarzen und weißen Tasten kreieren kann. Ein Track, der virtuose Freude ausstrahlt.
"The Darkside", der Abschluss des Albums. Ohne eine musikalische Liaison zu anderen Blue Note-Künstlern ist es eine toll groovende Nummer, die man gerne der Electronica zuordnet. Die britische Formation Us3 erreichte in den USA mit "Hand On The Torch" als erste Blue Note-Platte Platinum-Status.

Aus meiner Sicht hat es Us3 mit viel Kreativität, Fantasie und sehr guten Musikern geschafft, nicht für möglich gehaltene Stile sehr erfolgreich zu kombinieren. Weitere acht Veröffentlichungen zwischen "Hand On The Torch" und der Jubiläums-Ausgabe belegen den Erfolg des Debüts.


Line-up Us3:

Geoff Wilkinson (programming, samples, scratching)
Mel Simpson (keyboards, programming)
Kobie Powell (rap)
Rahsaan (rap)
Tukka Yoot (rap)
Gerard Presencer (trumpet)
Steve Williamson (soprano saxophone)
Dennis Rollins (trombone, trumpet)
Ed Jones (soprano saxophone, tenor saxophone)
Mike Smith (tenor saxophone)
Matthew Cooper (piano)
Tony Remy (guitar)
Marie Harper (backing vocals)

Tracklist "Hand On The Torch":

  1. Cantaloop (Flip Fantasia)
  2. I Got It Goin' On
  3. Different Rhythms Different People
  4. It’s Like That
  5. Just Another Brother
  6. Crusin'
  7. I Go To Work
  8. Tukka Yoot’s Riddim
  9. Knowledge Of Self
  10. Lazy Day
  11. Eleven Long Years
  12. Make Tracks
  13. The Darkside

Gesamtspielzeit: 54:48, Erscheinungsjahr: 1993

Über den Autor

Joachim 'Joe' Brookes

Genres: Blues, Blues Rock, Alternative Music, Space Rock, Psychedelic Music, Stoner Rock, Jazz ...
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