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V.A. / Come On Up To The House – Women Sing Waits – CD-Review

V.A. - "Come On Up To The House - Women Sing Waits" - CD-Review

'Wow, was für eine interessante Idee!' war mein erster Gedanke, als ich dieses Album von seiner Plastik-Verpackung befreite. Tom Waits-Songs, die von Frauen interpretiert werden? Da schlich sich einerseits Skepsis bei mir ein, bot andererseits allerdings auch jede Menge Raum für neue Interpretations-Möglichkeiten, neue Ansatzpunkte zu den Songs und außerdem die Chance, diese oft etwas ruppigen oder oft auch mit reichlich männlicher Romantik umgesetzten Originale in einem ganz anderen Gewand zu erleben. Werden die Tracks nah am ursprünglichen Song einfach nachgespielt oder in ein neues Arrangement gepackt? Bezüglich der ausgewählten Stücke geht es von Waits' Debütalbum "Closing Time" (1973) bis hin zu "Orphans: Brawlers, Bawlers & Bastards" aus dem Jahr 2006, während einige Alben dazwischen außen vor gelassen und ein paar etwas stärker ("Heartattack And Vine" von 1980 sowie das 1985er "Rain Dogs" mit je zwei Titeln und "Mule Variations" aus dem Jahr 1999 gleich fünf Mal) frequentiert wurden.

Aus der letztgenannten Scheibe legt die Amerikanerin Aimee Mann mit "Hold On" schon mal ganz stark vor. Viel verändert wurde an dieser – sowie an vielen anderen, wie sich noch herausstellen sollte – Nummer nicht, aber Miss Mann glänzt sowohl mit ihrem Gesang, als auch der zurückhaltenden Gitarre. Und am wichtigsten von Allem: Sie hat die Seele des Stücks erfasst und verstanden, konnte also das spezielle Feeling dieses Titels ebenfalls 'festhalten'. Zwar anders als die Waits-Version, aber dennoch vom Feeling und der Aussage ins Volle getroffen kommt das sehr traurige und fast zerbrechliche "Georgia Lee", hier gebracht von der Indie Rock-Musikerin Phoebe Bridgers. Nicht überzeugend kommt dagegen die von The Wild Reeds interpretierte Version des Klassikers "Tom Traubert’s Blues", der ja auch schon von Rod Stewart in die Mangel genommen und zum Hit gemacht wurde. Hier geht mir das Feeling für den eigentlichen Song bzw. seinen tragischen Lyrics komplett ab, es ist fast so, als wenn die Band vom Blatt abspielen und -singen würde, völlig ahnungslos, worum es in dem Stück eigentlich geht.

Aber die gerade beschriebene Nummer ist glücklicherweise die Ausnahme (okay, "Downtown Train" von Courtney Marie Andrews bringt mich jetzt auch nicht unbedingt ins Schwitzen) unter dem Dutzend. Sehr stark und eines der Highlights ist die Version von "Ol' 55", interpretiert von den Schwestern Shelby Lynne und Allison Moorer, die das in diesem Stück beschriebene Gefühls-Chaos sehr gut einfangen. Dazu wirklich hervorragend gesungen. Und dann ist da der ganz starke Mittelteil des Albums, der aus den Tracks "Jersey Girl" (von einer hervorragenden Corinne Bailey Rae), "Ruby’s Arms" (von der nicht minder guten Patty Griffin) sowie "Time" besteht. Der letztgenannte Song wird von Rosanne Cash sehr gefühlvoll und gekonnt interpretiert.

Was dieser Zusammenstellung irgendwie immer anhängt, ist dass man die darauf enthaltenen Stücke als Tom Waits-Fan doch immer sehr aus der maskulinen Gefühlswelt empfunden und mitgefühlt hat und diese logischerweise auch aus diesem Blickwinkel geschrieben wurden. Zeitweise gelingt es den Ladies sehr gut, die Lyrics aus der weiblichen Sicht zu interpretieren, manchmal (was man zumeist an Betonungen bestimmter Textzeilen oder Worte erkennen bzw. erfühlen kann), geht es dann doch in eine andere Richtung.

Aber was letzten Endes noch einmal richtig deutlich wird ist die Tatsache, dass diese im Original teilweise etwas krude oder verquer gebrachten Tracks richtig gute Kompositionen mit jeder Menge Melodie sind. Somit handelt es sich bei "Come On Up…" dann auch um eine hochinteressante Compilation, die nach dem Genuss dieser gut 55 Minuten dann auch direkt große Lust erweckt, sich wieder mal ausgiebig mit seiner Tom Waits-Sammlung auseinander zu setzen.


Tracklist "Come On Up To The House…":

  1. Joseph – Come On Up To The House
  2. Aimee Mann – Hold On
  3. Phoebe Bridgers – Georgia Lee
  4. Shelby Lynne & Allison Moorer – Ol’55
  5. Angie McMahon – Take It With Me
  6. Corinne Bailey Rae – Jersey Girl
  7. Patty Griffin – Ruby’s Arms
  8. Rosanne Cash – Time
  9. Kat Edmonson – You Can Never Hold Back Spring
  10. Iris Dement – House Where Nobody Lives
  11. Courtney Marie Andrews – Downtown Train
  12. The Wild Reeds – Tom Traubert’s Blues

Gesamtspielzeit: 55:44, Erscheinungsjahr: 2019

Über den Autor

Markus Kerren

Hauptgenres: Roots Rock, Classic Rock, Country Rock, Americana, Heavy Rock, Singer/Songwriter
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Mail: markus(at)rocktimes.de

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