Jaaa, da war doch mal was … Ende der neunziger Jahre erschien ein (mir durch die Lappen gegangenes) Buch mit dem schönen Namen "Ich liebe Musik". Nun hat es zwar gute zwanzig Jahre bis zum Nachfolger gedauert, was aber noch lange nicht bedeutet, dass "… Vol. 2" den Spruch 'Besser spät, als nie!' nicht auch für sich beanspruchen darf. Wow, alleine der Titel klingt nicht nur sehr interessant und macht neugierig, sondern setzt umgehend auch meine eigenen Gedanken in Gang … Bestimmte Lebenssituationen und der dazugehörige Soundtrack, ein ganz bestimmter Song bzw. ein ganz bestimmtes Album oder Konzert zu einem markanten Erlebnis … das kann sehr tief sitzen, immer im Herzen und so glasklar und rein in der Erinnerung bleiben, als wären keine Jahre, keine Jahrzehnte seither vergangen. Und ganz ehrlich, manche Songs verpassen mir aufgrund dessen – und auf dem falschen Fuß erwischt – nach wie vor einen regelrechten Schlag in den Magen oder treiben mir im Extremfall sogar mal ein paar Tränchen in die müden Augen…
Schön, dass es ganz offensichtlich noch sehr viel mehr Menschen gibt, denen (Rock-) Musik genauso sehr viel bedeutet, dachte ich so bei mir. In 69 Beiträgen steuern hier also fast oder genauso viele Leute ihre eigenen Erlebnisse zu bestimmten Songs bei. Das geht auch super los … und zwar mit Manja Barthel, die von einem ganz speziellen ihr widerfahrenen spirituellen Zustand während eines Konzertes berichtet. Klasse zu lesen und den Leser ergreift umgehend eine alles umfassende Empathie. Leider gibt es jedoch auch (für mich gefühlt zu viele) Fehlgriffe, Artikel, bei deren Lesen man manchmal die Idee hat, dass der Gedankengang des/r jeweiligen Autors/rin wie folgt ausgesehen haben könnte: »Bitte was? Ich soll was schreiben? Okay, mach ich natürlich … oh, da soll es um einen speziellen Song/meinen Lieblings-Song gehen? Mist, hab ich doch gar nicht … egal, ich schreib mal was, nehme den Songtitel mit in die Überschrift und dann wird es schon okay sein …«
Das mag etwas hart ausgedrückt sein, aber manchmal hat man den Eindruck, dass hier (durchaus coole und unterhaltsame) Jugend- um Jugend-Erinnerungen erzählt werden, das eigentliche Ziel jedoch völlig aus den Augen verloren oder (im schlimmsten Fall einfach ignoriert) wurde. In der Schule hätte mein Deutsch-Lehrer damals drunter geschrieben »Thema verfehlt … 6«. Und jetzt komm' mir bloß keiner mit 'künstlerischer Freiheit'. Wenn ich über 'Rot' schreiben soll und schreibe tatsächlich über 'Grün', dann ist knapp daneben eben auch vorbei. Aber gut, die Schule haben wir bzw. die allermeisten von uns ja bereits hinter sich gelassen, da darf man das offensichtlich auch schon mal. In mindestens der Hälfte der Beiträge geht es um eine Jugend in der damaligen DDR und/oder Erlebnisse damit verbundener Reisen ins befreundete antikapitalistische Ausland wie Rumänien oder die Sowjetunion. Für einen im Westen Aufgewachsenen ist dann auch immer wieder mal spannend zu lesen, wie schwierig es für die ostdeutsche Jugend offensichtlich war, überhaupt mal einen Finger an die Musik des Klassenfeindes zu bekommen.
Aber nochmal zurück, die in diesem Buch enthaltenen Geschichten sind alle kurzweilig und unterhaltsam zu lesen, weshalb es auch alles andere als ein Fehlgriff ist. Mir persönlich hat nur leider zu oft der Bezug zur Musik oder dem jeweils im Titel der Geschichte genannten Song gefehlt. Eine Bauchgeschichte … ein Bauchgefühl … wie eben auch die Musik in den allermeisten Fällen reine Bauchsache ist. Also nix für ungut, ich werde mich trotzdem auch nochmal auf die Suche nach dem ersten Buch begeben, denn Spaß macht diese Lektüre ja trotzdem!
Herausgeber: Jörg Hiecke, Rene Seim
Windlustverlag, 1. Auflage, 2020
ISBN-10: 3982051916
ISBN-13: 978-3982051918
Preis: 21,90 € (D)
236 Seiten, gebundene Ausgabe
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