Während einer jahrzehntelangen Karriere eines Musikers bleiben unweigerlich immer auch viele Arbeiten, sprich Songs, Texte, Kompositionen oder auch Gedichte unveröffentlicht. Nun ist die Popularität des am 12. September 2003 verstorbenen Country-Stars Johnny Cash nach wie vor nicht nur ungebrochen, seine Fans fordern nach wie vor immer noch neues Material. Und wenn solches laut seinem Sohn John Carter Cash schon mal vorliegt (O-Ton: »…und das massenhaft!"«), warum es dann nicht auch veröffentlichen? Das Projekt "Johnny Cash – Forever Words" startete in Deutschland am 1. Februar 2018 mit der Herausgabe eines gleichnamigen Buches, das Gedichte und Texte des 'Man In Black' enthielt, die oft auch sehr persönlicher Natur waren bzw. sind. Die ganze Arbeit daran, wie etwa das Sichten und die Auswahl der Arbeiten, begann jedoch bereits einige Jahre vorher. Und gleichzeitig bat der Sohnemann Cash sowohl befreundete als auch bekannte Musiker, diese bzw. einige der Texte zu vertonen. Und deshalb liegt "…Forever Words" nun auch auf Doppel-Vinyl und prallen 16 Tracks vor.
Und die Namen der vertretenen Musiker lassen sich durchaus sehen, wie wir im weiteren Verlauf dieses Reviews noch feststellen werden. Den Anfang machen passenderweise Cashs alte Weggefährten Willie Nelson (Akustik-Gitarre) und Kris Kristofferson (Stimme), die den ersten Track nicht singen, sondern rezitieren. Brad Paisley liefert ein feines "Gold All Over The Ground" ab, bevor Chris Cornell mit "You Never Knew My Mind" das erste absolute Highlight dieser Scheibe setzt. Ein sehr persönlicher Text von Cash, der hier wahnsinnig intensiv von dem mittlerweile ebenfalls verstorbenen Cornell umgesetzt wurde. Absolut spitze! Alison Krauss macht bei "The Captain’s Daughter" ebenfalls eine sehr gute Figur, wenn auch mehr durch ihren einfühlsamen Gesang, als den Song selbst.
Kein geringerer als T-Bone Burnett eröffnet die zweite Seite mit einem etwas düsteren Americana-Sound, der den Text jedoch ganz hervorragend reflektiert. Nicht nur Burnetts Stimme überzeugt hier, auch der Vortrag erinnert so stark an Johnny Cash, dass man das Stück im Kopf von diesem gesungen hören kann. Seine älteste Tochter Rosanne Cash führt das Projekt meisterlich mit dem melancholischen "The Walking Wounded" weiter, bevor John Mellencamp das Tempo bei "Them Double Blues" wieder deutlich anzieht. Da steckt auch jede Menge Qualität in den Details, wie etwa in den Harmony Vocals von Jana Hoyt Westcott. Jewels "Body On Body" mag zunächst etwas schwülstig klingen, wächst aber nach einigen Durchläufen deutlich.
Mit Streichern und dann Piano startet Elvis Costello das Lamento "I’ll Still Love You", das man stilistisch auch in die ganz frühe Phase von Tom Waits einordnen könnte. Von den Vibes und der Atmosphäre hebt sich diese Nummer deutlich von den bisherigen ab. Carlene Carter ist die Tochter von June Carter-Cash aus einer früheren Ehe, also Johnny Cashs Stieftochter, die hier mit "June’s Sundown" ebenfalls eine eher melancholische Interpretation eines Cash-Textes hinterlassen hat. Feine Hillbilly-/Bluegrass-Kost bringen Dailey & Vincent zu einem religiösen Text, bevor I’m With Her die dritte Seite mit "Chinky Pin Hill" ebenfalls akustisch, aber dennoch wieder eine komplett andere Klangfarbe setzend, beendet. Auf Seite 4 wird es mit Robert Glasper feat. Ro James and Anu Sun dann geradezu abenteuerlich, zumindest wenn man hier weiterhin auf Country- oder Americana-Sounds gesetzt hatte. Electronic Pop goes Roots Music. Interessant, aber ganz sicher gewöhnungsbedürftig. Im Anschluss lassen The Jayhawks dann die handgemachte Musik wieder aufleben und legen mit "What Would I Dreamer Do" das zweite Highlight dieses Doppel-Albums vor. Ebenfalls ruhig gehalten, dafür aber mit einer wunderschönen Melodie und massenhaft Feeling versehen. Der Abschluss gehört dann Jamey Johnson und seiner Lesung von "Spirit Rider", bei der er lediglich von Trompete, Saxofon und dem Flügelhorn begleitet wird.
Insgesamt ein gutklassiges Album, das bei dem immer schwierigen Unterfangen Texte einer verstorbenen Legende mit seiner eigenen Komposition zu vertonen, entstanden ist. Es gibt Höhepunkte wie die Beiträge von Chris Cornell oder auch The Jayhawks, sehr viel weiteres gutes Material, aber je nach Gusto auch mal Unpassendes bzw. nicht ganz so stark Gelungenes. Erstmal anchecken ist nicht verboten und Johnny Cash-Fans sowie alle, die es noch werden wollen, werden bereits sehr schnell feststellen, ob sie diese Scheibe mögen werden.
Tracklist "Johnny Cash – Forever Words":
- Kris Kristofferson & Willie Nelson – Forever/I Still Miss Someone
- Ruston Kelly & Kacey Musgraves – To June This Morning
- Brad Paisley – Gold All Over The Ground
- Chris Cornell – You Never Knew My Mind
- Alison Krauss & Union Station – The Captain’s Daughter
Side 2:
- T-Bone Burnett – Jellico Coal Man
- Rosanne Cash – The Walking Wounded
- John Mellencamp – Them Double Blues
- Jewel – Body On Body
- Elvis Costello – I’ll Still Love You
- Carlene Carter – June’s Sundown
- Dailey & Vincent – He Bore It All
- I’m With Her – Chinky Pin Hill
Side 4:
- Robert Glasper feat. Ro James & Anu Sun – Goin', Goin', Gone
- The Jayhawks – What Would I Dreamer Do?
- Jamey Johnson – Spirit Rider
Gesamtspielzeit: 16:17 (Side 1), 15:56 (Side 2), 13:07 (Side 3), 11:54 (Side 4), Erscheinungsjahr: 2018
1 Kommentar
Mario Keim
19. Mai 2018 um 0:38 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Beim Lesen dieser Zeilen wird mir einmal mehr bewusst, welches (Massen-)Phänomen Johnny Cash noch immer ist. Obgleich ich gar kein ausgemachter Fan dieser Musikrichtung bin… Ich habe aber schon zwei verschiedene Tribute-Bands live gehört und jedes Mal herrschte eine ausgelassene Feststimmung. Hinzu kommt, dass es dabei auch eine gute Portion Fans der jüngeren Generation gab, die dieser Musik andächtig lauschte. Somit dürfte klar sein, dass die Musik von Johnny Cash immer lebendig sein wird!