«

»

V.A. / Mo Peaches Vol. 1 – Southern Rock That Time Forgot! – CD-Review

V.A. / Mo Peaches Vol. 1 - Southern Rock That Time Forgot

Spezialgelagerte Sonderfälle im Nebel der Sümpfe

Jetzt waren wir doch vor kurzem beim Thema der musikalisch spezialgelagerten Sonderfälle. Der neue Mailorder- und Label-Wurf 'Juke Joint 500' von 'Glitterhouse Records'-Mitbegründer, Reinhard Holstein ist vorerst das I-Tüpfelchen dessen mutiger Spezialisierungsideen und soll die zeitgenössische Musik des amerikanischen Südens im Dunstkreis von Southern-, Country-, Swamp-, Blues- und Rootsrock der letzten 25 Jahre aus dem Nebel des Vergessens in das klare und ungetrübte Bewusstsein der genau damit sympathisierenden Musik-Nerds hieven, die zudem den Tonträgern im Allgemeinen noch nicht abgeschworen haben. Dabei ist es dem Label ein Anliegen, weitestgehend auf Veröffentlichungen zurückzugreifen, die lediglich in kleinen Auflagen erschienen waren … privat (beispielsweise über 'CD Baby') oder von Kleinstlabeln und lediglich als Polycarbonat. Diese Schätze sollen gehoben und auch erstmalig als Vinyl zu fairen Preisen zugänglich gemacht werden.

Wer nun denkt, dass diese Töne hierzulande so nachgefragt seien wie Corona-Viren in der Kultur- oder Gastronomie-Branche, sei kurz auf das Archiv dieses Magazins verwiesen, in welchem sich nachlesen lässt, was sich vor rund 15 Jahren so alles in den Sümpfen des Spreewalds abspielte.
Das vorliegende Produkt dieser Rezension hätte den damaligen Protagonisten sicherlich hervorragend gefallen und wird es mit einiger Wahrscheinlichkeit auch immer noch tun.

Reinhard Holstein bleibt mit dieser Veröffentlichung seinem Credo des spezialgelagerten Sonderfalls treu und orientierte sich bei der Gestaltung des Samplers und seiner optischen Präsentation bei einer uralten Marketing- und Promotion-Idee des Kultlabels 'Capricorn', welches vor rund 45 Jahren über die Mailorder-only Reihe 'Loss Leaders' Doppel-LPs mit den Titeln "Peaches" und "Peaches Vol. 2" (Untertitel: "Pick Of The Crop") für jeweils 2$ unters Volk brachte, um auf diesen das gesamte Label-Künstlerspektrum im Bereich Southern- und Countryrock zu präsentieren.
Reinhard Holstein wiederum offeriert seinen Sampler mit dem Titel "Mo' Peaches", der den vielsagenden Untertitel "Southern Rock That Time Forgot" trägt und auf der Fronthülle den halben Pfirsich reaktiviert, der für die originalen "Peaches"-Sampler so charakteristisch war.

Inhaltlich bewegt er sich auf der Zeitschiene zwischen 1995 und 2016 und beinhaltet Künstler, die allesamt lediglich regional ihren Wirkungskreis entfalte(te)n und denen bislang durch die Bank keinerlei durchschlagender Erfolg beschieden war. Das mag in erster Linie dadurch begründet sein, dass in den USA einfach ein unendlich großer Pool von hervorragenden MusikerInnen aller Genres um Beachtung ringt, aus dem dann lediglich ein paar Wassertropfen an der Trophäe des Erfolgs entlang perlen.

Somit ist "Mo' Peaches" also etwas für spezialgelagerte Schatzsucher und überrascht schon einmal dadurch, dass sich die Herkunft der Preziosen als recht vielfältig herausstellt, wo sich Indiana, Arkansas, Alabama, Washington D.C., Kalifornien, Colorado, West Virginia, Illinois und Mississippi gegenseitig die Klinke in die Hand geben.

In Deutschland dürften Alligator Stew am 'bekanntesten' sein, deren gleichnamiges Debüt von 2000 ein Jahr später vom kurzlebigen deutschen Southernrock-Label 'Halycon Music' mit dem Titel "A First Taste Of Alligator Stew" lizenziert wurde. In den besagten Sümpfen des Spreewalds war diese Band mit Frontmann Gary Jeffries, der auf "Lousiana Man" wie der selige Chris Burroughs zu Zeiten von "West Of Texas" (1988) klingt, der heiße Scheiß … zusammen mit einem gewissen Judge Parker, der in Wirklichkeit Isaak C. Parker heißt und als Richter und Henker in Personalunion in der Zeit von 1875 bis 1896 zwischen Arkansas und Oklahoma sein Unwesen trieb … die Brüder Larry und Arthur Pearson benannten 1988 ihre Band nach dieser Vorlage für den John Wayne-Western "True Grit" ("Der Marshal", 1969) und debütierten 1998 mit ihrem gleichnamigen Album. Auf "Slow Down Irene" betreibt die Formation kontraproduktiven High-Energy Rock’n Roll im Südstaatengewand mit infektiösem Klimper-Piano.

Neben der nicht völlig überraschenden Schnittmenge aus Lynyrd Skynyrd, Kid Rock, Vince Gill und Allman Brothers Band stechen ansonsten noch die Milchbubis der Chase Walker Band aus dem kalifornischen Riverside mit ihrer jugendlich naiven Knarz-Interpretation von Hendrix’s "Red House" hervor – eine 'Schülerband' mit Potential –, und John Mohead, dessen "Due South" noch sumpfiger erklingt, als es der Spreewald jemals sein könnte.

Fazit:
Zehn Songs, neun Bands und ein Solist, Cowboy-Boots, Whiskey, Metallröhrchen, die an Gitarrenhälsen entlanggleiten … bekannte Zutaten, doch in dieser Konstellation weitab dessen, was selbst Genre-Interessierte in Gänze jemals gehört haben dürften. Reinhard Holstein macht sehr neugierig darauf, was noch so alles in diesem Sub-Kosmos aus dem Nebel herausgeholt werden kann, zumal allen gehobenen Schätzen auf "Mo' Peaches" absolutes Profi-Niveau attestiert werden kann.
Das Vinyl gibt es koloriert und limitiert auf 500 Stück, die Polycarbonat-Ausgabe sollte dieser Tage dann auch lieferbar sein. Volume 2 darf gerne kommen!


Tracklist "Mo Peaches Vol. 1":

  1. John Mohead – Due South (4:30)
  2. Alligator Stew – Louisiana Man (4:08)
  3. Judge Parker – Slow Down Irene (4:09)
  4. Bishop Black – Long Road To Bama (3:34)
  5. Morrison Brothers Band – Little Miss Whiskey (3:25)
  6. Chase Walker Band – Red House (4:39)
  7. Railbenders – Black Chrome Horse (2:56)
  8. Alligator Jackson – Enjoy The Ride (3:19)
  9. Eat A Peach – Ain’t Wastin' Time No More (4:57)
  10. The Remus Tucker Band – Bury Me On The Banks Of Mississippi (5:37)

Gesamtspielzeit: 41:14, Erscheinungsjahr: 2020 (LP, CD)

Über den Autor

Olaf 'Olli' Oetken

Beiträge im Archiv
Hauptgenres (Hard Rock, Southern Rock, Country Rock, AOR, Progressive Rock)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>