Ja, man kann schon behaupten – das war einer der Höhepunkte des Jazz der vergangenen Jahre! Der in Moskau geborene und seit 1973 in New York lebende Weltklasse-Trompeter Valery Ponomarev zählt seit geraumer Zeit zu unseren Freunden, spätestens, als er Anfang der zweitausender Jahre ein Gastspiel hier am Ort gab, damals unter anderem mit dem Saxofonisten Don Braden. Zuvor hatte ich Valery zuletzt im hiesigen Pumpwerk mit den Jazz Messengers des Star-Drummers Art Blakey erleben dürfen. Valery beabsichtigte in diesem Jahr eine kurze Europatournee zu unternehmen. Und damit ein erneutes freundschaftliches Treffen zustande kommen konnte, bemühte ich mich, der Band auch hier in regionaler Umgebung eine Auftrittsmöglichkeit zu verschaffen. Und das war gar nicht so einfach. Ohne auf nähere Details einzugehen, bestimmt zehn Ablehnungen aus mitunter nicht nachzuvollziehenden Gründen gab es, bis sich die Jazzakademie an der Nordsee in Jever zur Zusammenarbeit bereit erklärte.
Stellvertretend für das Veranstalterteam hatte sich Martin Dehrendorf darum gekümmert und nach Rücksprache mit dem Bürgermeister, Jan-Edo Albers, gab es grünes Licht für diese Veranstaltung. Wie Martin Dehrendorf mit seinen einleitenden Worten zum Ausdruck brachte, waren es gut sechs Monate voller Spannung und Vorfreude, dieses exzellente Jazz-Häppchen genießen zu dürfen.
Im Vorprogramm stellte sich die Jazzakademie-Masterclass mit den Highlights von 2019 vor. In wechselnden Besetzungen inklusive zweier Sängerinnen stellte man in einer halbstündigen Show unter anderem einige Klassiker der Jazzgeschichte vor und konnte so lebhaft swingend auf den Haupt-Act vorbereiten. Dann stürmte ein gutgelaunter, mittlerweile sechsundsiebzig Jahre alter Valery Ponomarev wie ein Wirbelwind auf die Bühne und konnte alsbald gute Laune verbreiten. Dabei griff er auf eine international besetzte Band zurück, zwei Musiker aus Spanien, ein Schweizer und ein Deutscher. Der, auch in New York lebende, Schweizer Schlagzeuger Joris Dudli und Valery hatten sich in den Neunzigern in New York kennen gelernt, beide traten später gemeinsam in Europa auf, und so kam es schließlich zu dieser, vom 13. November bis zum 2. Dezember dauernden Tournee, unter dem Titel 'Forever Art' (= doppeltes Wortspiel: Art (Blakey) /Kunst).
Im Graf-Anton-Günther-Saal des Rathauses in Jever wurde ein Feuerwerk der Jazzkunst abgefeuert, zum hundertsten Geburtstag Art Blakeys, in dessen Jazz Messengers Valery von 1974 bis 1980 mitspielte, und dabei auf etlichen Schallplatten zu hören ist. Bewundernswert ist die nie zu versiegen scheinende Energie des Trompeters, der es verstand, seine Mitmusiker wie das Publikum stets mitzureißen. So erwies er sich nicht nur als leidenschaftlicher Interpret, sondern auch als quirliger gutgelaunter Entertainer, immer forderte er zum wohlverdienten Applaus für seine Mitspieler auf, und erklärte, dass der Beifall schließlich auch der Lohn oder das Brot für die Musiker sei.
Aber Anlass genug für Beifallsbekundungen gab es schließlich auch. Eigenkompositionen wie "Blue For Two" (hierzu ließ Valery noch raten, von wem die Komposition stammt. Gut, es ist seine, und er war stolz darauf, dass Art Blakey sie in das Repertoire aufgenommen hatte) oder "Gina’s Cooking", wechselten mit Stücken von Charlie Parker oder einer Komposition von Joris Dudli, die er passenderweise mit "Art" betitelte. Hierbei führte er auch die berühmten Snare Drum Rolls von Blakey vor und baute darauf auf.
Ich hatte Valery bereits vorher darum gebeten, für meine Frau als nachträgliches Geburtstagsgeschenk einen ihrer Lieblingssongs, "Summertime", zu spielen, keine Frage, das war versprochen, also geschah es. Als wir vor dem Konzert noch einmal darüber sprachen, nahm er sich kurzerhand die beiden Vokal-Interpretinnen der Jazzakademie-Masterclass zur Seite und bat sie, mit auf der Bühne gemeinsam jeweils einen Song zu performen. Angesichts dieser Ehre wurden daher einmal "Summertime" und eine Version von "How High The Moon" vorgetragen. Darüber hinaus gab es noch ein instrumentales Ständchen ("Happy Birthday") und ein Geschenk.
Neben den vorwiegend am typischen Hard Bop und insbesondere an der Musik von Art Blakey’s Jazz Messengers orientierten Musik wurden eigene Stilelemente mit großer Leidenschaft integriert. Elemente des rasend schnellen Bebops wurden ebenso einbezogen als auch wunderschöne Balladen wie "Love For Sale". Neben den üblichen Themen, vorgetragen von Trompete und Saxofon, auch einmal im Thema mit wechselndem Einsatz, wurden spontan eigene Ideen und Arrangements vorgestellt. Für mich war einer der Höhepunkte jene längere Passage, wo nur Valery und Joris zusammen swingten.
Der musikalische Leiter, der Pianist Lluis Capdevila, ist ein äußerst virtuoser und ideenreicher Solist und verstand es, als solcher und Teil der Rhythm Section, eine ungeheure Dichte im Verbund mit den Anderen herzustellen. Wesentliches Bindeglied war der mit großartigem Engagement und voller Leidenschaft agierende Bassist Ignasi Gonzales. Dahinter war es Joris Dudli, der mit swingender und ideenreicher kraftvoller Energie den Antrieb stellte. Darüber glänzte, neben dem Pianisten, als Solist Valery mit seinem unverkennbaren Trompetensound, der immer noch kraftvoll und flüssig mit harmonischer Kraft vollzogene Energie fließen ließ. Man spürte, diese Emotionen kamen tief aus der Seele, aus dem Herzen. Als ebenfalls sehr virtuos in seinen Solobeiträgen stellte sich der Tenorsaxofonist Ralph Reichert vor. Der Musiker betreibt mit seinem Bruder den traditionellen Jazzclub Birdland in Hamburg. Mit lang gezogenen virtuosen Melodiebögen und gelegentlichen Ausbrüchen sorgte er für eine mitreißende Performance und zog sich dadurch lange Beifallsbekundungen zu.
Zum Abschluss, in den erfreulicherweise langen zweiten Set integriert, dann der Vorbote des Konzertabschlusses, "The Theme", eigentlich bekannt durch Miles Davis, doch Valery hat es einst auch als "N.Y. Theme" interpretiert. Doch ein absoluter Klassiker von Benny Golson, während dessen Wirken bei Blakey entstanden, sollte den Abschluss darstellen, und so verabschiedete man sich mit einer lockeren Version vom "Blues March".
Am Ende war es ein gelungener Abend, einerseits, einen langjährigen guten Freund wiederzutreffen und andererseits, eine persönliche Sternstunde des Jazz' erlebt zu haben mit einer lebenden Legende des Jazz. Vielen Dank an die Jazzakademie an der Nordsee für die Realisierung dieses Konzerts.
Line-up Valery Ponomarev Quintet:
Valery Ponomarev (trumpet)
Ralph Reichert (tenor saxophone)
Lluis Capdevila (piano)
Ignasi Gonzales (bass)
Joris Dudli (drums)
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