«

»

Van Morrison / The Authorized Bang Collection – CD-Review

Van Morrison - The Authorized Bang Collection - CD-Review

Aufregungen, Zerwürfnisse, Streitereien und Sturheiten gab es in der Karriere des Nordiren Van Morrison jede Menge. Die waren zumindest teilweise seinem eigenen Charakter geschuldet, aber den gefühlt vielleicht kräftigsten Schlag ins Gesicht empfand der Frontmann wohl nach dem von ihm ungewollten und nicht autorisierten Release seines ersten Soloalbums "Blowin' Your Mind". Dabei hatte eigentlich alles sehr vielversprechend begonnen. Nachdem Morrison überhaupt nicht mehr glücklich in seiner Band Them (die immerhin Klassiker wie u. a. "Gloria", die beste Version von "It’s All Over Now, Baby Blue" oder auch "Here Comes The Night" fabrizierten) war, lockte plötzlich ein Angebot des in den USA ganz frisch gegründeten Labels Bang Records, bei dem er nur zu gerne einen Vertrag als Solokünstler unterschrieb.

Mit der Intention – und wie mit dem (ursprünglich empfunden) auf einer Wellenlänge liegenden Label-Chef Bert Berns vereinbart – ging der gute Van dann ins Studio, um einige Songs für Single-Veröffentlichungen aufzunehmen. 16 Tracks kamen dabei heraus, wovon die besten ausgesucht werden sollten. Und das ließ sich auch richtig gut an, denn direkt die erste 7″-Single mit Namen "Brown Eyed Girl" erreichte im Juni 1967 einen überaus großartigen Platz 10 in den US Billboard Charts und war darüber hinaus auch in Kanada sowie den Niederlanden in den Top15 vertreten. Nachdem zwei weitere Singles ("Ro Ro Rosey" und "Spanish Rose") deutlich schlechter liefen, trieb den Protagonisten im September 1967 geradezu zur Weißglut, dass das Label offensichtlich ein Album aus den Aufnahmen zusammengestellt und veröffentlicht hatte. Nach eigener Aussage musste er – als er das Album-Cover zum ersten Mal sah – »…fast kotzen… es erforderte all meine Kraft, die Contenance zu wahren…«

Nun soll es ja tatsächlich auch noch Leute – wie den Verfasser dieser Zeilen – geben, die das Debüt des eigenwilligen Sängers und Songwriters noch nicht kannten. Das hat sich zwar immer noch nicht geändert, aber mit "The Authorized Bang Collection" liegen mir nun sämtliche Aufnahmen vor, die der Brite für das Label Bang Records eingespielt bzw. -gesungen hatte. So steht es zumindest geschrieben, wobei man sich – wenn hier beispielsweise der 14. Take von "Spanish Lady" enthalten ist – natürlich fragt, was mit den anderen zwölf bzw. 13 passiert ist. Egal, die erste CD enthält sämtliche acht Tracks des Original-Albums, allerdings in den Original-Mono-Abmischungen. Auf CD 2 sind dann alternative Versionen bzw. sogenannte 'work in progress takes' vertreten. Durchaus interessant, selbst wenn diese Aussage in erster Linie für die Fans des aus Belfast stammenden Barden zutrifft.

Dem Album selbst merkt man natürlich an, dass es etwas unzusammenhängend bzw. konzeptlos war, denn woher sollte dieses auch kommen? Zu grandiosen Glanzstücken wie "Brown Eyed Girl" oder "T.B. Sheets" braucht man wohl kaum noch etwas zu schreiben und das richtig gut umgesetzte bzw. arrangierte Traditional "Midnight Special" dürfte in der ein oder anderen Version ebenfalls bekannt sein. Ohne jegliche Chart-Chance, dafür aber ungeheuer atmosphärisch dicht, sehr bluesig und gefühlvoll kommen sowohl "He Ain’t Give You None" als auch "Who Drove The Red Sports Car". "Spanish Rose" kann man ohne Bedenken als Geschmackssache charakterisieren, "Ro Ro Rosey" ist eine coole Socke von Song und die Coverversion von "Goodbye Baby (Baby Goodbye)" geht immerhin als guter Album-Track durch. Die übrigen Stücke zeigen unverblümt die Größe Van Morrisons als Songwriter und Sänger auf. Erwähnenswert ist noch, dass hier eine frühe Version von "Madame George" vertreten ist, das dann auf dem nächsten Album Astral Weeks in der finalen Version erscheinen sollte.

Ach ja, und dann ist da noch die dritte CD. Nach dem Zerwürfnis des stinksauren Nordiren mit Label-Chef Bert Berns war an eine weitere Zusammenarbeit natürlich nicht mehr zu denken. Morrison war vertraglich allerdings zu weiteren Aufnahmen verpflichtet, worauf er sich zähneknirschend nochmal ins Studio begab. Aber da Rache süß ist, lieferte er hier lediglich noch 'unbrauchbares' Material ab, das auf der anderen Seite vom Label – ebenfalls zähneknirschend – allerdings akzeptiert werden musste. Trotz dem hohen Nonsens-Faktor vieler dieser 31 Nummern finden sich dennoch einige richtig gute Titel. "Hold On George" ist z. B. ein klasse Stück bzw. hätte eines werden können, wäre die Idee zu Ende geführt worden. Wenn man sich ansonsten die Titel der ersten fünf Songs anschaut, kann man bereits erahnen, dass es sich dabei um den (fast) selben Song handelt. Den Hörer beschleicht anhand von Songtiteln wie "Here Comes Dumb George", "Dum Dum George" oder "Goodbye George" auch schnell der Verdacht, dass 'George' nicht unbedingt die Vorgeschichte zu "Madame George", sondern vielmehr der Deckname für Label-Chef Bert Berns war.

Ansonsten? Jede Menge (zeitweise himmelschreiender) Blödsinn in Form von "The Big Royalty Check", "Ring Worm", "You Say France And I Whistle", "Blowin' Your Nose", "Nose In Your Blow" oder "Want A Danish". Versteht man die Texte und geht zum Lachen nicht unbedingt in den Keller, dann wird man hier Zeuge einer höchst unterhaltsamen Comedy Show.

Fazit: Der Meister selbst verachtet "Blowin' Your Mind" bis zum heutigen Tag und und verweigert der Scheibe schlicht und ergreifend die Anerkennung als sein erstes Solo-Werk. Viele dieser Aufnahmen waren bereits auf vorherigen Veröffentlichungen erhältlich, aber mit "The Authorized Bang Collection" erhält man das wohl komplette Paket von allem, was aus diesen Sessions im Jahr 1967 verwendbar war. Für Van Morrison-Fans eine durchaus lohnenswerte Sache, Einsteigern würde ich dagegen eher Alben wie Moondance, His Band And The Street Choir (beide aus dem Jahr 1970) oder "Tupelo Honey" (1971)  empfehlen.


Tracklist "The Authorized Bang Collection":

CD 1 "The Original Masters":

  1. Brown Eyed Girl
  2. He Ain’t Give You None
  3. T.B. Sheets
  4. Spanish Rose
  5. Goodbye Baby (Baby Goodbye)
  6. Ro Ro Rosey
  7. Who Drove The Red Sports Car
  8. Midnight Special
  9. It’s All Right
  10. Send Your Mind
  11. The Smile You Smile
  12. The Back Room
  13. Joe Harper’s Saturday Morning
  14. Beside You
  15. Madame George
  16. Chick-A-Boom
  17. The Smile You Smile

CD 2 "Bang Sessions & Rarities":

  1. Brown Eyed Girl (original edited mono single mix)
  2. Ro Ro Rosey (original edited mono single mix with backing vocals)
  3. T.B. Sheets (Take 2)
  4. Goodbye Baby [Baby Goodbye] (Takes 10 & 11)
  5. Send Your Mind (Take 3)
  6. Midnight Special (Take 7)
  7. He Ain’t Give You None (Take 4)
  8. Ro Ro Rosey (Take 2)
  9. Who Drove The Red Sports Car (Take 6)
  10. Beside You (Take 2)
  11. Joe Harper’s Saturday Morning (Take 2)
  12. Beside You (Take 5)
  13. Spanish Rose (Take 14)
  14. Brown Eyed Girl (Takes 1 – 6)
  15. Brown Eyed Girl (Takes 7 – 11)

CD 3 "Contractual Obligation Session":

  1. Twist And Shake
  2. Shake And Roll
  3. Stomp And Scream
  4. Scream And Holler
  5. Jump And Thump
  6. Drivin' Wheel
  7. Just Ball
  8. Shake It Mable
  9. Hold On George
  10. The Big Royalty Check
  11. Ring Worm
  12. Savoy Hollywood
  13. Freaky If You Got This Far
  14. Up Your Mind
  15. Thirty Two
  16. All The Bits
  17. You Say France And I Whistle
  18. Blowin' Your Nose
  19. Nose In Your Blow
  20. La Mambo
  21. Go For Yourself
  22. Want A Danish
  23. Here Comes Dumb George
  24. Chickee Coo
  25. Do It
  26. Hang On Groovy
  27. Goodbye George
  28. Dum Dum George
  29. Walk And Talk
  30. The Wobble
  31. Wobble And Ball

Gesamtspielzeit: 71:32 (CD 1), 74:31 (CD 2), 35:44 (CD 3), Erscheinungsjahr: 2017 (1967)

Über den Autor

Markus Kerren

Hauptgenres: Roots Rock, Classic Rock, Country Rock, Americana, Heavy Rock, Singer/Songwriter
Über mich
Meine Beiträge im RockTimes-Archiv
News
Meine Konzerberichte im Team mit Sabine
Mail: markus(at)rocktimes.de

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>