Tatort: Küche
Hauptdarsteller: Veritas Conc.75
Nebendarsteller: Küchen-HiFi
Objekt der Begierde: Ein Wochenend-Toast
Das dritte Album des japanischen Trios Veritas Conc.75 aus Kanagawa dröhnt aus den weißen Küchenspeakern der Firma Mission (UK) und der Rezensent schüttelt alsbald den Kopf: »Puh – ein Demo aus einem finsteren Keller einer Hobby-Band, die verzweifelt versucht irgendeinen bluesigen Retrorock zusammenzustolpern!«
Damit liegt der Rezensent in seiner voreiligen Expertise allerdings nur sehr bedingt richtig. Denn er lässt aus einer gewissen Intuition heraus die ihm zugeschickte Scheiblette einfach mal in Dauerschleife laufen – kochen kann dauern – … und siehe da, als hauptsächlich irritierend stellt sich das doch sehr rudimentäre Soundbild von "Toast To The Weekend" heraus, sehr direkt, roh, ohne jede Produktionsschnörkel, keinerlei Sperenzchen, sehr trocken und vordergründig etwas ungelenk im Vortrag, gerne auch mal mit kapitalen Verspielern versehen.
Aber die bereits 2006 gegründete Band, die ein Jahr später ihr erstes Demo produzierte, erst sieben Jahre später ihr Album-Debüt veröffentlichte, dem dann zwei Jahre später das Mini-Album "Rock’n’Roll Devil" folgte, weiß von Durchgang zu Durchgang mehr zu faszinieren, obgleich ihre Musik weit entfernt von progressiven Spielwiesen ist. Das Trio selbst gibt als Orientierungskoordinaten so Referenzen wie Johnny Winter, Edgar Winter, Led Zeppelin, Thin Lizzy, Metallica, Slayer, Megadeth, The Allman Brothers Band, Jimi Hendrix Experience, Taste, Cream oder ZZ Top an und setzt diese Vorlieben mit entwaffnender Simplifizierung mit ganz viel Seele um, dass es wirklich glatt zum Verlieben ist!
Dabei verblüfft die hörbare Leidenschaft zum Southern Rock, welchem Gitarrist und Sänger Akinori 'Mill' Niimi häufiger mit dem Bottleneck bei langen Ausflügen auf die Sprünge hilft. Stimmlich adaptiert er gerne mal Metallicas James Hetfield, klingt dabei aber weitaus nonchalanter. Ansonsten halten sich metallische Einschübe in sehr engen Grenzen. Vielmehr ist klassischer, bluesiger Hard Rock der 1970er-Jahre das große Vorbild, welchem in seiner etwas eigenwilligen Interpretation allerdings sämtliche Patina vom Geschichtsmantel geschüttelt wird und der auch durch leckere Extrazutaten wie ein kleines Reggae-Intermezzo aufgelockert wird … und eigentlich durchgehend von einem sehr wohlschmeckenden southern Flavour durchzogen ist, was schlussendlich in dem sehr Allmannschen Instrumental "Southerly Sea Breeze Through The Pine Trees" gipfelt.
Als Topping hat der, leider mit knappen sieben Songs zubereitete, Longplayer noch einen ersten Anwärter für den unbekanntesten besten wie schmackhaftesten Song des Jahres zu bieten … "That Summer" begeistert mit einer kuriosen Melange aus Crash Test Dummies und Balladen-Metallica … infektiös, akustisch gehalten und in besseren Zeiten ein Dauerläufer auf der Speisekarte der weltweiten Radiostationen!
Fazit: Es ist zwar keine neue Erkenntnis, aber der erste Eindruck täuscht gerne mal. Was zunächst wie eine einfach zubereitete Übungskellerpolterei anmutet, entpuppt sich schlussendlich als mit viel Herzblut gespielter Fluss althergebrachter Traditionsmucke mit großem Entstaubungspotential und diversen Geschmacksexplosionen!
Line-up Veritas Conc.75:
Akinori 'Mill' Niimi (guitars, vocals)
Kyöu (bass, tambourine)
Naohiko Yasuhara (drums)
Tracklist "Toast To The Weekend":
- Blow The Wind (8:08)
- Toast To The Weekend (5:28)
- Lock Up Yesterday (9:12)
- That Summer (4:58)
- Southerly Sea Breeze Through The Pine Trees (5:04)
- You Belong Here (4:53)
- Down To The West (8:42)
Gesamtspielzeit: 46:26, Erscheinungsjahr: 2019
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