Brillante Opulenz glühender Blüten
Es ist gerade mal gute sieben Jahre her, dass sich mit Southern Hospitality ein nicht mehr ganz taufrisches 'Nachwuchshelden'-Trio unter der Sonne Floridas und den Fittichen des Whiskey Bayou Studio-Besitzers Tab Benoit – seines Zeichens ein nicht ganz unbekannter Vertreter des sogenannten Swamp Blues – nach über zwei Jahren Live-Erfahrung traute, mit "Easy Livin'" ein zeitgenössisches Statement südstaatlicher Roots- und Bluesmusik einzuspielen, welches gerne eine noch größere Aufmerksamkeit verdient gehabt hätte, als das Erreichen der Top Ten-US Billboard Blues Album Charts.
Immerhin darf wohlwollend festgestellt werden, dass alle drei Hauptprotagonisten dieses schwülen Projekts im weiteren Verlauf der Jahre ihren Weg gemacht haben. Doch während Damon Fowler und JP Soars allenfalls Achtungserfolge erzielen konnten, reichte es beim Hauptdarsteller dieser Rezension mit seinem Debüt für Ruf Records und seiner Combo Victor Wainwright & The Train vor zwei Jahren immerhin zur Spitzenposition bei den besagten Blues Album Charts und zu einer Nominierung bei den Grammy Awards (Best Contemporary Blues Album).
Der Rezensent lehnt sich an dieser Stelle nicht zum ersten Male reichlich weit aus dem Fenster … aber das Übertreffen einer Nominierung wird dem inzwischen 39jährigen mit seinem zweiten Werk für das renommierte deutsche Blues-Label Ruf Records bei der nächsten Grammy-Verleihung locker gelingen!
Wenn Dr. John, Eric Clapton, Ray Charles, James Carr, die Beatles, Billy Preston, die Tedeschi Trucks Band und Anders Osborne aufeinandertreffen, dann explodiert nicht nur der Schmelztiegel, sondern auch der heimische CD-Player … sofern dieser noch vorhanden sein sollte.
Victor Wainwright und seine Mannen brillieren auf "Memphis Loud" mit durchgehend überragendem Songmaterial, seinem Trademark-Piano-Sound, seiner immer wieder nur in den schlechteren Momenten verblüffend nach einem jüngeren Eric Clapton – der plötzlich richtig mit Dynamik und Überzeugung ins Mikro pusten kann – klingenden Stimme und exzellenten Mitstreitern … allen voran einem gewissen Pat Harrington, der beim Vorgängeralbum bereits reinschnuppern durfte, jetzt aber grandiose Duftmarken seines Könnens setzen darf. Immer haarscharf in der Schnittmenge von Derek Trucks und … schon wieder muss der Name Eric Clapton in Zeiten seines 75sten Geburtstags fallen … agierend, ist der optisch frappierend an den jungen Tom Cruise gemahnende Saitenschwinger für den Rezensenten die bisherige Entdeckung des Jahres. Exemplarisch sei an dieser Stelle auf das opulent inszenierte George Henry Martin-Gedächtnis-Meisterwerk "Disappear" und den Song des Jahres, "Reconcile", verwiesen.
Letzterer beginnt als klassischer Soul-Schmeichler mit Gebläse und allem Besteck, wie überhaupt das gesamte Album mit keinerlei Besteck spart und trotzdem an keiner Stelle überproduziert wirkt – eine definitive Leistung für sich, dann geht es weiter mit einer verblüffend schwarzen Gesangsleistung und wird schließlich gekrönt von einem unfassbaren Gitarrensolo, wo der Rezensent vor seinem geistigen Auge einen noch gar nicht erwähnten Eric Clapton stehend Ovationen klatschen sieht.
Völlig zurecht ist dieser Hammer der Abschluss eines denkwürdigen Albums, denn danach kann nichts mehr kommen. Was für eine Messlatte für zukünftige Versuche, die Musik des amerikanischen Südens in all seinen Facetten zu einer glühenden Blüte zu bringen … Victor Wainwright And The Train setzen sie mit "Memphis Loud" verdammt hoch!
Fazit: Wer schon immer wissen wollte, wie eine Kreuzung aus Memphis-Sounds und New Orleans klingt, keine Apathie gegen Blechgebläse hegt, opulenten Beatles-Sounds, claptonischem Götterspiel und der großen Verbrüderung von Soul, Swamp, Rock, Boogie und Blues zugeneigt ist, wer wilde Tänze auf sämtlichen Tasten mag und wem simpler Boogie Woogie einfach zu wenig ist … "Memphis Loud" erfüllt alle Wünsche und noch viel mehr – ein sehr großer musikalischer Wurf in ungewöhnlichen Zeiten. Play it loud!
Line-up Victor Wainwright And The Train:
Victor Wainwright (vocals, piano, Hammond B3, electric piano)
Billy Dean (drums, percussion – #1,6,7,9, vocals – #1,9,11 )
Terrence Grayson (bass, vocals – #1,7,9,11)
Pat Harrington (guitar, vocals – #1,2,7,9,11)
Mark Earley (baritone sax, tenor sax & clarinet)
Doug Woolverton (trumpet & flugelhorn)
Dave Gross (guitar – #4-6,8,10, vocals – #3,11, percussion – #1-5,8-12)
Special guests:
Greg Gumpel (guitar – #5,9,12, vocals – #9)
Mickey Junior (vocals – #1,4, harmonica – #1)
Reba Russell (vocals – #1,9,11)
Monster Mike Welch (guitar – #8,10)
Nick Black (vocals – #6,8)
Francesca Milazzo (vocals – #6,8)
Chris Stephenson (Hammond B3 – #12)
Stephen Dees (vocals – #1)
Patricia Ann Dees (vocals – #1)
Gracie Curran (vocals – #1)
Terrell "Peanut" Reed (vocals – #1)
Tracklist "Memphis Loud":
- Mississippi (4:15)
- Walk The Walk (3:27)
- Memphis Loud (3:01)
- Sing (4:32)
- Disappear (6:18)
- Creek Don’t Rise (4:08)
- Golden Rule (4:48)
- America (5:09)
- South End Of A North Bound Mule (3:47)
- Recovery (4:41)
- My Dog Riley (5:16)
- Reconcile (8:27)
Gesamtspielzeit: 57:51, Erscheinungsjahr: 2020
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