Der amerikanische Gitarrist Vinnie Moore sollte eigentlich schon lange kein Unbekannter für den interessierten und aufgeschlossenen Rock-Fan sein, sei es aus seiner Zeit bei Shrapnel Records (für die er 1986 sein erstes Soloalbum "Mind’s Eye" aufnahm) oder der Band Vicious Rumours, spätestens aber seit seiner (relativ kurzen) Mitwirkung bei Alice Cooper ("Hey Stoopid") und vor allem seinem Einstieg bei den englischen Hard Rock-Legenden UFO, denen er seit 2003 angehört. Während all diesen Jahren erschienen aber auch immer wieder Soloplatten, von denen bei uns in RockTimes gerade die letzten beiden To The Core (von meinem ehemaligen Kollegen Mike Kempf unter die Lupe genommen) sowie Aerial Visions (von unserem Jochen von Arnim gepriesen) richtig kräftig punkten konnten.
Und es scheint so, dass der Amerikaner qualitativ genau dort weitermacht, wo er im Jahr 2015 aufgehört hat. Der Mann hat ein scheinbar riesiges Arsenal an Ideen am Start, die er mal schneller, dann mal wieder mit angezogener Handbremse und schließlich teilweise auch mit tonnenweise sentimentalem Feeling aufs Band gebracht hat. Es versteht sich von selbst, dass es sich auch bei diesem neuen, "Soul Shifter" betitelten, Werk um ein Instrumental-Album handelt. Als Hauptverbündete hatte Moore dieses Mal den Bassisten Michael Bean, den Tasten-Experten John Cassidy und auch (wie bei der Vorgängerscheibe) den Schlagzeuger Richie Monica im Studio mit dabei. Rudy Sarzo (Ex-Ozzy Osbourne u. v. w.) ist als Gast-Bassist einmal und Randy McStine am selben Instrument zweimal vertreten.
In der Regel geht es richtig schön rockig zur Sache, aber Vinnie Moore ist auch in andere Richtungen – beispielsweise dem Country wie bei "Heard You Were Gone" – jederzeit bereit, auch mal über den Tellerrand des von ihm Erwarteten hinaus zu schauen. Witzigerweise hört man bei manchen Songs zwischendurch (im Hintergrund) ein paar Wortfetzen, die den Eindruck vermitteln (sollen?), dass diese Tracks wohl live im Studio eingespielt wurden. Falls dem so war, dann ziehe ich meinen Hut, denn mittlerweile werden Platten ja fast nur noch durch die Versendung von Sound-Files aufgenommen, während sich die Musiker schon gar nicht mehr zusammen im selben Studio befinden oder während der Produktion überhaupt noch sehen. Auf jeden Fall werden während dieser gut 45 Minuten immer wieder schöne Atmosphären und Sounds, dazu echt tolle Melodien kreiert.
Klar dürfte sein, dass man ein Instrumental-Album, bei dem die Gitarre die Hauptrolle spielt (dabei allerdings auch immer wieder erfrischend von coolen Hammond- oder Piano-Sounds unterstützt wird), nicht unbedingt nebenbei beim 'was-anderem-tun' hören sollte, denn dann würden sehr viele hier enthaltenen Feinheiten und Kniffe verloren gehen. Nein, "Soul Shifter" hat es verdient, dass man sich ein dreiviertel Stündchen Zeit nimmt, sich zurückzieht, (am besten) den Kopfhörer überzieht und sich von der Musik inspirieren lässt. Und nachdem UFO (altersbedingt) wohl kurz vor dem Exitus stehen, darf man gespannt sein, was Vinnie Moore wohl als nächstes anpacken wird. Vielleicht wird es ja nicht wieder geschlagene vier Jahre bis zum nächsten Soloalbum dauern, vielleicht schließt er sich einer Band an oder gründet sogar eine eigene. Die Zeit wird es zeigen.
Fakt ist auf jeden Fall, dass Vinnie Moore (falls erforderlich) ganz locker einen auf 'Flitzefinger' machen kann, darüber hinaus aber tonnenweise Feeling in seinen Händen sowie ein sehr gutes Gespür für interessante Melodien hat. Bei "Soul Shifter" hat er vor allem Letzteres bevorzugt. Thumbs up!
Line-up Vinnie Moore:
Vinnie Moore (guitars, bass – #3,8, synthesizer – #2,8-10)
Richie Monica (drums)
John Pessoni (drums – #2,10)
Michael Bean (bass, pedal steel – #9)
Randy McStine (bass – #2,10)
Rudy Sarzo (bass – #1)
John Cassidy (Hammond organ, piano, synthesizer)
Jordan Rudess (piano solo – #6)
Tracklist "Soul Shifter":
- Funk Bone Jam
- Same Sun Shines
- Kung Fu Grip
- Mystified
- Brother Carlos
- Gainesville Station
- Soul Rider
- Mirage
- Heard You Were Gone
- Across The Ages
Gesamtspielzeit: 45:27, Erscheinungsjahr: 2019
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