Überrascht war ich schon etwas, als ich die neue EP von Waiting For Louise zum Rezensieren in den Händen hielt, denn drei der vier Stücke sind alte Bekannte. "No Words", "New Tricks For Old Dogs" und "Jennifer Cool" sind allesamt auf dem 2008er New Tricks For Old Dogs zu finden. "Soldier Boy" dagegen ist neu. Ebenfalls neu in der Band Vita ist das Medium dieser Platte: Vinyl. Und das ist gut so, denn die Musik von Waiting For Louise kann man durchaus als entschleunigte (eigentlich mag ich diese neuen deutschen Worte nicht) Musik bezeichnen und dazu passt das Rotieren mit 33 Umdrehungen in der Minute perfekt.
.Das bedeutet nun aber keineswegs, dass hier etwas dahin plätschert, während sich der Plattenteller dreht. W4L hat das besondere Händchen, sich auf das Wichtige und Wesentliche zu konzentrieren und dabei stets eine enorme Spannung zwischen den Texten und der Instrumentierung zu halten. Stilistisch sind sie schwer zu packen, die vier Musiker, Michael Mann, Detlef Goch, Johannes Lehmann und Ute Rettler.
Den allumspannenden Mantel möchte ich schon mit dem Label Singer/Songwriter versehen. In den Mantel sind aber Stoffe gewebt, die man auch bei Leuten wie J. J Cale, Jerry Garcia (zum Teil in Verbindung mit David 'Dawg' Grisman, wenn letzterer nicht gerade lupenreines Bluegrass spielt) findet. Und natürlich bei Van Morrison, dem Nordiren, dessen Musik man ebenso aufmerksam goutieren muss, wie die von den vorliegenden Protagonisten.
Die drei Stücke von "New Tricks For Old Dogs" sind natürlich neu interpretiert und ich sage schon mal, dass sich die neue Herangehensweise gelohnt hat. Zwar erkennbar, wenn auch sofort auffällt, dass bei "No Words" z. B. das einleitende, treibende Schlagzeug fehlt. Aber erst mal zu dem neuen Track "Soldier Boy". Dieser wurde 2014 von Michael geschrieben (der übrigens Urheber aller Nummern ist) und behandelt das Thema Kindersoldaten am Beispiel eines zwölfjährigen Jungen. Wie aktuell das Thema leider ist, geht während ich hier sitze und schreibe, gerade durch die Presse …
Musikalisch fließt das Ganze ganz locker und der relaxte, aber spannende Groove erinnert mich an die großartige Eingangsmusik von Jeff Beal aus der Serie "House Of Cards". Utes Strat liefert hier Gitarrenparts, die zusammen mit Michaels Suzuki Resonatorgitarre eine konträre Stimmung zum Thema der Nummer setzen. Will sagen, das ist allerfeinste Musik und Stellenweise erinnern Utes Licks an den typischen Knopfler-Sound.
Aus dem 'alten' "No Words", diesem percussiven Monster ist eine ruhige Nummer geworden. Eine vordergründig ruhige, bei der Schlagwerk und Blues Harp durch ein indisches Harmonium und Glockenspiel ersetzt wurden. Auch tempomäßig ist die Handbremse gezogen, was dem Stück allerdings sehr gerecht wird. Baritongitarre und Fender Stratocaster kommen so zu ihren Schwingungen und wenn Ute der Fender ihre Töne entlockt, darf man zum Hören auch gerne eine etwas höherwertige Anlage benutzen. Das Eigenlabel E=MC²-hat sehr gut gearbeitet.
Auch "New Tricks For Old Dogs" ist etwas langsamer als das bekannte Pendant, beginnt aber rhythmisch mit einer Tomtom-Passage.und scheint mir ansonsten sehr an Tiefgründigkeit gewonnen zu haben. Die Bridge hatte mir bereits damals sehr gut gefallen, gewinnt aber hier durch das beherzte Spiel der zwölfsaitigen Takamine Akustikgitarre enorm an Dynamik. Und dann gibt es zwei kurze Momente, die sowas an eine Nummer von Grateful Dead (Touch Of Grey müsste das sein … könnte aber auch aus Terrapin Station sein. ) erinnern. Perfekt
"Jennifer Cool", diese Bardame, die den Mann nach der Arbeit aufbaut und von Zeit zu Zeit dessen Spannungen auch abbaut, ist nach wie vor eine Nummer, die von schöner Tristesse lebt. Diese Stimmung, die 2008 hauptsächlich von Banjo und Mundharmonika lebte, erfährt durch Gitarrenläufe à la Santana noch eine verstärkende Wirkung. Überhaupt finde ich, dass durch Ute an der Gitarre die bekannten Nummern gewonnen haben. Auf "New Tricks For Old Dogs" war sie ja nicht dabei, was alleine schon Unterscheidungsmerkmal beider Versionen der drei Stücke ist. Aber generell kann ich für mich ganz subjektiv sagen, dass die neuen Versionen top sind. Das bedeutet nicht, dass die Vorgänger das nicht waren. Wir sehen bzw. hören das ja fast jeden Tag, dass eine Nummer nämlich niemals (oder meinetwegen selten) ein Endstadium hat. Anders interpretiert, entweder selbst oder durch eine andere Band, kann ein Stück oft gewinnen.
Ich treibe dem Michael jetzt mal kurz ein paar Falten auf die Stirn, in dem ich eine Band erwähne, deren Nennung in einem WfL-Review so sinnig ist, wie ein Stück Tofu bei meinem Rindfleisch Bauern im Hofladen. Hand aufs Herz: Ist Guns N' Roses' Version von "Knocking On Heavens Door" nicht geil? Und das, ohne auch nur ein Fitzelchen Geilheit von Dylans Original zu nehmen. Man könnte, um näher am WfL-Genre zu bleiben, auch "Brown Eyed Girl" von Van Morrison und die Grateful Dead-Version nehmen.
Allerdings haben die neuen Versionen einen unschlagbaren Vorteil, man kann sie nämlich auf Vinyl genießen. Im März des kommenden Jahres soll die EP veröffentlicht werden. Und zwar als reine Vinyl-Ausgabe oder als Vinyl plus CD. Eine CD alleine ist dagegen nicht geplant.
Line-up Waiting For Louise:
Locke (Cajun, Shaker, Glockenspiel, Tomtoms, Schellenring, Becken)
Micha (Gesang, Suzuki Resonatorgitarre, Stoll Baritongitarre, Indisches Harmonium, sechssaitiges Banjo, Mundharmonika)
Jo (Warwick Bass)
Ute (Fender Stratocaster, zwölfsaitige Takamine Akustikgitarre)
Tracklist "Waiting For Louise":
- Soldier Boy
- No Words
- New Tricks For Old Dogs
- Jennifer Cool
Gesamtspielzeit: 25:40, Erscheinungsjahr 2017
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