Mitten im Big Mid West der USA liegt der Bundesstaat Kentucky, der weiter oben im Norden bereits als tiefste Redneck-Gegend angesehen wird. Das soll uns nicht weiter tangieren, aber wenn ich gerade so darüber nachdenke, fällt mir spontan (kommt dann wahrscheinlich heute Nacht) keine weitere mir besser bekannte Band ein, die aus dem einst (oder immer noch?) für seine Tabak-Industrie bekannte Gegend stammt. Aber egal, denn jetzt ist mir die Band Wayne Graham von diesem Fleck bzw. deren immerhin bereits fünftes Album "Joy!" auf den Schreibtisch geflattert. Die Person Wayne Graham gibt es tatsächlich gar nicht, zumindest nicht in dieser Band. Vielmehr ist die Combo das Baby der beiden Brüder Kenny und Hayden Miles, die auf dem aktuellen Werk von dem Gitarristen Johannes Till sowie dem Multi-Instrumentalisten Ludwig Bauer unterstützt wurden, die bereits bei Tourneen für das Vorgänger-Album "Mexico" mit an Bord waren. Johannes? Ludwig? Hört sich ziemlich deutsch an, oder?
Tatsächlich hat sich kaum einer der vier Musiker für die Aufnahmen dieser Scheibe zu Gesicht bekommen. Die Brüder Miles lebten in unterschiedlichen Bundesstaaten und schickten sich Sound-Files hin und her, während Bauer und Till ihre Spuren in Dresden aufs Band brachten. So etwas rührt zunächst immer als sehr unromantische Tatsache an, allerdings muss ich auch sagen bzw. gestehen, dass dies dem fertigen Produkt "Joy!" kaum anzumerken ist. Was Wayne Graham hier vorlegt, ist sehr ruhige und relaxte Roots Music, die meist von der Akustik-Gitarre sowie den Drums, natürlich dann aber auch den zusätzlichen Instrumenten lebt. Und wenn ich ’sehr relaxt' schrieb, dann bezieht sich das unbedingt auch auf den Gesang, der streckenweise fast lakonisch wirkt und zwangsweise an den seligen (wer hätte es gedacht?) J.J. Cale denken lässt.
Ansonsten kommen die elf Tracks sehr authentisch und nie reißerisch rüber. Manchmal wirkt das fast schon ein bisschen zu relaxt und wenn man sich der Scheibe nicht widmet, sondern sie eher nebenbei laufen lässt, gehen einem schon mal ein paar Tracks 'verloren'. Wenn man der Platte Aufmerksamkeit schenkt, können allerdings auch sehr schöne Momente entdeckt werden. Und überraschenderweise entsteht die Schönheit vieler Songs durch deren Simplizität. Melodien werden manchmal ausgesungen, manchmal aber auch nur angedeutet, was einen zusätzlichen Reiz weckt. Was aber nur wieder einmal zeigt, dass das Gute nicht immer teuer und Qualität nicht immer unbezahlbar sein muss. Die Grundstimmung auf "Joy!" ist in der Mehrheit im Melancholischen zu finden, wobei es auch immer wieder Ausbrüche in andere Gefühls-Bereiche gibt.
Das fünfte Album von Wayne Graham kann ohne Frage als gut und gelungen bezeichnet werden. Bezüglich der Lobeshymnen, die an anderen Stellen im weltweiten Netz sowie im Blätterwald zu lesen sind, halte ich mich jedoch eher zurück. "Joy!" ist ein feines Album für ruhige Stunden, das durchaus Spaß macht. Die Prognose jedoch, dass die Band der nächste Überflieger in der Americana- und Roots-Szene wird, halte ich (zumindest noch) für überzogen. Dennoch eine schöne Sache, die bei manchen Tracks auch an den (ruhigen) Country Rock der End-Sechziger erinnert.
Line-up Wayne Graham:
Kenny Miles (rhythm guitars, bass, lead vocals)
Hayden Miles (drums, keyboards, background vocals)
Ludwig Bauer (bass, clarinet, trumpet, Wurlitzer, B3)
Johannes Till (lead guitars)
Tracklist "Joy!":
- On My Throne
- White Rose
- Joy!
- Bloody Montana
- Here
- Toyman
- My Tomb
- Two Blade Razor
- Don Williams
- Wishbone
- Venetian Blinds
Gesamtspielzeit: 41:54, Erscheinungsjahr: 2018
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