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Wayne Graham / One Percent Juice – CD-Review

Wayne Graham - "One Percent Juice" - CD-Review

Sechs Alben hatte die aus dem US-Bundesstaat Kentucky stammende Band Wayne Graham auf dem Buckel, von denen wir euch in diesem Magazin immerhin schon Mexico (2016) und Joy! (2018) vorstellen konnten. 2019 erschien dann noch die selbstironisch betitelte Raritäten-Sammlung "Songs Only A Mother Could Love", bevor sich die beiden Brüder Kenny und Hayden Miles an neues Material machten. Wobei dem guten Kenny auch bei dem brandneuen "One Percent Juice" der Löwenanteil zugechrieben werden muss.

Den instrumentalen Titelsong haben beide gemeinsam komponiert, zwei Stücke (die er auch selbst singt) stammen von Hayden, die restlichen Tracks gehen auf sowohl von den Kompositionen, den Texten sowie den Lead Vocals auf das Konto von Kenny. Überhaupt ist es wohl auch übertrieben hier von einer Band zu sprechen, da neben den beiden Brüdern lediglich noch der in Dresden lebende Multiinstrumentalist Ludwig Bauer auf fast allen Tracks zu hören ist. Die weiteren Beteiligten (darunter der zweite Dresdener Johannes Till an der Lead-Gitarre) fungieren dann doch eher in der Rolle als Gastmusiker. Gehen wir direkt mal auf die zwölf neuen Tracks ein:

Am Stil der Band – feine und oft melancholische Americana- und Roots-Songs – hat sich nicht wirklich entscheidend viel geändert. Wenn mir diese neue Platte auch etwas 'offener' vorkommt, was neue Sounds und Ideen betrifft. Speziell der Gesang fällt hier gefühlt ein gutes Stück expressiver aus, selbst wenn er teilweise immer noch etwas introvertiert wirkt. Einen feinen und wohlig-warm an New Orleans erinnernden Bläsersatz finden wir beispielsweise bei dem nachdenklich-traurigen "Infinitude". Irgendwie schaffen die Brüder es allerdings auch, hier einen feinen Hauch Psychedelic unterzubringen. Das alles wirkt nach wie vor unaufdringlich und dennoch so faszinierend wie gut. Eine seltsame, nicht wirklich greifbare Grundstimmung zieht sich durch die komplette Scheibe, sodass man manchmal gar nicht weiß, ob man denn nun weinen oder lachen soll.

Der Gesang von Hayden Miles bringt bei "What For?" keine neuen Erkenntnisse, oder anders gesagt: er unterscheidet sich kaum von dem seines Bruders. Klasse kommt bei dieser Nummer allerdings die feine Pedal Steel-Gitarre von Travis Egnor, der leider nur bei diesem einen Titel mit von der Partie ist. Was sich Wayne Graham ebenfalls erhalten haben, ist dieses sehr angenehme Feeling des softeren Country Rock, das man von amerikanischen Bands aus den Jahren vor und nach 1970 kannte und kennt. Ungewöhnlich flott geht es bei dem Titel "Never Die" zur Sache, während sich der Gesang hier aber wieder in eine J.J. Cale-Laune begibt und gar nicht mehr herauskommt. Trotzdem cool. Nicht ganz so cool empfinde ich die teilweise deutlich hörbaren Drums aus der Dose, sprich die programmierten und aus dem Computer stammenden Samples. Aber auch daran werden sich die Geister wahrscheinlich scheiden.

Wie ich bereits bei meinem Review zu "Joy!" schrieb, ist es auch bei "One Percent Juice" so, dass das neue Album von Wayne Graham nicht wirklich zum Nebenbei-Hören taugt, sondern vielmehr die ganze Aufmerksamkeit des Hörers für sich beansprucht. Ist diese vorhanden, kann die Platte den Hörer durchaus gefangen nehmen, denn Songs wie beispielsweise "Passenger Train", "Bad News To Break", "Tapestry Of Time" oder auch der starke 'Rauswerfer' (und mein Favorit der Scheibe) "Some Days" (die ich gleichzeitig auch als Anspieltipps in die Runde werfen möchte) haben durchaus nicht nur ihren Reiz, sondern auch Klasse. Nicht lautmalerisch, sondern vielmehr unaufgeregt und dennoch teilweise fesselnd sowie irgendwie anders. Ein klassischer Fall von ’selbst mal antesten', wenn man die Zeit hat und Lust darauf verspürt.


Line-up Wayne Graham:

Kenny Miles (acoustic & electric guitars, baritone, bass, organ, keyboards, synthesizer, loon, lead & background vocals)
Hayden Miles (drums & percussion, Wurlitzer, loon, keyboards, background vocals, lead vocals – #5,12)
Ludwig Bauer (clarinet, trumpet, saxophone, synthesizer, strings)

With:
Chris Justice (bass – #1)
Johannes Till (lead guitars – #1,2,11)
John Looney (lead guitars – #1,2,12)
Lee Owen (electric guitar – #1,7)
Travis Egnor (pedal steel – #5)

Tracklist "One Percent Juice":

  1. Tapestry Of Time
  2. Chifforobe
  3. Bad News To Break
  4. Infinitude
  5. What For?
  6. No Escape
  7. Slept Alone
  8. Never Die
  9. Pay Phone
  10. Passenger Train
  11. One Percent Juice
  12. Some Days

Gesamtspielzeit: 44:44, Erscheinungsjahr: 2020

Über den Autor

Markus Kerren

Hauptgenres: Roots Rock, Classic Rock, Country Rock, Americana, Heavy Rock, Singer/Songwriter
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Mail: markus(at)rocktimes.de

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