Bei Wildwood Morning handelt es sich um ein aus Henning Wienecke und der Italienerin Laura Lazzarin bestehendes Duo aus Berlin-Neukölln, das bereits im November des vergangenen Jahres sein gleichnamiges Debütalbum veröffentlicht hat. Und um es gleichmal vorweg zu nehmen, haben wir es hier mit einem richtigen kleinen Schatz zu tun, der mit erfrischenden, gefühlvoll-atmosphärischen und guten Songs überzeugt.
Folkig-flott startet "Greta Thunder" dieses Unternehmen mit sehr schönen Gesangslinien und einem aus dem Hintergrund direkt auffallenden prägnanten Bass. Das geht umgehend sehr gut ins Ohr und atmet darüber hinaus in einem sehr positiven Sinn den Geist eines längst vergangenen Jahrzehnts. Ein Hauch Melancholie ist nicht zu verleugnen, bis das Stück plötzlich mehr Fahrt aufnimmt und der Gast Kiryk Drewinski (Wedge, der auch für das Album-Cover zuständig war) ein starkes Gitarrensolo beisteuert. Klasse Anfang. "Fermati Tempo" überrascht direkt danach mit einem von Laura Lazzarin gesungenen italienischen Text. Die Stimmung, die dichte Atmosphäre (in der man sich übrigens direkt sehr wohl fühlt) bleibt bestehen und auch der Sprachwechsel stört überhaupt nicht. Ein klasse platzierter Kontrast zu dem davor von Wienecke gesungenen Album-Opener. Nicht das einzige Mal kommen hier auch durchaus mal poppige Gesangsmelodien zum Zug, die allerdings ganz hervorragend zur Musik passen.
Bei "All New Gets Old" hält plötzlich eine Mischung aus britisch/nahöstlichem Folk Einzug, der für die Strophen jedoch wieder dem vom Pop angehauchten Folk der Berliner Platz macht. Nur eines der Highlights der Scheibe ist das wunderbar locker-flockige "Song For My Daughter", hier wieder mit Miss Lazzarin am Gesang. Eröffnet von einem perligen Piano und verfeinert von einer herrlichen Flöte. "Misteri Di Alleghe" (erneut in italienischer Sprache) wird von (wahrscheinlich gesampelten) Streichersounds untermalt, während "Deep Shadow" erneut als guter Folk-Song (und einem Stückchen Krautrock-Feeling der siebziger Jahre) durch eingängige Melodien überzeugt.
Für hochgezogene Augenbrauen sorgte beim Lesen des Inlays die Angabe, dass die Lyrics der Nummer "Love Speaks Silence" von dem eher unwahrscheinlichen Team Bob Dylan/Cat Stevens/Yogi Tea stammen sollen. Läuft diese – übrigens erneut sehr schöne – Folk-Nummer dann, wird aber natürlich schnell klar, dass der Text aus Zeilen von einzelnen Tracks der genannten Größen zusammengestellt wurde. Und als wenn das nicht alles schon genug wäre, befindet sich mit "Secret Of My Life" auch noch eine richtig gute Psychedelic-Nummer im Programm. Den Abschluss bildet dann das (fast) nur mit der Akustischen und Gesang gebrachte "Arlo", wenn ich nicht ganz furchtbar daneben liege eine Ode an einen neugeborenen Sohn. Erschienen ist "Wildwood Morning" übrigens lediglich digital und auf Vinyl. Letztgenanntes dreht sich gerade in durchsichtigem braun auf meinem Plattenspieler. Ja, das Auge hört eben auch – zumindest ein bisschen – mit.
Glückwünsch also nach Berlin an Wildwood Morning, die mit ihrem Debüt einen herrlich zeitlosen und erfrischenden Erstling abgeliefert haben. Hier sorgen nicht nur die wechselnden Lead Vocals von Henning Wienecke und Laura Lazzarin, sondern auch die Songs an sich ständig für Abwechslung. Wohlgemerkt ohne dabei jemals aus der mit dem ersten Track gesetzten Grundstimmung auszubrechen. Sowohl Songwriting, als auch die Arrangements sind qualitativ sehr hoch angesiedelt und stimmig. Wer erstmal reinhören möchte, dem würde ich das bereits erwähnte "Song For My Daughter", "Greta Thunder", "Misteri Di Alleghe" oder auch "Secret Of My Life" empfehlen, wobei tatsächlich kein einziger Ausfall auszumachen ist. Da sieht man dann auch gerne über leichte Probleme mit der englischen Sprache (bzw. deren Aussprache) hinweg.
Letzten Endes gehen alle Daumen nach oben! Ein Debüt, bei dem man sich direkt schon auf einen Nachfolger freut!
Line-up Wildwood Morning:
Henning Wienecke (guitars, lead vocals)
Laura Lazzarin (bass, shruti box – A – #3, lead vocals)
With:
Kiryk Drewinski (guitar solo – A – #1, B – #3)
Tom Bradler (drums & percussion, additional rhythm guitar – A – #1,3, B – #1)
Keerti (electric guitar & flute – B – #1, guitar solo – B – #2)
David Engler (violin – A – #3)
Uwe Ritzschke (footstomps – A – #3)
Marco Mantello (flute – A – #4)
So Kumneth Sim (violin – B -#1)
Francesca Lazzarin (background vocals – A – #6, B – #1)
Ella Poul (background vocals – B – #5)
Greta Mantello (background vocals – B – #5)
Tracklist "Wildwood Morning":
- Greta Thunder
- Fermati Tempo
- All New Gets Old
- Song For My Daughter
- These Times
- Intermezzo
- Misteri Di Alleghe
- Deep Shadow
- Secreat Of My Life
- Love Speaks Silence
- Arlo
Gesamtspielzeit: 22:11 (Side 1), 22:13 (Side 2), Erscheinungsjahr: 2020
Neueste Kommentare