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William Shatner / Shatner Claus – The Christmas Album

Teile der Menschheit mussten es erst mit eigenen Augen sehen … dass es intelligentes außerirdisches Leben gibt – als ein fremdes Raumschiff am 5. April 2063 in Bozeman, Montana landete und ein Vulkanier ausstieg, um Zefram Cochrane die Hand zu schütteln.
Und Teile der Menscheit glauben es sicherlich auch spätestens erst beim Videobeweis, dass es 45 Jahre weniger gedauert hat, bis William Shatner im zarten Erdenalter von 87 ein eigenes Weihnachtsalbum rausgebracht hat.
Da sitzt er als Märchenonkel auf dem Vorlesesessel und referiert in unverkennbar übertrieben akzentuiertem Sprechgesang; und macht dann auf der Bühne weiter, als Rock’n’Roller im Glitzeranzug, und ZZ Top-Bart Billy Gibbons spielt dazu Solo-Gitarre – muss man gesehen und gehört haben …

 

… um es zu glauben. Und um es zu mögen?
Ach … man kann William Shatner einfach nur für seine Art und sein Selbstbewusstsein lieben und ihn auch für "Shatner Claus – The Christmas Album" feiern – oder aber sich keinen Phaserstrahl breit dafür interessieren. Eine dritte Option wäre allenfalls noch, die CD als Trash-Element für besonders abgefahrene Weihnachten einzuplanen – möglicherweise sogar bewusst zu verschrottwichteln. Gegen diese dritte Option möchte der Autor dieser Zeilen aber kämpfen wie ein Klingone!

Bill Shatner ist der coolste Kerl diesseits von Rigel VII. Er ist ein Schauspieler, der objektiv gesehen mittelmäßig schauspielern mag, weil in jeder seiner Rollen (viel zu) viel Shatner drinsteckt – allein schon in seiner Art und Weise, beim Sprechen Kommas, zu setzen wo, sie, eher, als unüblich, gelten. Aber genau deshalb hat der Mann zu Recht Kultstatus. Und genau deshalb hat er es schon mal mit seiner Interpretation von "Lucy In The Sky With Diamonds" in diverse Top-Listen der schlechtesten Cover aller Zeiten geschafft … weil Kritik eben subjektiv ist.

Keine Sorge – der Mann versucht ja nicht, zu singen. Also kaum. Shatners Ding ist die Kunstform des 'Spoken Word'. Ende der 1960er mit hochdramatischen Shakespeare-Rezitationen auf dem Album "The Transformed Man", 2004 zusammen mit Musik-Partner Ben Folds selbstironisch und nachdenlich auf "Has Been" und nach 2010 unter anderem mit zahlreichen Rock-Größen bei einer Auswahl von 'Weltraum-Songs' auf "Seeking Major Tom" und – Überraschung – mit Ponder The Mystery, einem ganzen Album neuer Titel, zusammen mit Billy Sherwood.

Natürlich hat "Shatner Claus – The Christmas Album" im direkten Vergleich dazu weniger Tiefgang. Der Blick aufs Plattencover täuscht nicht. Das Ding soll einfach nur dafür sorgen, dass an Weihnachten ordentlich der Christbaum wackelt; und das schafft es, auch mit Hilfe großnamiger Gastmusiker. Den Text beim idyllisch-bimmeligen "Jingle Bells" teilt er sich ausgerechnet mit Schreihals Henry Rollins (einst Black Flag; mit ihm hatter er auf "Has Been" schon mal zusammen ins Mikro gemeckert). Als Bonus legen die beiden noch die Punk Rock-Version nach – lauter, schriller, etwas schief, und möglicherweise nicht ganz so nüchtern.

Auch die Chuck Berry-Nummer "Run Rudolph Run" mit Elliot Easton (The Cars) an der Gitarre klingt dreckig und roh und landet ebenso wie "Winter Wonderland" mit keinem Geringeren an der Klampfe als Todd Rundgren am oberen Ende der Rock’n’Roll-Skala. Große Prominenz ist auch mit Country-Star Brad Paisley am Start. Bei "Blue Christmas" greift der nicht nur in die Saiten, sondern singt auch noch. Und William Shatner spricht kunstvoll dazu und drumherum. Was für ein kultverdächtiger Einstieg: Er lamentiert, dass er wegen eines Schneesturm festsitzt und sieht plötzlich, dass Brad Paisley spontan auftritt – der steckt auch fest. Wie cool – auch das Duett der beiden, Respekt!

"Feliz Navidad" mit Mariachi-Mensch Dani Bender ist da schon eher von der abgedrehten Sorte (ein bisschen viel beschwipste Schreierei dabei) – genauso wie "Silent Night" als ganz, ganz ruhige Nummer: Den Chorus singt, ganz besinnlich und tiiiiiieeeef – kein Scherz – Iggy Pop. Muss man gehört haben, kann man kaum beschreiben. Unter die besinnlicheren Stücke fallen noch "O Come, O Come Emmanuel" mit Rick Wakeman am Klavier, "White Christmas" mit der Stime von Folk-Größe Judy Collins und "Silver Bells" mit Ian Anderson an der Querflöte – ein US-Klassiker, u.a. gesungen von Bing Crosby und Carol Richards – teilweise ist Wahl von Songs und Gästen also durchaus 'amerikanisch'.

"Little Drummer Boy" ist natürlich auch hierzulande sehr beliebt – und diese Version mit Joe Louis Walker an der Gitarre und mit Gesang einer gewissen Samantha May ist überraschend anrührend … und William Shatners stimmgewaltige 'Parumpapumpum'-Einlagen haben wirklich etwas, das unter die Haut geht. Und dann ist da natürlich noch Shatners Interpretation – nicht etwas eines Songs, sondern des bekanntesten US-Gedichts zur Weihnachtszeit: "Twas The Night Before Christmas". Begleitet wird er von diversen orchestralen Elementen, vor allem aber Mel Collins (Ex-King Crimson) am Saxofon – und kann so richtig aus sich rausgehen. ("One For You, One For Me", basierend auf einem nicht prominenten Gedicht neuren Datums als einzige 'exklusive' Nummer des Albums vergessen wir schnell nach dem Hören … eine seltsame Mischung aus elfengleichem Gesang und Rock, bei dem Shatner nicht viel ausrichten kann.)

Ganz kurz gefasst könnte man zu "Shatner Claus – The Christmas Album" auch sagen: Selbst Schuld, wer es verpassen will, wie Bill Shatner mit Henry Rollins schreit, besinnlich mit Iggy Pop brummelt, Klassiker der Weihnachtsliteratur rezitiert und sich mit Brad Paisley auf dem Land einschneien lässt. Schon heute ein Klassiker, der uns noch viele Feste etwas aufmöbelt, bevor sie allzu besinnlich werden. Alles, was man braucht, ist lediglich Humor oder ein Sternenflottenabzeichen irgendwo tief drinnen.

Übrigens: Sternzeit 2715.1- Captain Kirk bekommt für seine Außenmission zur Untersuchung der Tantalus-Kolonie die Psychologin Dr. Helen Noel in sein Außenteam. 'Noel' heißt auf Französisch Weihnachten. Ihre erste Begegnung hatten die beiden auch laut Drehbuch ein Jahr zuvor … auf einer Weihnachtsfeier. Zufall? Wohl nicht. "Shatner Claus – The Christmas Album" MUSSTE kommen!

 


Line-up William Shatner:

William Shatner (narration)
Henry Rollins (vocals – #1,14)
Brad Paisley (guitar & vocals – #2)
Joe Louis Walker (guitar – #3)
Samantha May (vocals – #3,7)
Todd Rundgren (guitar – #4)
Artimus Pyle (drums, sleigh bells, cow bell – #4)
Mel Collins (tenor sax, alto sax, flute – #5)
Elliot Easton (lead guitar – #6)
Rick Wakeman (piano, mini-moog – #7)
Ian Anderson (flûte d’amour – #8)
Brian Chapman (background vocals – #8)
Damayantii Engler (vocals – #9)
Coyote Shivers (vocals – #10)
Billy F. Gibbons (guitar – #10)
Iggy Pop (vocals – #11)
Dani Bender (vocals – #12)
Judy Collins (vocals – #13)
Charlie Colin (standup bass – #13)

Tracklist "Shatner Claus – The Christmas Album":

  1. Jingle Bells feat. Henry Rollins (2:47)
  2. Blue Christmas feat. Brad Paisley (3:08)
  3. Little Drummer Boy feat. Joe Louis Walker (3:05)
  4. Winter Wonderland feat. Todd Rundgren & Artimus Pyle (2:06)
  5. Twas The Night Before Christmas feat. Mel Collins (4:05)
  6. Run Rudolph Run feat. Elliot Easton (3:13)
  7. O Come, O Come Emmanuel feat. Rick Wakeman (4:02)
  8. Silver Bells feat. Ian Anderson (3:25)
  9. One For You, One For Me (3:44)
  10. Rudolph The Red-Nosed Reindeer feat. Billy Gibbons (3:32)
  11. Silent Night feat. Iggy Pop (3:39)
  12. Feliz Navidad feat. Dani Bander (2:37)
  13. White Christmas feat. Judy Collins (2:16)
  14. Jingle Bells feat. Henry Rollins [Punk Rock Version] (3:19)

Gesamtspielzeit: 44:57, Erscheinungsjahr: 2018

Über den Autor

Boris Theobald

Prog Metal, Melodic Rock, Klingonische Oper
Meine Beiträge im RockTimes-Archiv

Mail: boris(at)rocktimes.de

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