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Willie Nelson / First Rose Of Spring – CD-Review

Willie Nelson - "First Rose Of Spring" - CD-Review

Im Alter von achtzig Jahren veröffentlichte Willie Nelson dieser Tage mit "First Rose Of Spring" sein siebzigstes Soloalbum. Jau, kann man mal machen … oder mit anderen Worten: Das Wort 'faul' kommt im Sprachsatz des Songwriters, Musikers und Sängers offensichtlich gar nicht erst vor. Dabei musste er sehr lange auf den Durchbruch warten. Im Herbst 1962 erschien seine erste Scheibe "… And Then I Wrote", aber außer ein paar Achtungserfolgen in den US-Country Charts ging es mit seiner Karriere nur ganz selten mal ein Stückchen vorwärts, sehr oft aber in die andere Richtung. Dabei war er spätestens seit Mitte der sechziger Jahre in der Szene ein sehr angesehener Songwriter. Der entscheidende Schritt gelang ihm, als er Mitte der Siebziger die Plattenfirma wechselte und von Nashville nach Austin zog. 1975 erschien "Red Headed Stranger" und brachte endlich den großen Erfolg, der ihn bis heute nicht verlassen hat.

Wer davon ausgeht, dass er aufgrund des fortgeschrittenen Lebensalters des Protagonisten nicht unbedingt ein Country Rock-Album geboten bekommt, der liegt natürlich richtig. Aber das war eh nie Nelsons Art, der vielmehr mit seinen Lyrics und seinem 'Way of living' Beachtung fand. So sind auch die hier vorliegenden elf Tracks eher getragen, verfügen darüber hinaus aber durchgehend über Tiefe, eine ganz spezielle Atmosphäre sowie auch ein fast schon greifbares Feeling. Natürlich hat sich der Meister mit beispielsweise Buddy Cannon, Chad Cromwell oder Catherine Marx mal wieder die allerfeinsten Studiomusiker mit ins Boot geholt, was der Platte sehr gut tut. Auch die Arbeit der beiden Steel-Gitarristen Mike Johnson sowie Bobby Terry ist geradezu zum Niederknien (unter anderem bei "Stealing Home"), die beiden Stand-Bassisten geben den Nummern viel 'Bauch' und die Drums gefallen durch ihren natürlichen Sound.

Lediglich zwei der Songs ("Blue Star" und "Love Just Laughed") stammen aus der Feder Willies, aber dafür hat er extrem gutes Fremd-Material gesammelt. Klasse ist beispielsweise der Text von "I’m The Only Hell My Mama Ever Raised" mit Zeilen wie »She tried to turn me on to Jesus but I turned on to the devils ways, and I turned on to be the only hell my mama ever raised« über einen lebenslänglich Verurteilten, der nochmal seine Vergangenheit Revue passieren lässt. Der Songtitel "We Are The Cowboys" hört sich vielleicht zunächst nicht so prickelnd an, das Stück an sich stellt jedoch eines der absoluten Highlights dieser Jubiläums-Platte dar. Nicht nur die toteinsame Harmonica, auch die Gesangs-Melodien und die sich für eine Multi-Kulti-Gesellschaft stark machenden Lyrics machen hier den besonderen Reiz aus.

Mit dem abschließenden "Yesterday When I Was Young" hat sich der Amerikaner sogar an eine Version von Charles Aznavours "Hier Encore" gewagt und selbst diese Aufgabe (auf seine eigene Weise) brillant gelöst. Einer der vielen Höhepunkte dieses Albums, zu denen auch der Titeltrack, das mit sehr viel Feeling gebrachte "Blue Star", das bluesig-jazzige "Just Bummin' Around" und das von einem tollen Piano unterlegten "Stealing Home" gehören. "Our Song" ist eine sanfte Ballade aus der Feder von Chris Stapleton und "Love Just Laughed" vereint noch einmal alle Stärken von "First Rose Of Spring", oder besser gesagt die der Musiker und des Songmaterials in einem einzelnen Titel.

Willie Nelson gilt in den USA – vor allem auch wegen seiner Non-Konformalität – als eine lebende Legende und fast schon National-Heiligtum, das Jahr für Jahr qualitativ hochwertige Alben veröffentlicht. Und da schließt sich "First Rose Of Spring" nahtlos an. Wenn "Yesterday When I Was Young (Hier Encore)" der letzte Song wäre, den ein Mensch in seinem Leben aufnehmen würde, dann kann ich mir keine bessere Wahl vorstellen. Respekt, Willie!


Line-up Willie Nelson:

Willie Nelson (lead vocals)
Buddy Cannon (acoustic guitars, background vocals)
Chad Cromwell (drums)
Kevin 'Swine' Grantt (upright bass)
Mike Johnson (steel guitar)
Catherine Marx (piano, B-3 organ, Wurlitzer, Rhodes)
Larry Paxton (upright bass)
Mickey Raphael (harmonica)
Bobby Terry (acoustic, electric & steel guitars)
Lonnie Wilson (drums)
Melonie Cannon (background vocals)
Ward Davis (background vocals)

Tracklist "First Rose Of Spring":

  1. First Rose Of Spring
  2. Blue Star
  3. I’ll Break Out Again Tonight
  4. Don’t Let The Old Man In
  5. Just Bummin' Around
  6. Our Song
  7. We Are The Cowboys
  8. Stealing Home
  9. I’m The Only Hell My Mama Ever Raised
  10. Love Just Laughed
  11. Yesterday When I Was Young (Hier Encore)

Gesamtspielzeit: 41:31, Erscheinungsjahr: 2020

Über den Autor

Markus Kerren

Hauptgenres: Roots Rock, Classic Rock, Country Rock, Americana, Heavy Rock, Singer/Songwriter
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Mail: markus(at)rocktimes.de

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