Willie Nelson ist ein Phänomen! Der mittlerweile neunzigjährige Musiker und Sänger legt mit "I Don’t Know A Thing About Love" das sage und schreibe neunundneunzigste (!!!) Studioalbum seiner Karriere vor. Aber genauso, wie er sich trotz seines hohen Alters die ständigen Verhaftungen wegen illegaler Rauchwaren in den Weg kommen lässt, so lässt er sich auch nicht davon abhalten, Album um Album um Album zu produzieren. Da kann man nur den Hut ziehen, speziell wenn man sich die immer hohe Qualität seiner Arbeiten zu Gemüte führt. Dabei ist sein neuestes und hier zu besprechendes Werk eine Hommage und Verbeugung an und vor seinem Freund, dem legendären und bereits im Jahr 2002 verstorbenen Songwriter, Musiker und Sänger Harlan Howard. Zehn Tracks aus fremder Feder sozusagen, aber auch zehn Klassiker, die man immer wieder gerne hört.
Los geht es direkt mit dem Klassiker "Tiger By The Tail", den Howard seinerzeit 1964 (ebenso wie "Excuse Me (I Think I’ve Got A Heartache", 1960) zusammen mit Buck Owens komponiert hatte. Richtig schön flott und unterstützt von einer meisterhaften Steel Guitar (gespielt von Mike Johnson) geht es da zur Sache. Etwas beschaulicher, dafür aber um keinen Deut schlechter nehmen zunächst "The Chokin' Kind" und anschließend das bereits erwähnte "Excuse Me …" die Fährte auf. Auf "The Chokin' Kind" liefert der Harmonika-Fachmann Mickey Raphael seine Expertisen ab, was er auch auf weiteren Stücken so beibehält. Ebenfalls herrlich kommt das bereits Anfang der siebziger Jahre in ultimativer Version von Gram Parsons gecoverte Streets Of Baltimore, das einmal mehr vor Augen (bzw. Ohren) führt, welche Streiche einem das Leben bzw. die Liebe so spielen kann.
Wie auch immer diese Songs im Original oder in Coverversionen aus der Vergangenheit teilweise mal rüberkamen (schmalzig, seifig), spätestens hier wird ihnen eine Seele verliehen und man kann die geschilderten Dramen nicht nur mitfühlen, sondern auch nachvollziehen. Je nach Song über sechzig Jahre alte Nummern neu aufbereitet für die Jetzt-Zeit neu aufbereitet, sozusagen. Und dabei muss man feststellen, dass diese Stücke und deren Themen schlicht und ergreifend zeitlos sind. Darunter fällt dann hinsichtlich der aktuellen wirtschaftlichen Situation in Deutschland auch der Track "Busted", dessen geschilderte Situtation im schlimmsten Fall zu Dingen und Aktionen führt, die von einem jeweiligen Individuum (wenn er/sie/es nicht bereits das Wasser bis Unterkante-Oberlippe stehen hätte) im Normal-Fall niemals so vorgenommen worden wäre. Darüber hinaus gibt es selbstverständlich auch ein paar Nummern über die Liebe und gebrochene Herzen, die sich aber dennoch alle im mehr als akzeptablen – und Schlager-freien – Bereich aufhalten. Gutes Zeug!
Das einzige, was auf diesem neuen Willie Nelson-Album wirklich schade ist besteht aus der Tatsache, dass der wirklich große Spaß nach einer guten halben Stunde schon wieder vorbei ist. Wobei wir hier bei RockTimes den Teufel tun werden, einen neunzigjährigen legendären Musiker für einen solchen Abzug in der B-Note zu kritisieren. Davon abgesehen hat diese gute halbe Stunde so viel Qualität sowohl von den Musikern, als auch von den Tracks zu bieten, dass sich ihr Haltbarkeits-Datum noch in die nächste Jahrzehnte verschieben wird. Bleibt festzuhalten: Wer auch nur ein minimales Faible für klassische Country-Musik hat, der wird an "I Don’t Know A Thing About Love" jede Menge Spaß haben.
Line-up Willie Nelson:
Willie Nelson (acoustic guitar, lead vocals)
Larry Paxton (bass)
Lonnie Wilson (drums)
Bobby Terry (acoustic & electric guitars)
James Mitchell (electric guitars)
Mike Johnson (steel guitar)
Mickey Raphael (harmonica)
Jim 'Moose' Brown (piano, synthesizer, B3 organ, Wurlitzer)
Wyatt Beard (background vocals)
Melonie Cannon (background vocals)
Tracklist "I Don’t Know A Thing About Love":
- Tiger By The Tail
- The Chokin' Kind
- Excuse Me (I Think I’ve Got A Heartache)
- Life Turned Her That Way
- I Don’t Know A Thing About Love
- Streets Of Baltimore
- Busted
- She Called Me Baby
- Too Many Rivers
- Beautiful Annabel Lee
Gesamtspielzeit: 32:17, Erscheinungsjahr: 2023
1 Kommentar
Horst
18. Mai 2023 um 18:43 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Klasse, dass dieser alte Haudegen auch mit 90 Jahren noch aktiiv ist. Dass 99te Album. Man kann also durchaus auf # 100 hoffen.
Ich warte darauf.
Rock on
Horst