Auf die Plätze, fertig, Vollgas. Daniel Wirtz alias Wirtz startet sein Konzert von null auf hundert. Als er die Bühne im Felsenkeller in Leipzig betritt, ist es Samstagabend 20.45 Uhr. Sozusagen zur besten Sendezeit. Hinter ihm und seinen Bandkollegen liegen gerade einmal 15 Minuten Umbaupause, die seit dem Auftritt der Vorband AMBO aus Amsterdam vergangen sind (zu AMBO später). Wirtz will seine Fans nicht länger warten lassen. Dies kommt mit den ersten Takten von "LMAA" spürbar rüber. Er und seine Mitstreiter legen los wie die Feuerwehr. Der Opener stammt aus dem Album: Erdling (2017) und steht in Text und Musik symptomatisch für den charismatischen Interpreten: Ehrlich, direkt, klare Kante.
Vollgas bedeutet nicht nur für den Sänger und Gitarristen volle Konzentration auf das Geschehen. Allen vier Akteuren merkt man an, dass sie bis in die Haarspitzen motiviert sind. Mehr noch: Hier lebt die Spielfreude und dem Beobachter wird schnell klar: Wirtz hat eine erlesene Auswahl von Musikern an seiner Seite, die alle Bock auf Rock haben. Auf den Bühne stehen außerdem JB Meijers (Gitarre), Pascal Kravetz (Bass) und Joost Kroon (Schlagzeug). Es ist eine Mischung aus Deutschrock und Rock, wenngleich die Musik aus seinem neuen Album DNA verdammt heavy klingt – frei nach dem Motto: Harte Zeiten, harte Musik. Heavy Metal ist es deshalb noch nicht. Die Ausrichtung seiner Musik schätzen die Zuhörer, doch sie alle kennen ihr Idol seit langem als einen ambitionierten Musiker, der viele Facetten in das Songwriting einbringt.
Daniel wer? An den Tagen vor dem Konzert in Leipzig ist mir mehrmals Schulterzucken entgegen gebracht worden, als ich voller Vorfreude von meinem lang geplanten Ausflug nach Leipzig berichten wollte. Dies schloss ebenso Bekannte ein, die musikalisch gewöhnlich breit aufgestellt sind. Für mich bedeutet dies: Der Künstler Wirtz ist (noch) nicht für den Massengeschmack aufgestellt, was mir in dieser Form viel lieber ist. Das sehe ich allemal positiv. Vielleicht ist er tatsächlich in einer Nische unterwegs, aber sehr erfolgreich und mit einer Vielzahl Fans ausgestattet. Immerhin schaffte es der 48-Jährige, das erst am 2. Februar 2024 veröffentlichte Album "DNA" vom Stand auf Platz 4 in den deutschen Verkaufscharts zu platzieren.
Das Konzert in Leipzig unterstrich, was mir über Wirtz bereits bekannt war und was mir beim Hören von "DNA" immer wieder deutlich wurde: Wirtz sammelt deshalb so viele Sympathiepunkte, weil er als guter Musiker so authentisch rüber kommt. Seine textsicheren Fans wissen: Er ist einer von uns. All das lässt sich nirgendwo besser beweisen als in einem Konzert. Seine Fans sind alle dem Teenager-Alter entwachsen, sie kommen bevorzugt als Paare zu den Konzerten und sie sind im Schnitt irgendwo zwischen 40 und 50 Jahren jung. Ihre Vorliebe tragen sie gerne mit Shirts zur Schau. Sie gehören federführend keiner speziellen Szene an. Also alles auf normal gestellt bei Wirtz, der in einem Konzert vergleichsweise wenig moderiert, obwohl er viel zu sagen hat. »Wir müssen etwas dafür tun«, leitete er zu "Willkommen im Krieg" über. Niemals habe er es für möglich gehalten, ein solches Lied schreiben zu müssen. Die Interpretation war einer der Höhepunkte des Konzertes. Es verfehlte auch live seine emotionale Wirkung nicht.
23 Kompositionen waren an diesem Abend zu hören, vom Album "DNA" waren es sechs Stücke. Die Besucher, also auch die neuen Fans, hatten jedoch das sichere Gefühl, ein Best Of erlebt zu haben. Das heißt, Wirtz zog alle Register, um über die komplette Bandbreite seines Schaffens Auskunft zu geben. "Weil ich so bin" aus dem Solo-Debüt "11 Zeugen" (2008) war nicht nur das Abschlusslied des Abends, sondern gleichzeitig wieder eine sehr persönliche Botschaft. Diese Botschaften sind es, die den Frankfurter als einen außergewöhnlichen Künstler ausmachen. Seine Werke haben kein Verfallsdatum. "Willkommen im Krieg" macht besonders deutlich, welche Aktualität im Songrwriting des Musikers steckt.
Respektabel war die Auswahl der Vorband. Zwar gibt es über die fünfköpfige Band AMBO aus Amsterdam kaum verlässliche Informationen, doch ist das nicht das wichtigste Kriterium. In ihrer unbekümmerten Art, mit der die Niederländer über die Bühne wirbelten, zeigten sie Können und Selbstbewusstsein.
AMBO mischen Einflüsse aus Rock, Synthie, Punk und Metal und unterhalten in einer Weise, dass es schon bedauerlich war, als sie sich nach 30 Minuten vom Publikum verabschiedeten. Die talentierten Musiker eint, dass sie alle am Konservatorium in Amsterdam Musik studieren. Musik kann man an dieser Universität in vielen Richtungen studieren: Von Klassik über Pop, von Jazz bis hin zu elektronischer Musik.
Drei Frauen und zwei Männer gehören zu AMBO. Die Frauen nehmen hier eine tragende Rolle ein. Zum Line-up gehören Jazz Meijers (Gesang), Matthijs Theunisse (Gitarre), Stern Hoek (Bass), Siobhan Lemaire (Gesang, Tasten) und Femke Westeneng (Schlagzeug). Sollten AMBO annähernd in dieser Besetzung zusammen bleiben, sollten wir von ihnen noch hören.
Ein herzliches Dankeschön von RockTimes geht an Alexandra Dörrie von Another Dimension für die Fotoakkreditierung und den Platz auf der Gästeliste.
Bildnachweis für alle Bilder des Events: © 2024 | Mario Keim | RockTimes
Line-up Wirtz:
Daniel Wirtz (vocals, guitar)
JB Meijers (guitar)
Pascal Kravetz (bass, keys)
Joost Kroon (drums)
1 Kommentar
Mario
20. Februar 2024 um 19:12 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Ich danke Musikfreund Michael Möse aus meinem Heimatort Ranis ausdrücklich für seinen außergewöhnlichen Spürsinn: Nach dem Lesen des Konzertberichts stellte sich für ihn eine Frage: „Eine Kleinigkeit könntest du noch recherchieren: Zwischen Wirtz`s JB Meijers und AMBO`s Jazz Meijers gibt es bestimmt eine Verbindung?“ Gesagt, getan: Wieder einmal gibt uns Wikipedia Auskunft und klärt auf, dass es nicht nur eine Namensgleichheit gibt. Nein, Jazz Meijers ist die Tochter des 51-jährigen Gitarristen. Dabei steht „JB“ für Jan-Bart. Der niederländische Multiinstrumentalist, Produzent, Komponist, Sänger und Toningenieur wird vorrangig mit den Gruppen The Common Linnets (seit 2014), De Dijk und Supersub in Verbindung gebracht. Sein Part als Bestandteil der Band von Wirtz ist nicht hoch genug einzuschätzen. Vielen Dank, Michael, für die detektivische Arbeit!