Mit "Resist" haben die Fleißarbeiter von Within Temptation (WT) ihr siebentes Studioalbum vorgelegt. Fleiß bedeutet nicht nur Studioarbeit, sondern im Falle der Holländer vor allem ständige Live-Präsenz seit dem Gründungsjahr 1996.
Fünf Stücke des neuen Albums wurden bereits Ende des vergangenen Jahres auf deutschen Bühnen anlässlich der gleichnamigen Tournee vorgestellt.
Aus 'produktionstechnischen Gründen' wurde die für Dezember 2018 vorgesehene Auslieferung jedoch auf den Februar verschoben. WT-CD unterm Gabentisch – Fehlanzeige.
Dafür begleitete uns allerhand Pathos im Vorfeld der Veröffentlichung: »Nach zwei Jahrzehnten ist Within Temptation bereit, mit der Vergangenheit zu brechen. Within Temptation wurde nie von Grenzen begrenzt, aber durch die Erweiterung ihres Horizontes gab die Band ihrem kreativen Schreibprozess eine neue Wucht«, lassen uns die Musiker wissen.
Zum Titel der Platte (resist bedeutet auf Englisch widerstehen) heißt es: »Es ist wichtig, zu widerstehen, denn in der heutigen Gesellschaft werden die Menschen durch soziale Komponenten immer weiter unterdrückt. Ein Prozess, der von Machthabern, Diktatoren, aber auch von internationalen Großkonzernen gelenkt wird. Wir müssen uns davon befreien.«
Soweit die graue Theorie.
Gut, man sollte die Zeichen ernst nehmen, denn Sängerin Sharon den Adel zufolge steht das Album für eine besondere Zäsur: »Hätte es 'Resist' nicht gegeben, gäbe es Within Temptation wohl auch nicht mehr.«
Doch WT revolutionieren den von ihnen stark geprägten symphonischen Metal nicht. Markenzeichen der Band bleibt die Stimme der ausdrucksstarken Sängerin. Da können auch die Gitarren nicht viel dran ändern.
"Resist" soll für mehr Abwechslung stehen, waren doch die vergangenen Alben geprägt von vielen balladesken Nummern. Denn im direkten Vergleich zu den finnischen Metaller von Nightwish aus dem selben Genre klingen letztere deutlich härter.
WT ist es gelungen, durch die Mitarbeit von drei Gastsängern das Songwriting an einigen Stellen aufzupeppen. Hier gibt es Überraschendes. Doch gibt es diesen Effekt vornehmlich nur bei diesen drei Singleauskopplungen.
Die Platte startet mit Fanfarenklängen auf dem bombastischen Stück "The Reckoning, eingespielt mit Papa Roach-Sänger Jacoby Shaddix. Ein fulminanter Auftakt und ein Titel, der sich fest in die Gehörgänge einprägt.
Mit "Endless War" zeigen sich Sharon den Adel und ihre Mannen auf der Höhe ihres Genres. Es ist nicht das einzige Lied, in dessen Verlauf im Refrain kräftige Chöre zu hören sind. Ein Klangbild, wie man es von WT kennt und schätzt. Nicht mehr und nicht weniger.
Furios auch der Auftakt bei "Raise Your Banner" mit Gast Anders Fridén von In Flames, der seine ausdrucksstarke Stimme im Refrain bemühen darf. Die krachenden Gitarren zeigen, dass es funktionieren kann, etwas mehr auszuteilen. Warum also sonst ist diese Fraktion so zurückhaltend?
In "Supernova" verarbeitet die Sängerin den Tod ihres Vaters. Die balladeske Variante ist die passende Wahl, denn die 'Supernova' steht stellvertretend auch für einen superhellen Stern am Ende seiner Lebenszeit. Auch hier sind Chöre ein überragendes Stilmittel, das in Richtung eines Gänsehauterlebnisses zielt.
Vergleichsweise unspektakulär klingt "Holy Ground". "In Vain" nimmt wieder ein wenig Fahrt auf, auch wenn es sich hierbei erneut um eine Ballade handelt. Ein Stück, auf dessen Etikett nur WT drauf stehen kann.
Höhepunkt der zehn Stücke umfassenden CD ist ohne Zweifel "Firelight". Nach verhaltendem Beginn entwickelt sich das schwermütige Duett mit dem belgisch-flämischen Sänger Jasper Steverlinck zu einer Momentaufnahme der Gefühle mit einer sanften, dazu passenden Instrumentierung. Die Gitarren im Chorus unterstreichen die Stimmung hervorragend.
Aber auch nach dem dritten Gastauftritt kehrt die Band scheinbar zur gewohnten Routine zurück, um das Wort Tristesse nicht zu strapazieren. "Mad World", "Mercy Mirror" und "Trophy Hunter" beschließen den Reigen des Albums, wobei der kraftvolle finale Song noch am meisten versöhnt.
Sooft sich der Plattenteller auch dreht, die Überraschungsmomente bleiben gezählt. "Resist" ist beileibe keine Enttäuschung, die Scheibe ist aber auch nicht der von der Band angekündigte große Wurf.
WT tanzen derweil auf dünnem Eis. Unausweichlich lautet die Frage: Mehr Pop oder Metal, einzelne Songs ausgeklammert? Welche Einflüsse sind stärker? Die Gitarren machen sicher (noch) den Unterschied, so zurückhaltend sie auch an manchen Stellen eingesetzt werden. Es sind ihrer drei, denn im Studio greift den Adels Ehemann Robert Westerholt zusätzlich in die Saiten, währenddessen er sich in Zeiten von ausgedehnten Touren zu Hause um die drei gemeinsamen Kinder kümmert.
Bleibt abschließend die Frage, ob WT mit ihrer Vergangenheit brechen sollten, wie es die Band angekündigt hat? Warum mit dem Erreichten brechen? Man sollte dazu stehen. Und musikalisch daran anknüpfen. Das ist auf "Resist" stellenweise gut gelungen, es zieht sich aber nicht wie ein roter Faden durch das Album, das mit drei Gastsängern, aber ohne weitere zusätzliche Musiker aufgenommen worden ist.
Kein Mensch verlangt von dieser Band, dass sie sich grundlegend neu erfindet, schon gar nicht die eigenen Fans.
Line-up Within Temptation:
Sharon den Adel (vocals)
Ruud Jolie (guitars)
Stefan Helleblad (guitars)
Robert Westerholt (guitars)
Jeroen van Veen (bass)
Martijn Spierenburg (keyboards)
Mike Coolen (drums)
Tracklist "Resist":
- The Reckoning
- Endless War
- Raise Your Banner
- Supernova
- Holy Ground
- In Vain
- Firelight
- Mad World
- Mercy Mirror
- Trophy Hunter
Gesamtspielzeit: 47:35, Erscheinungsjahr: 2019
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