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Years After / Same – CD-Review

Years After / Same - CD-Review

Fliegende Norweger, eine Hommage an den Tonträger und eine Band lässt selbst im Regen die Sonne scheinen

Seit dem 28. Oktober 2014 ist die Allman Brothers Band Geschichte. Und sie hat selbst (Musik)Geschichte geschrieben. Eine Geschichte, die bis zum heutigen Tage nachwirkt und nicht wenigen aktiven Musiker*innen jederzeit schmerzhaft bewusst macht, welch große Lücke diese Institution hinterlassen hat, die mit der Begründung des Genres 'Southern Rock' nur sehr unzureichend beschrieben wäre. In unserem Nachbarland der Grachten, Tulpen und Windmühlen nimmt sich beispielsweise die großartige Leif de Leeuw Band des Themas an, während in den fernen USA ein Protagonist der letzten Inkarnation der Allman Brothers Band zusammen mit seiner Ehefrau und einem großen Musiker*innen-Kollektiv die Geschichte mit einem souligeren Ansatz weiterschreibt.

Aber auch das in Nordeuropa gelegene – und nicht unbedingt als (Rock)Musik-Mekka geltende – Norwegen lebt nicht hinter dem Mond. Speziell aus der angeblich regnerischsten Stadt Europas – mit durchschnittlich 200 Regentagen im Jahr – kamen und kommen gerne Vertreter*innen von Musikgattungen, die per se primär den USA zugeschrieben werden, wie beispielsweise der sogenannte 'Westcoast Rock' oder eben der 'Southern Rock'.
So brachten Mitte der 1970er Jahre die nicht zufällig genau so heißenden Flying Norwegians aus Bergen zwei vergleichsweise sehr erfolgreiche Alben raus und gemahnten auf angenehmste Weise an die Flying Burrito Brothers, Poco oder Crosby, Stills, Nash (& Young), was kurz darauf dazu führte, dass ihr Gitarrist Rune Walle von den Ozark Mountain Daredevils abgeworben wurde.

Jahrzehnte später macht sich nun eine junge Band aus … natürlich … Bergen auf, den eigentlich unnachahmlichen Spirit aus dem Konglomerat Blues-, Country-, Jazz- und Jam Rock zu neuem Leben zu erwecken, ohne dabei krampfhaft versuchen zu wollen, sich von großen Vorbildern wie der Allman Brothers Band zu lösen. Dabei entfesselt das Kern-Quintett, ergänzt um ein zweites Schlagzeug und einen Perkussionisten, einen locker flockigen Groove-Teppich, der selbst in Bergen die Sonne aufgehen lässt. Twin-Gitarren, Slide-Gitarre auf europäischem Spitzenniveau, wabernde Orgel, das rhythmische Feuerwerk zweier Schlagzeuger plus Perkussion, alles zusammengehalten durch einen federnd groovigen Bass … in Verbindung mit wunderbar unaufgeregten, aber den alten Vorbildern in nichts nachstehenden Songs, dem überaus stimmigen Gesangsvortrag von Jens-Petter Torheim und dem weitgehenden Fokus auf die instrumentale Ausgestaltung des Gesamtvortrags haben wir es hier nach der bescheidenen Meinung des Autors mit nichts weniger, als dem bis dato besten Post-Allman Brothers Ära-Studioalbum überhaupt zu tun.

Leider ist dieses Vergnügen viel zu kurz, um auch noch einen Kritikpunkt anzubringen. Aber der Rezensent griff anschließend nie zu irgendwelchen großen Originalen, sondern betätigte stets die Repeat-Taste seines Old-School-Players. Mit solchen Perlen wie "Blue" oder dem grandiosen Instrumental "Les Montagnes" stehen Years After hervorragend auf eigenen Beinen. Ein solches stellen sie sich aber mit ihrer Namensgebung selbst, denn in der heutigen Welt der Suchmaschinen steht grundsätzlich immer eine 'Ten' vor ihrem Namen. Es ist dem Rock-Mail-Order 'Just For Kicks' aus Schleswig Holstein, der dieses Jahr immerhin schon sein zwanzigjähriges Jubiläum feiern darf, hoch anzurechnen, dass er trotzdem fündig wurde und uns dieses Juwel auf Silberling und … ganz aktuell … auch auf Vinyl zugänglich macht. Denn alles Streaming dieser Welt verrät uns nicht, dass der unerhört gute Lead- und Slidegitarrist dieser Scheibe auf den schönen Namen Jon-Wilhelm Nordli Herføl hört.

Fazit:
Diesmal ganz einfach … wer auch nur ansatzweise etwas mit dem Etikett 'Westcoast Rock' – in Verbindung mit Blues-orientierten Grateful Dead und Allman Brothers – anzufangen weiß und sich noch den guten alten Tonträgern verbunden fühlt, sollte unbedingt dem Debüt von Years After eine Chance geben! Vielleicht schreiben diese enthusiastischen Nordlichter dann ja ihre eigene Geschichte …


Line-up Years After:

Jens-Petter Torheim (guitar, vocals)
Jon-Wilhelm Nordli Herføl (lead guitar, slide guitar)
Daniel Lunde (bass, bouzouki)
Sandro Stanojevic (organ, rhodes, piano)
Erik Ekrem (drums, acoustic guitar)

Additional musicians:
Fredrik Mekki Widerøe (drums, except #3)
Ola Berg Riser (percussion)

Tracklist "Years After":

  1. Follow The Trail (01:38)
  2. Stand Back (03:49)
  3. Free (04:20)
  4. Don’t Leave Me (03:54)
  5. Blue (05:36)
  6. When You`re Gone (04:56)
  7. Les Montagnes (07:03)
  8. Porch Blues (03:03)

Gesamtspielzeit: 34:22, Erscheinungsjahr 2021

Über den Autor

Olaf 'Olli' Oetken

Beiträge im Archiv
Hauptgenres (Hard Rock, Southern Rock, Country Rock, AOR, Progressive Rock)

1 Kommentar

  1. Frank Daniel

    Hey, DANKE für diesen Tipp – großartige Musik, zwar nicht gerade innovativ, aber von hoher Qualität. Und es geht einem ja das Herz auf, dass solche Musik heutzutage noch neu erscheint! Und die Repeat-Taste kann ich absolut nachvollziehen! 🙂

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