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Yes / Talk – CD-Review

Yes - "Talk" - CD-Review

Dass die großen Bands der Siebziger in den achtziger und teilweise auch neunziger Jahren harte Zeiten erlebten, ist weitgehend bekannt. Denn um irgendwie auf der Höhe der Zeit zu bleiben, mussten nicht nur das Image (weniger), sondern vor allem auch der Sound dem Zeitgeschmack angepasst werden. Was bei weitem nicht jedem gelang und zu vielen Schiffbrüchen führte. Selbst absolute Größen wie beispielsweise die Rolling Stones ("Undercover", 1983) oder Bob Dylan (Empire Burlesque oder Down In The Groove) lieferten Werke ab, die weit unter ihrem Standard lagen. Und auch die englische Progressive Rock-Formation Yes bildete da keine Ausnahme. Nach der Band-Auflösung bzw. dem Ausstieg des Gitarristen Steve Howe zu Beginn der Achtziger ging es nur wenig später mit Trevor Rabin an der Sechssaitigen weiter. Und mit dem Comeback-Album "90125" (1983) inklusive der Hit-Single "Owner Of A Lonely Heart" konnte zunächst auch ein großer Erfolg gefeiert werden. "Big Generator" (1987) war dann schon nicht mehr ganz so toll und "Union" (1991) wurde komplett in den Sand gesetzt.

Und damit sind wir dann im Jahr 1994 und der folgenden Scheibe "Talk" angelangt, die dem Rezensenten bisher, genauso wie die drei vorherigen Platten, bisher nur oberflächlich bekannt war. Umso größer war mein Entsetzen nach den ersten intensiven Hör-Durchläufen. Natürlich ist hier noch der großartige Gesang von Jon Anderson deutlich erkennbar und die Scheibe startet mit "The Calling" auch noch ganz passabel. Aber bereits beim ersten Song kann man trotz ein paar schönen proggigen Einschüben fast nur mit dem Kopf schütteln. Denn in allererster Linie haben wir es hier mit einer wenig Eindruck hinterlassenden, musikalisch fast schon austauschbaren AOR-Nummer zu tun, die sich selbst zum Zeitpunkt ihres Erscheinens etwa ein Jahrzehnt veraltet angehört haben muss. Und leider wird die Platte hinsichtlich der Songs auch im weiteren Verlauf nicht besser, eher das Gegenteil ist der Fall.

Wie bereits weiter oben geschildert, muss sich eine Band natürlich auch immer weiterentwickeln, bestenfalls dann aber auch in die richtige Richtung. Was "Talk" ganz sicher auch keinen Gefallen getan hat war, dass es das erste Yes-Album war, das komplett digital aufgenommen wurde. Und das ist dann dem irgendwie künstlich und klinisch klingenden Sound auch deutlich anzuhören. Dazu kommen – zumindest für den Rezensenten – eher ärgerliche Songs der Marke "Real Love" oder "Walls". "I Am Waiting" kann, wenn auch mit nicht viel mehr, immerhin noch mit einer schönen Gitarren-Melodie aufwarten. Die beste Nummer der kompletten Scheibe ist dann das abschließende "Endless Dream", das immerhin tatsächlich nochmal so was wie Progressive Rock-Gefühle aufkommen lässt. Aber selbst dieser in drei Parts aufgeteilte Track wirkt eher wie Stückwerk und ist meilenweit von Großtaten der Vergangenheit entfernt.

Somit kann auch das Fazit alles andere als positiv ausfallen. Yes hatte sich mit "Talk" fast in die Unkenntlichkeit und Beliebigkeit gespielt und produziert. Mit früheren Großtaten wie beispielsweise "Fragile" (1971), "Close To The Edge" (1972) oder dem fantastischen "Relayer" (1974) hat "Talk" so gut wie gar nichts mehr zu tun. Vielmehr präsentiert sich hier eine Band, die sich ins Land der so vielen austauschbaren AOR-Combos der damaligen Zeit eingereiht hat. Die Scheibe war dann tatsächlich auch die letzte mit dem Gitarristen Trevor Rabin und dem Keyboarder Tony Kaye, bevor für "Keys To Ascension" Steve Howe und Rick Wakeman zurückkehrten. Für beinharte Yes-Fans mag es anders aussehen, aber für den Rezensenten war und ist "Talk" eine riesengroße Enttäuschung.

Nicht verschwiegen werden soll an dieser Stelle, dass diese Neuauflage zum dreißigsten Geburtstag von "Talk" in mehreren Formaten, mit teilweise reichlichem Bonus-Material versehen, erschienen ist.


Line-up Yes:

Jon Anderson (lead & background vocals)
Trevor Rabin (guitars, keyboards, programming, vocals)
Chris Squire (bass, background vocals)
Tony Kaye (keyboards, Hammond organ)
Alan White (drums)

Tracklist "Talk":

  1. The Calling
  2. I Am Waiting
  3. Real Love
  4. State Of Play
  5. Walls
  6. Where Will You Be
  7. Endless Dream

Gesamtspielzeit: 54:31, Erscheinungsjahr: 2024 (1994)

Über den Autor

Markus Kerren

Hauptgenres: Roots Rock, Classic Rock, Country Rock, Americana, Heavy Rock, Singer/Songwriter
Über mich
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Mail: markus(at)rocktimes.de

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